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Görlitz: Auferstehung eines Denkmals

Ceyda Nurtsch
28. Juni 2018

In Berlin zeigt eine Fotoausstellung die Wandlung der sächsischen Kleinstadt Görlitz nach der Wende. Die Fotos dokumentieren die Wiedergeburt der ambitionierten östlichsten Stadt Deutschlands.

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Ausstellung Görlitz - Auferstehung eines Denkmals
Bild: DW/C. Nurtsch

Seit vier Jahrzehnten dokumentiert der Dresdner Fotograf Jörg Schöner den architektonischen Reichtum von Görlitz. Er ist ein Chronist des Wandels der Stadt. Görlitz war nicht immer eine Reise wert, daran kann Schöner sich noch genau erinnern: "Die Altstadt sah jämmerlich aus, schwarze Patina, zerfallene Häuser, der größte Teil stand leer", erzählte er der DW 2015. Zu DDR-Zeiten habe sie das schlechteste Image gehabt. Heute, das zeigen auch seine Fotos, fühlt man sich dort unwillkürlich wie in Italien.

Eben diesen Wandel von Görlitz zum architektonischen Flächendenkmal zeigt jetzt in Berlin die Kunstbibliothek anlässlich des European Cultural Heritage Summit "Sharing Heritage - Sharing Values" in einer Fotografie-Ausstellung. Zu sehen sind großformatige Fotografien von Jörg Schöner. In den 80er Jahren hatte Schöner, 1944 in Dresden geboren, den Auftrag bekommen, die Altstadt von Görlitz zu fotografieren, "bevor alles zusammenbricht". Dann kam die deutsche Wiedervereinigung, und die Altstadt wurde - auch durch die knapp elf Millionen Euro, die ein anonymer Gönner der Stadt über einen Zeitraum von 22 Jahren schenkte - restauriert. Heute haben die Häuser der Altstadt mit ihren verschiedenen europäischen Baustilen und die Gründerzeitviertel die Stadt zu einem beliebten Filmdrehort gemacht.

Ministerpräsident betont Zusammenhalt

Die für die Ausstellung ausgewählten Fotografien verbinden jeweils zwei Zeitabschnitte. So gibt es von jeder fotografierten Straße, von jedem Haus ein "Vorher-Nachher-Bild". Ein Bild zur Zeit des Verfalls nach 1980 und eins nach dem Aufbau nach der Deutschen Einheit. Bis zum 5. August kann die Ausstellung kostenfrei besucht werden.

Die Eröffnungsrede hielt Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen. Er betonte die Solidarität zwischen den beiden Teilen Deutschlands: "Das, was wir da sehen, das haben wir zusammen seit 1990 gemacht. Niemand anderes. Wir zusammen. Menschen aus Ost und West. Das ist eine unglaubliche patriotische Leistung. Nirgendwo haben Menschen auf der Welt in einem Teil des Landes auf Wohlstand verzichtet, um den anderen Teil so aufzubauen", so Kretschmer, der selbst in Görlitz geboren wurde.

Ausstellung Görlitz - Auferstehung eines Denkmals
Vorher und nachher: die Ausstellung "Görlitz - Auferstehung eines Denkmals"Bild: DW/C. Nurtsch

Die Wende brachte auch für Görlitz die Wende

Ihm folgte Prof. Dr. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: "Die Fotos führen einem vor Augen, dass der Untergang der DDR nicht nur den Menschen geschuldet war, sondern einer Situation, in der die Stadt den Menschen förmlich auf den Kopf gefallen ist." Man frage sich, was gewesen wäre, wenn es nicht zur Wende gekommen wäre. "Bei allem, was hinterher nicht so optimal lief, muss man sich schon klar machen, und das rufen diese Bilder noch einmal in Erinnerung, was sich alles zum Positiven verändert hat", so Parzinger.

An der darauffolgenden Podiumsdiskussion nahmen neben Parzinger und dem Oberbürgermeister von Görlitz, Siegfried Deinege, auch Stefan Locke von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Axel Krüger, Unternehmensberater aus Görlitz, teil.

"Das ist eine Stadt, die über 4000 architektonische Denkmäler besitzt. Das beginnt in der Spätgotik und zieht sich über alle Zeiten", erklärt Deinege. Man habe Glück gehabt, dass die Kriege an der Stadt vorübergegangen seien. Die Stadt sei dann einfach irgendwann verfallen. "Dann muss man versuchen, die Häuser zu erhalten und das Geld zu organisieren. Das geht nur in einer deutschen Einheit. Das geht nicht in einem wirtschaftlich ruinierten Staat", so Deinege.

"Im Osten fehlt eine gesamte Generation"

Doch FAZ-Redakteur Stefan Locke verweist auch auf die negativen Auswirkungen der deutschen Einigung: "1990 brach die Industrie zusammen, schlimmer als in der Weltwirtschaftskrise." Das habe dazu geführt, dass, nicht nur in Sachsen, sondern in ganz Ostdeutschland, vier Millionen Leute weggegangen seien. "Das heißt, es fehlt heute im Osten eine gesamte Generation."

Für die Zukunft jedoch hat Oberbürgermeister Deinege große Ziele für seine Stadt: Sie soll Weltkulturerbe werden. Auch Axel Krüger bestätigt, die Stadt habe "einen Spirit", den Neuankömmlinge sofort spürten. Die Ausstellung jedenfalls macht neugierig auf die östlichste Stadt Deutschlands.