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Lidl & Aldi räumen ab

21. November 2017

Lidl ist eindeutiger Platzhirsch im Billig-Segment, Aldi holt auf. Die deutschen Discounter überzeugen die Spanier mit ihrem modernen Konzept. Wie reagieren die spanischen Ketten? Aus Madrid Stefanie Müller.

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Eine Filiale von Lidl in Madrid
Bild: DW

Mercadona ist eine der wenigen spanischen unternehmerischen Erfolgsgeschichten, die in Valencia geschrieben wurden und auch international Aufmerksamkeit erregt haben. Die Supermarktkette gelangte 2016 auf Platz 38 des Ranking der besten internationalen Einzelhändler, erstellt vom Verbraucher-Forschungsinstitut Kantar World Panel. Das inzwischen nach dem deutschen Discounter-Prinzip funktionierende, 1977 gegründete Familienunternehmen Mercadona kommt heute auf 1620 Supermärkte und macht einen Jahresumsatz von knapp 22 Milliarden Euro. Noch führt die spanische Kette mit einem Marktanteil von 24 Prozent im spanischen Lebensmittelhandel, aber vor allem Lidl setzt Mercadona durch Niedrigstpreise und immer bessere Qualität zu. Auch ein Grund, warum die spanische Kette bei dem Kanter-Ranking 2017 nur noch auf Platz 49 anzutreffen ist.

Die Deutschen haben erst in den klassischen Touristen-Gebieten auf Mallorca, in Andalusien oder an der Costa Brava begonnen, aber auch in Madrid gibt es inzwischen kaum ein Viertel, wo es keinen Aldi oder Lidl gibt. Und in Spaniens reichster Stadt, in Pozuelo, hat gerade ein luxuriöser Aldi aufgemacht, der auch den "pijos", den Reichen, gefällt. Alles ist sauber, mit grossen Buchstaben nach Kategorien geordnet und das Personal zeichnet sich nicht mehr nur durch Schnelligkeit, sondern auch durch Freundlichkeit aus.

Spanien Obst und Gemüse-Angebot bei Lidl
Großes Obst- und Gemüse-Angebot bei LidlBild: Lidl

Lidl greift den spanischen Riesen an

Früher waren es nur die deutschen Touristen, die Lidl & Aldi auf ihren spanischen Reisen betraten und einige Spanier, die sich dorthin verirrten. Jetzt sieht man die deutschen Discounter-Läden jedoch auch in noblen Städten wie Pozuelo, wo viele Politiker zuhause sind. Lidl hat sich seit seinem Markteintritt 1994 als billigster Discounter in Spanien etabliert: "Und den Platz geben wir auch nicht aus der Hand", heißt es aus dem Unternehmen. Das gelingt vor allem duch ein ausgetüffeltes Vertriebs- und Einkaufsmanagement. Der gelb-blaue Riese aus Neckarsulm verbindet den wichtigen Absatzmarkt Spanien mit dem Einkauf von spanischem Obst und Gemüse und anderen Produkten für den Rest der Länder. Lidl kauft bereits über 3200 verschiedene Artikel in Spanien zu besten Preisen ein, die dann wiederum in den 10.000 Geschäften weltweit ins Sortiment gelangen, darunter zum Beispiel Olivenöl oder Wein.

