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Gedenkort für jüdisches Sammlerpaar in Berlin

Julia Hitz
26. Januar 2022

Vor dem Zweiten Weltkrieg prägten Eduard und Johanna Arnhold Berlins Kulturlandschaft. Doch bislang kam das jüdische Sammlerehepaar im öffentlichen Raum kaum vor.

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Johanna und Eduard Arnhold 1925
Johanna und Eduard Arnhold 1925Bild: Stephanie von Becker/Archiv Peter von Becker

Das Ehepaar Arnhold war um die Jahrhundertwende in Berlin, was man heute als "Household-Name" bezeichnen würde: Menschen, deren Namen in den normalen Haushalten allgemein bekannt sind bzw. waren. Doch während andere jüdische Mäzene und Großunternehmer in anderen Städten heute noch präsent und gefeiert sind, drohen die Arnholds in Berlin vergessen zu werden. 

In Deutschland haben die Nationalsozialisten und ihre Nutznießer vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg versucht, jüdische Menschen auch aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen. Herausragende Sammler und Gönner wie James Simon haben auf der Berliner Museumsinsel durch viel Engagement inzwischen einen würdigen Platz gefunden. Ein neuer Verein will dem Sammlerehepaar Arnhold nun auch zu einem gebührenden Erinnern in der Hauptstadt verhelfen.

Jüdisches Leben im Tiergartenviertel

Das Berliner Tiergartenviertel war um die Jahrhundertwende ein bevorzugtes Viertel von  jüdischen Unternehmern, Publizisten, Künstlerinnen und Künstlern. Hier wohnten die Maler und Bildhauer Adolph von Menzel und Georg Kolbe, Schauspielerin Tilla Durieux, Unternehmer und Kunstmäzen James Simon, Emil und Walter Rathenau oder auch die Schriftstellerin und Feministin Hedwig Dohm.

 Potsdamer Platz in Berlin um die Jahrhundertwende, mit Pferdekutschen und Passanten
Tiergartenviertel um die Jahrhundertwende, hier der Potsdamer PlatzBild: Ullstein/dpa/picture alliance

Die Villa der Eheleute Arnhold stand an der Regentenstraße 19, ein viergeschossiges Haus mit mehreren Anbauten und über 1000 Quadratmeter Wohnfläche. In zwei Sälen mit Oberlicht waren die zentralen Bestandteile ihrer Sammlung mit Werken von Manet, Monet, Pissarro, Sisley, Böcklin und Liebermann ausgestellt. Sie machten die Sammlung auch öffentlich zugänglich, insbesondere für Kunststudierende.

Eduard Arnhold - ein Berliner Rothschild

Eduard Arnhold war einer der einflussreichsten Männer Deutschlands während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. "Berlins Rothschild oder Carnegie", vergleicht Peter von Becker das Sammlerehepaar mit der Bankiersdynastie Rothschild und dem Großindustriellen Andrew Carnegie. Der Urgroßneffe und Journalist hat 2019 im Hentrich&Hentrich-Verlag eine Biografie der Arnholds publiziert. In Dessau 1849 geboren stieg Eduard Arnhold in Berlin schon in jungen Jahren zum erfolgreichen Unternehmer auf. Den Kohlehandel "Caesar Wollheim", bei dem er seine Lehre machte, führte er ab 1884 als neuer Inhaber. Um 1900 ist das Unternehmen Berlins führender Energieversorger. Arnhold investiert auch in Gas und Reedereien, mit einer großen kommunikativen Begabung führt er die Geschäfte und Investitionen mit viel Geschick.

1912 ist Arnhold einer der drei reichsten Bürger Berlins, 1913 wird er als einziger Jude ins preußische Herrenhaus (zwischen 1854 und 1918 die Erste Kammer des Preußischen Landtages) berufen. Den angehäuften Reichtum investiert er - gemeinsam mit seiner Ehefrau Johanna - in soziale Projekte, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt (er fördert unter anderem die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft - heute Max-Planck-Gesellschaft - und das deutsche Technikmuseum in München) und in seine Kunstsammlung.

