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Wie Russland die öffentliche Meinung in Afrika manipuliert

David Ehl | Monir Ghaedi
26. Januar 2025

In Afrika ist ein explosionsartiger Zuwachs von Beeinflussungskampagnen zu beobachten - häufig mit russischem Ursprung. Die DW hat Methoden, Ziele und regionale Unterschiede dokumentiert.

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Ein Transparent auf einer staubigen Straße zeigt die Machthaber Traoré und Putin beim Handschlag
Um "Unterstützung für den Wandel" wirbt dieses Transparent in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou - mit einer zur Schau gestellten Freundschaftsgeste von Junta-Chef Ibrahim Traoré mit dem russischen Machthaber Wladimir PutinBild: Christina Peters/dpa/picture alliance

Über den weißen Luxusyachten am Pier türmen sich gläserne Wolkenkratzer im goldenen Licht. Dieses auf Facebook gepostete Bild soll angeblich die Schönheit Moskaus zeigen. Nur ein Detail ist falsch - und mit einer Bilder-Rückwärtssuche leicht zu verifizieren: Es wurde nicht in der russischen Hauptstadt aufgenommen, sondern in Dubai.

Screenshot eines Facebook-Posts (mit Yachten vor einer Skyline), der eine falsche Behauptung aufstellt
Dieser Post zeigt nicht Moskau, sondern Dubai: manche pro-russische Posts lassen sich schnell als plumpe Lüge enttarnenBild: Facebook

Der Account, der das vermeintliche Moskau-Bild postete, wird zumindest laut Profilinformationen wie der hinterlegten Telefonnummer aus dem ostafrikanischen Burundi betrieben. Er nennt sich Wladimir Putin, zeigt den russischen Machthaber im Profilbild und postet regelmäßig pro-russische Inhalte. Darunter immer wieder offensichtliche Lügen - zum Beispiel, dass eine russische Laser-Kanone 750 amerikanische Kampfflugzeuge zerstört habe. Mehr als 180.000 Menschen folgen dem Account, der sich als Nachrichtenseite ausgibt.

Doch längst nicht alle Posts, die ihr Publikum politisch beeinflussen wollen, sind derart plump und falsch. Die meisten sind subtiler - und es häufen sich die Indizien, dass Russland sich in strategisch wichtigen Ländern Afrikas ein positives Image verpassen will.

Beeinflussung kommt häufig ohne Lügen aus

Im Einzelfall ist es nicht immer möglich, solche Posts einem Urheber zuzuordnen. Aber in der Gesamtheit ergibt ein Bild: Das Africa Center for Strategic Studies - eine Forschungseinrichtung des US-Militärs - nannte in einem Bericht von März 2024 Russland als Haupt-Urheber von Beeinflussungskampagnen in Afrika. 80 von knapp 200 Kampagnen konnten russischen Stellen zugeordnet werden - und damit weit mehr als anderen ausländischen Urhebern wie China, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien oder Katar. Seit der vorherigen Erhebung zwei Jahre zuvor habe man eine Vervierfachung der Desinformation dokumentiert, schreibt das Zentrum.

Wichtig dabei: Diese Kampagnen setzen selten auf plumpe Fakes wie den vermeintlichen Moskauer Yachthafen. Vielmehr werden wahre Elemente verzerrt durch Übertreibungen oder bewusst weggelassene Informationen. Manchmal reicht es jedoch schon, die bereits bestehende öffentliche Meinung auszunutzen und zu verstärken: "In Afrika gibt es eine natürliche Gegenüberstellung Ost gegen West, in der der Westen historisch der Bösewicht ist", sagt Aldu Cornelissen, Co-Gründer der südafrikanischen Digitalberatungsfirma Murmur Intelligence. "Es braucht keine Lügen oder Desinformation, um die Menschen daran zu erinnern."

Lokale Influencer statt zentrale Trollfabriken

Mit seiner Firma wertet Cornelissen soziale Netzwerke für politische wie für kommerzielle Auftraggeber aus, zum Beispiel für Studien von Denkfabriken. Dabei geht es auch um russische Kampagnen. Cornelissen erklärt deren Vorgehen so: "Es gibt ein globales Netzwerk von Schlüssel-Accounts, die mit anderen Schlüssel-Accounts im afrikanischen Kontext verwoben sind. Von dort übernehmen schließlich heimische Influencer in jedem Land die Botschaften und passen das Narrativ an den lokalen Kontext an."

