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Wie Schäuble Kapital anziehen will

Kay-Alexander Scholz9. September 2014

Wie reagiert Deutschland auf das schwierigere wirtschaftliche und politische Umfeld? Bleibt die "Schwarze Null" finanzpolitisches Ziel? Zum Start der Haushaltswoche nahm der Finanzminister dazu Stellung.

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Bundesfinanzminister Schäuble im Bundestag (Foto: Dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/ M.Gambarini

Als Wolfgang Schäuble Anfang Juli dem Kabinett das Haushaltsgesetz vorlegte, flankierte er seine Pläne mit der Bemerkung, Deutschland sei für Schwankungen durch internationale Risiken gewappnet: Die Schätzungen seien vorsichtiger Natur. Der Bundesfinanzminister scheint noch immer dieser Meinung zu sein. Obwohl es, wie er im Bundestag zur Eröffnung der Haushaltswoche zugab, eine "Abschwächung der Konjunktur" durch Kriege, wirtschaftliche Stagnation in Europa und weltweite Exportschwächen gebe. Denn an dem Plan, ab dem kommenden Jahr keine neuen Schulden mehr aufnehmen zu wollen, soll sich nichts ändern. Im Gegenteil, die Realität erfordere "Disziplin und eine entschlossene, unaufgeregte Fortsetzung der soliden und verlässlichen Stabilitätspolitik", unterstrich Schäuble eindrücklich. Alles andere würde zu einer neuen Vertrauenskrise in Europa führen. Aber Vertrauen sei nun einmal der Rohstoff der sozialen Marktwirtschaft.

Die "Schwarze Null", mit der ein Haushalt ohne neue Schulden beschrieben wird, soll nach Schäubles Plänen kein haushaltspolitischer Selbstzweck sein, sondern eine wichtige Außenwirkung erzielen. "Wir brauchen private Investitionen, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten", sagte Schäuble. Und Investoren bräuchten verlässliche Rahmenbedingungen: Dass "wir halten, was wir versprochen haben", wie der bald 72-jährige dienstälteste Bundestagsabgeordnete es formulierte.

Infografik Bundeshaushalt 2015 und Finanzplanung

Was in die "Irre" führt

Schäubles Argumentation hatte gleich mehrere Stoßrichtungen. Zum einen gibt es nicht nur in der Opposition kritische Stimmen, die "Schwarze Null" könne nur deshalb erzielt werden, weil wichtige Infrastruktur-Investitionen ausblieben. Tatsächlich gibt es in Deutschland einen Investitionsstau von 100 Milliarden Euro, viele Straßen und Brücken sind marode. Schäuble versucht das auszugleichen, indem er auf private Investitionen hofft. Diese sollen zum Beispiel bei der Finanzierung von Straßen und dem Breitbandausbau helfen.

Zum anderen gibt es EU-Staaten, die sich erhoffen, mit mehr öffentlichen Ausgaben Wachstum zu schaffen, und dies auch von Deutschland fordern. Diesem Denken erteilte Schäuble nun erneut eine deutliche Absage. Dieser Weg führe "in die Irre". Wachstum und dauerhafte Arbeitsplätze entstünden nicht durch mit höheren Defiziten in den Haushalten erkaufte öffentliche Mehr-Ausgaben. Sondern im Gegenteil, dadurch entstünden nur noch mehr Unsicherheiten und Blasen auf den Märkten.

Die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) habe auch keine Arbeitsplätze geschaffen, setzte Schäuble seine Abrechnung fort, und habe im Gegenteil in manchen Ländern zu höheren Sparquoten und weniger Konsum geführt. Auch bleibe der Zugang zu Kapital für kleine und mittlere Unternehmen beeinträchtigt, trotz des steigenden Kapitalflusses. Insgesamt habe die EZB ihr Instrumentarium nun ausgereizt, sagte Schäuble, und betonte, dass echtes Wachstum in Deutschland und Europa nun einmal nur durch Innovationen entstehen könne.

Schäuble fordert Reformen in anderen EU-Staaten

Die "Schwarze Null" ist Teil der Musterschüler-Strategie, mit der Deutschland in den letzten Jahren zur gewichtigsten Stimme innerhalb der EU geworden ist. Diese Position hat das machtpolitische Ziel, die Richtung vorgeben zu wollen. Sie wolle, dass Europa stärker aus der Krise hervorgehe, hatte Kanzlerin Angela Merkel dazu gesagt.

In der Rede Schäubles spiegelte sich das wider. Er forderte von anderen EU-Staaten Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt und eine Verwaltungsreform. Schon vor Jahren habe die EU einen milliardenschweren Fonds gegen Jugendarbeitslosigkeit aufgesetzt, nannte Schäuble ein Beispiel. Bis heute sei davon praktisch nichts abgeflossen. Das habe mit den Verwaltungsstrukturen vor Ort zu tun, so Schäuble weiter, ohne konkrete Länder zu nennen.

Deutschland will es vormachen

Trotz strikter Haushaltsführung wird Deutschland auch in den nächsten Jahren investieren, aber explizit wachstumsfördernd, wie Schäuble betonte. Zusätzliche Milliarden sollen in Bildung, Technologieförderung, Startup-Unterstützung und in den Ausbau von Straßen und digitalen Autobahnen fließen.

Investitionen forderte Schäuble auch von der sich gerade neu bildenden EU-Kommission, um Europa leistungsfähiger zu machen. Die EU solle sich jedoch auf grenzüberschreitende Bereiche konzentrieren, die von den Staaten allein nicht leistbar seien, wie Verkehr, Energie und Telekommunikation. Ziel müsse es sein, auf dem weltweit überschüssigen Finanzmarkt Kapital anzuziehen. Doch das werde nur gelingen, wenn sich alle in der EU - so wie es Deutschland tut - an die gemeinsam vereinbarten Ziele in der Finanzpolitik halten.

"Vertrauen ist letztlich die Grundlage unserer Überzeugungskraft", beendete Schäuble seine Argumentation und kam damit wieder auf die internationale Situation zu sprechen, mit der er seine Rede auch begonnen hatte. "Wir müssen uns behaupten und die Leistungsfähigkeit der westlichen Welt sichern". Zur Verteidigung der freiheitlichen Werte gehöre es, "wirtschaftlich und gesellschaftlich stark und attraktiv zu sein". Die Welt beobachte sehr genau, ob Europa den eigenen Ansprüchen genüge.