Schwarz-weiss-Fotografie eines Salon mit edlen Möbeln und Parkett mit Gemälden u.a. von Manet, Sisley und Monet in der Villa von dem jüdischen Sammlerehepaar Johanna und Eduard Arnhold.
Salon mit Gemälden u.a. von Manet, Sisley und Monet in der Villa der Arnholds in BerlinBild: Stephanie von Becker/Archiv Christoph H. Kunheim

Es sind vor allem impressionistische Maler, die es Arnhold angetan haben, Franzosen wie Manet, Monet oder Cézanne, er wird aber auch zum größten Sammler und Förderer des deutschen Impressionisten Max Liebermann. Die Sammlung baut er zwischen 1881 und 1922 auf, vornehmlich über Kunsthändler wie Paul Cassirer und Fritz Gurlitt. In Rom stiftet er 1913 die von ihm erbaute Villa Massimo mit der "Accademia tedesca" dem deutschen Kaiserreich bzw. später deutschen Staat. Sie gilt bis heute als renommierteste deutsche Künstlerresidenz im Ausland. Hier wirkten unter anderem Künstlerinnen und Künstler wie Arno Breker, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Dix und Anselm Kiefer oder Literatinnen und Literaten wie Hans Magnus Enzensberger, Heinrich Böll, Hertha Müller und Navid Kermani.

Erinnerungen, die möglich waren

Eduard Arnhold stirbt 1925 eines natürlichen Todes, lange vor der Machtergreifung der Nazis. Er wird in allen Ehren in Berlin bestattet, seine Frau Johanna folgt ihm 1929, das Familiengrab ist heute auf dem Alten Friedhof Wannsee zu besichtigen. In der Villa Massimo in Rom werden jedes Jahr zu Arnholds Geburtstag am 10. Juni Blumen auf die zentrale Gedenkstele mit seinem Profilportrait gelegt. Doch in Berlin, wo es bis 1933 gleich zwei Eduard-Arnhold-Straßen gab, erinnert kaum noch etwas an den wichtigen Mäzen und Unternehmer.

schwarz-weiss Fotografie von einer Gedenkstele mit dem Profil von Eduard Arnhold in der Villa Massimo in Rom
Gedenkstele mit Profil von Eduard Arnhold in der Villa Massimo in RomBild: Joachim Blüher

Testamentarisch hatten Eduard und Johanna Arnhold verfügt, dass die Kunstsammlung in der Regentenstraße mindestens zehn Jahre über ihren Tod hinaus unverändert öffentlich zugänglich sein sollte. Doch den Erben wurde die Villa an der Regentenstraße abgepresst, hier wollte Architekt Albert Speer Hitlers "Welthauptstadt Germania" entstehen lassen. 1939 wurde die Villa zerstört, so wie die gesamte Regentenstraße und fast das ganze alte Tiergartenviertel. Die Sammlung wurde unter den Erben aufgeteilt, durch Bedrängnis und Krieg wurde viel davon verkauft, zerstreut, auch nach 1945. Andere Teile verbrannten in Folge der Bombardements der Hauptstadt oder gingen bei den Sprengungen der einmarschierenden russischen Truppen verloren.

Erinnerungen, die verhindert wurden

"Der Name Eduard Arnhold wird unter den Förderern der Kunstmuseen Berlins mit in erster Linie stehen", schrieb Wilhelm von Bode 1928 im Gedenkbuch von Eduard Arnhold. Doch bis heute fehlt bei den Staatlichen Museen Berlins ein angemessenes Erinnern an den einstigen Unterstützer.

Zum Engagement der Arnholds gehörte nicht nur das Sammeln und Verbreiten von Kunstwerken, sie engagierten sich auch für soziale Belange. Insgesamt förderten sie etwa hundert soziale Vereine und Institutionen. Im brandenburgischen Werftpfuhl gründeten sie 1906 das Johannaheim, welches bedürftige junge Mädchen und Frauen auch heute noch unentgeltlich (aus-)bildet. Das Haus wurde nach dem Tod des Gründerpaares an den Staat verkauft und bis 1943 gegen Druck des NS-Regimes betrieben. Der Name aber, der an die jüdischen Stifter erinnert, wurde getilgt. 1994 bekommt das Haus den Namen "Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein", es bietet nun Platz für Klassenfahrten und Fortbildungsveranstaltungen. Ein Hinweis auf das Stifterpaar fehlt weiterhin.