Das bestätigt auch Beverly Ochieng, Forscherin im Afrika-Programm des US-amerikanischen Zentrums für Strategische und Internationale Studien (CSIS) mit Sitz in Dakar. "Wenn zum Beispiel eine Bürgerrechtsgruppe aus Mali einen Post auf Bambara absetzt, dann sieht es nicht so aus, als käme das von einem russischen Staatdiener. Es sieht wie eine echte Meinung aus von jemandem, der die lokale Sprache spricht und die Befindlichkeiten der Menschen kennt", sagt Ochieng der DW.

Eine Frau blickt auf ein Smartphone
Viele Afrikanerinnen und Afrikaner nutzen soziale Netzwerke. Nach X beendet nun auch Meta zunächst in den USA auf seinen Plattformen Instagram, Facebook und WhatsApp den Kampf gegen Desinformation. Bild: Isaac Kasamani/AFP/Getty Images

Anders als Posts aus einer weit entfernten Trollfabrik stammen inzwischen viele Inhalte also von Menschen aus der Region, die auch sprachliche und kulturelle Besonderheiten kennen. Daten-Analyst Cornelissen bezeichnet sie als Nano-Influencer - in Südafrika hat er ihre Aktivitäten dokumentiert. "Alle von ihnen werden bezahlt. Und wenn man tausend Leuten je 200 Rand (ca. 10 Euro) zahlt, dann ist das eine sehr günstige Kampagne, um an einem Tag ein Narrativ festzusetzen", sagt Cornelissen gegenüber der DW. Mit der Zeit würden manche die Narrative als ihre eigene Meinung übernehmen und unentgeltlich posten.

Sogenannte "Buzzer" verstärken die Reichweite von Posts. Das sind von Menschen oder Bots gesteuerte Accounts, die durch vielfaches Teilen und gegenseitiges Erwähnen Sichtbarkeit und Reichweite generieren. Die Nichtregierungsorganisation Centre for Analytics and Behavioural Change hat ein solches Netzwerk rund um den offiziellen X-Account der russischen Botschaft in Südafrika dokumentiert. Weitere Schlüsselaccounts seien der Russland- und Trump-freundliche US-Aktivist Jackson Hinkle sowie eine Reihe südafrikanischer selbsternannter "alternativer Medien" und Aktivisten.

Ein weit verzweigtes Medienimperium 

Russland setzt nicht nur auf den Aufbau verdeckter Strukturen in sozialen Netzen, sondern auch auf direkte eigene Kanäle. In der Zentralafrikanischen Republik, gewissermaßen ein Labor für Russlands Einflussnahme in Afrika, gilt es als offenes Geheimnis, dass der Radiosender Lengo Songo 2018 von russischen Agenten gegründet worden sein soll. Im November veröffentlichten mehrere europäische Medien eine Investigativgeschichte über einen zentralafrikanischen Whistleblower, der nach seiner Flucht erklärte, wie seine Arbeit funktionierte: Er vermittelte dem Sender pro-russische Experten und schrieb als Zeitungsjournalist Artikel, deren Inhalte teils detailliert von seinen russischen Mittelsmännern vorgegeben wurden.

Auch der russische Staatssender RT wird genutzt, um pro-russische Narrative zu verbreiten. In vielen westlichen Ländern, so auch Deutschland und der EU, ist RT in Teilen verboten. 2022 kündigte RT an, ein englischsprachiges Medienzentrum in Südafrika aufzubauen. Inzwischen sei der Standort in Betrieb, erklärte RT laut einem Bericht des US-Senders Voice of America. Per Satellit sei der Sender in "vielen" afrikanischen Staaten zu empfangen. Im frankophonen Afrika wird zudem RT auf Französisch ausgestrahlt. Als Experten treten regelmäßig leitende Journalisten malischer Medien wie Radio Emergence oder L'Elite auf, die das russische Vorgehen im Sahel loben und teilweise auch mit der malischen Junta verbunden sind.