Laut Forschungsinstitut Kantar World Panel gehören Lidl und Aldi zu den Lebensmittel-Ketten, die derzeit in Spanien am meisten Kunden hinzugewinnen können. Das habe in ihrem Fall auch mit der verstärkten Werbung in Spanien zu tun, gesteht Lidl ein. Dort werben die Deutschen schon seit langem im Fernsehen und sponsern auch Events. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen 12.500 Menschen und setzt 3,3 Milliarden Euro im Jahr in Spanien umsetzt. Aldi Nord kam erst im Jahr 2000 nach Spanien und hat noch einiges aufzuholen, so richtig durchgestartet ist das Unternehmen erst vor rund fünf Jahren. "Ich kannte Aldi von Deutschland nur als Ramschladen, aber hier ist der Discounter wirklicher Luxus. Die Waren sind gut und unschlagbar billig", sagt Bärbel Neubauer, die seit mehr als 20 Jahren in Madrid lebt. Die Werbung von Aldi Nord ist wesentlich dezenter als bei Lidl, der Umsatz ist noch wesentlich geringer, bisher kommt der Discounter gerade mal auf knapp 250 Läden in Spanien. Das Unternehmen aus Mühlheim hat von Anfang an auf mehr Frischwaren gesetzt und hat deswegen auch spanische Kunden gewonnen, die normalerweise ihr Gemüse auf dem Wochenmarkt kaufen.

Verkaufsverhalten der Spanier hat sich verändert: Billiger ist jetzt besser

"Es gibt einen klaren Wandel im Kaufverhalten bei den Spaniern", sagt Florencio García, Einzelhandels-Experte bei Kantar. Die Krise habe sie kritischer werden lassen. Bis in die 90er Jahre wuchs Mercadona in einem normalen Rhythmus. Es gab kaum Berrühungspunkte mit den deutschen Discountern. Aber mit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 änderte sich alles. Die Marken liebenden Spanier schauten plötzlich auf den Preis und so musste auch Mercadona billiger werden, um mit Lidl mithalten zu können.

Aldi Bio-Boom
Fleisch gibt es nur "frisch" verpacktBild: DW/S. Müller

Das hat der spanische Einzelhändler geschafft, indem er die Zahl der Zwischenlieferanten von 200 im Jahr 2013 auf heute 600 hochzufahren. So konnte der Preis gedrückt werden. Das hat auch die Einkaufsabteilung verändert. Heute arbeiten dort vier Direktoren und 900 Angestellte, vor vier Jahren waren es gerade mal 50. Gegenüber den deutschen Discountern haben die Spanier aber auch klare Vorteile: Sie bieten in Spanien schon einen Online-Service an, wenn auch sehr rudimentär und mit teilweise zwei Tagen Lieferzeit. Ausserdem schlägt Mercadona die Deutschen noch bei der persönlichen Bedienung beim Fisch- und Fleischstand, dort bieten sie inzwischen sogar frisch geschnittenen Serrano und Sushi an.

Lidl und Aldi trumpfen bei den "pijos" mit Frische und Bio

Eine eigene Abteilung für Fisch und Fleisch haben die Deutschen nicht, der Kunde bekommt es nur verpackt. Dafür gibt es bei Aldi aber Bio-Ware en masse und auch Bio-Fleisch. Miguel Paradela, Einkaufschef bei Lidl España setzt auch weiter auf Frische: "Damit bindet man in Spanien den Kunden."  Tatsächlich hat Lidl 2016 seinen Umsatz in diesem Bereich um 17 Prozent gesteigert.

Und so haben sich auch die Reichen in Spanien inzwischen mit Aldi und Lidl angefreundet. Und die deutschen Discounter haben sich dem anspruchsvollen Kaufverhalten der Spanier angepasst und bieten neben den Lebensmitteln noch ein buntes Allerlei, was die Kunden erfreit: "Beim Heimwerkzeug ist Lidl unschlagbar", sagt der spanische Ingenieur Fernando Rodríguez, inzwischen großer Fan des deutschen Discounter. Der 68jährige lebt auch im Nobel-Wohnort Pozuelo. Seine Frau hingegen gehört immer noch zu den klassischen Spanierinnen, die bei Carrefour einkaufen, "weil man da einfach alles findet, alle Marken, die man haben will". Die gelernte Krankenschwester schaut nicht so auf die Preise. Aldi mag sie gar nicht. Aber Hausfrauen wie sie sterben in Spanien langsam aus. Auch weil die neuen Generationen sich diesen Konsum bei einer Arbeitslosigkeit von 18 Prozent nicht leisten können.