Berliner Museumsinsel mit Bodemuseum und Pergamonmuseum mit Spree im Vordergrund und Fernsehturm im Hintergrund
Die Berliner Museumsinsel wäre ohne die jüdischne Sammlerinnen und Sammler nicht das, was sie heute istBild: picture alliance/dpa

Eduard Arnhold war einer der ersten maßgeblichen Sammler der französischen Impressionisten in Deutschland und Berlin. Er förderte und bezahlte bedeutende Ankäufe der Berliner Museen. Der von ihm mit gegründete Kaiser Friedrich Museumsverein wird Vorbild für zahlreiche Museumsfördervereine in ganz Europa. Die Hälfte der Mitglieder kamen aus jüdischen Familien, ihre Mitgliedschaft oder Namensnennung endete mit der Machtergreifung der Nazis 1933.

"Erstaunliche Leerstelle"

Während dem jüdischen Unternehmer und Mäzen James Simon, Kollege und Freund von Johanna und Eduard Arnold, seit 2019 mit der James-Simon-Galerie ein zentrales, von Stararchitekt David Chipperfield entworfenes Gebäude der Museumsinsel gewidmet ist, fehlt bisher jede Erinnerung an die Arnholds im Berliner Stadtbild. "Es ist schon eine ganz erstaunliche Leerstelle", sagt Peter von Becker, Arnhold-Biograf und Nachfahre des Mäzens, gegenüber DW.

der Platz vor der Berliner Gemäldegalerie
Der neue "Johanna und Eduard Arnhold Platz"? Die "Piazzetta" vor der Berliner Gemäldegalerie.Bild: Christian Behring/POP-EYE/imago images

In der Berliner Gemäldegalerie, deren Neubau in den 1990er-Jahren auf dem Gebiet entstand, auf dem auch die Arnholdsche Villa stand, ist bisher kein Erinnern an Eduard Arnhold zu finden. Für die Sichtbarkeit des Wirkens der Eheleute soll in naher Zukunft aber einiges geschehen. Der Platz vor der Gemäldegalerie soll umgestaltet und vor allem umbenannt werden.

Sichtbar machen

So will es die Arnhold-Initiative, die von Journalist Peter von Becker mit ins Leben gerufen wurde und die viele namhafte Unterstützer hat, darunter Dirigent und Pianist Daniel Barenboim oder die neue Direktorin des jüdischen Museums in Berlin, Hetty Berg. Die sogenannte "Piazzetta" vor der Gemäldegalerie, von "Zero"-Künstler Heinz Mack Mitte der 1980er-Jahre entworfen, soll in Johanna und Eduard Arnhold-Platz umbenannt werden und eine Neugestaltung erfahren. Dazu haben bereits namhafte Architekten wie Lars Krückeberg vom Architekturbüro Graft Vorschläge eingereicht.

Platz mit Einlassung von einem grünen Parkstück und einem Zeitstrahl
Entwurf des Architekten Lars Krückeberg für den PlatzBild: LARS KRÜCKENBERG/GRAFT ARCHITEKTEN

Die Initiative passt gut zu anderen, die das alte Tiergartenviertel wieder sichtbarer machen wollen, zu dem auch die Villa der Arnholds gehörte. Die Initiative wurde am 25.1.2022 in eine Vereinsform überführt. Vereinsziel ist, die Neugestaltung des Platzes bis spätestens 2025 umzusetzen, dem 100. Todesjahr von Eduard Arnhold. Dafür sollen öffentliche Mittel gewonnen werden. Mit der Namensänderung könnte es aber auch schneller gehen, die Berliner Behörden zeigen sich offen. Die fehlende Erinnerung sei schmerzhaft, konstatiert Peter von Becker im Schlusswort seiner Arnhold-Biografie. "Arnholds Beispiel könnte gerade heute wieder ein leuchtendes sein."