Zwei Statuen von Männern in Militäruniform, einer (rechts) bewaffnet
Denkmal für einen einflussreichen Mann: In Bangui steht eine Statue von Jewgeni Prigoschin (links). Die Zentralafrikanische Republik gilt als Labor für russischen Einfluss, nicht zuletzt durch Prigoschins Privatarmee WagnerBild: Jean-Fernand Koena/DW

Das US-Außenministerium unter Ex-Präsident Joe Biden warf RT zudem vor, heimlich Seiten wie "African Stream" zu betreiben. Auch weitere Kanäle sind speziell für ihren Einsatz in Afrika gegründet worden: Der bekannteste ist wohl die Online-Nachrichtenseite "African Initiative", die ihre Ursprünge im Firmenimperium von Jewgeni Prigoschin hat. Der Gründer der Privatarmee Wagner hatte im Juni 2023 eine Machtprobe mit Machthaber Wladimir Putin provoziert und war wenige Wochen später laut russischen Behörden bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

"African Initiative" präsentiert sich als Nachrichtenagentur sowie als "Brücke" zwischen Russland und Afrika. Sie betreibt auch Accounts bei Telegram und in sozialen Netzen, teils offen, teils verdeckt. In Mali unterhält die Initiative Verbindungen zu einer lokalen Journalismusschule, im Dezember wurden die drei Jahrgangsbesten direkt als Korrespondenten angeworben.

Von Propaganda-Ausstellungen bis zum Computerspiel

Auch in Burkina Faso ist sie mit eigenen Büros präsent und organisiert dort hin und wieder Veranstaltungen. So zeigte "African Initiative" im Mai 2024 in der Hauptstadt Ouagadougou Fotos vom "russischen Sieg über Hitler-Deutschland" 1945 bis hin zu "zehn Jahren Krieg im Donbass", den Russland von der Ukraine beansprucht. Die burkinische Bevölkerung ist nach Einschätzung einer lokalen Quelle "besonders empfänglich für Geschichten von militärischen Siegen gegen Terroristen. Ein Video, das von Russland gelieferte Ausrüstung oder damit ausgestattete Soldaten zeigt, kann leicht als Beweis für die Effektivität dieser Kooperation gesehen werden."

Im Bild sind mehrere Motorrad- und Motorrollerfahrer, einer von ihnen hält eine große russische Flagge in den Fahrtwind
Russische Flaggen in Ouagadougou bei einer Parade 2022Bild: Sophie Garcia/AP/picture alliance

Russische Kampfesstärke ist ein Thema, das auch in der Popkultur verbreitet wird: So ist der Held des russischen Actionfilms "Tourist" aus dem Jahr 2021 ein russischer Elitesoldat in der Zentralafrikanischen Republik. Und im von der "African Initiative" vorgestellten Videospiel "African Dawn" können Gamer wahlweise in die Rolle der Sahel-Armeen und ihrer russischen Helfer schlüpfen - oder in jene der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS, unterstützt von Frankreich und den USA.

Unterschwellige Botschaft: Russland ist der bessere Partner

Derartiges "Militainment" soll die Hauptbotschaft unterstützen, die mehr oder weniger subtil über sämtliche Informationskanäle verbreitet wird: Die Zeit des kolonialistischen Westens sei abgelaufen und mit Russland stehe ein besserer Partner bereit.

Anlässe für solche Posts gibt es regelmäßig: Als der französische Präsident Emmanuel Macron am 6. Januar beklagte, dass afrikanische Regierungen vergessen hätten, "Danke zu sagen", war die Empörung groß. Auch "African Initiative" griff die Äußerungen auf - und verknüpfte sie mit den Aussagen eines Sankt Petersburger Politikwissenschaftlers, der daraus einen "Bedarf für das Emporkommen alternativer Spieler" wie Russland ableitete, die afrikanische Länder respektvoller behandelten.

Mohamed Siad Barre in der Sowjetunion 1976
Freundschaftsbesuch 1976 in Moskau: der somalische Diktator Siad Barre pflegte enge Verbindungen zur Sowjetunion, bevor infolge eines Bürgerkrieges der US-Einfluss in dem Land stärker wurdeBild: IMAGO/ITAR-TASS

Dafür gibt es in der Geschichte des 20. Jahrhunderts durchaus Anknüpfungspunkte: "Man kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass Russland aufstrebende Regierungen in Afrika unterstützt hat", sagt CSIS-Forscherin Beverly Ochieng. Die Sowjetunion hatte Befreiungsbewegungen wie den südafrikanischen ANC und die angolanische MPLA sowie junge Regierungen, etwa in Äthiopien, Somalia oder der heutigen DR Kongo unterstützt.

"Doch es wird sentimental verklärt, dass Russland ein Freund geblieben sei, nachdem es von Anfang an an ihrer Seite war. Das sind keine glatten Lügen, aber die Geschichte wird überbetont, um Wut gegen Frankreich und den Westen zu verstärken", sagt Ochieng im Gespräch mit der DW.

In vielen afrikanischen Ländern scheint diese Saat allmählich aufzugehen.

Mitarbeit: Makan Fofana (Bamako)