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Wie korrupt sind die Deutschen?

11. Dezember 2011

Die Folgen von Korruption für die Entwicklung armer Länder sind immens, beklagt auch Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel. Doch wie groß ist der Schaden, der durch Korruption in Deutschland entsteht?

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Ein 500-Euro-Schein wechselt den Besitzer Symbolbild Korruption Foto dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Ob Lustreisen für Betriebsräte oder ein üppiges Paket edler Weine für Ärzte, Korruption hat viele Seiten in Deutschland. In Köln hatte ein Polier Stahlteile an einen Schrotthändler verkauft, die für den U-Bahn-Bau vorgesehen waren. Nur ein Teil der vorgesehenen Stützen wurde eingesetzt, was möglicherweise zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 beigetragen hat. Bei dem Unglück kamen zwei Menschen ums Leben.

Korruption richtet jedes Jahr einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden an. "Genaue Zahlen gibt es nicht", sagt der Kriminalkommissar und Fachmann für Korruption und Wirtschaftskriminalität Uwe Dolata, aber "nach Schätzungen geht man im Gesundheitsbereich von einem jährlichen Schaden von 20 Milliarden Euro aus, im Baubereich liegt er bei 50 Milliarden". Peter von Blomberg hält die Zahl für den Baubereich für deutlich zu hoch geschätzt. Von Blomberg ist Korruptionsexperte bei Transparency International, einer Einrichtung, die sich um mehr Transparenz und Verantwortung in der Gesellschaft kümmert. Insgesamt gebe es zwar noch immer viel zu viel Korruption, ein Fortschritt sei aber deutlich, betont er.

Betrug fällt heute mehr auf

Ein Arzt hält ein Stethoskop sowie etliche 100-Euro-Scheine in der Hand. Gestellte Aufnahme Foto: dpa
Korruption im Gesundheitswesen ist weit verbreitetBild: DPA

Grund dafür sei eine verstärkte Aufmerksamkeit der Behörden und das Schließen von rechtlichen Schlupflöchern. So gebe es inzwischen keine steuerliche Privilegierung mehr von Firmen. Bis 1999 konnten Unternehmen, die im Ausland Schmiergeld als "Provision" zahlen in Deutschland als "nützliche Aufwendung" von der Steuer absetzen. Das sei passé. Außerdem würden sich Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften vor allem um Wirtschaftskriminalität kümmern und, so von Blomberg, inzwischen seien Wirtschaftsprüfer gehalten, beim Verdacht auf Korruption, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Kriminalkommissar Uwe Dolata ist da weniger optimistisch. Doch auch er räumt ein, dass Korruption heute mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Die Erfolge lägen jedoch vor allem daran, dass viele Firmen eigene Abteilungen eingerichtet hätten, die sich um Korruption im Betrieb kümmerten. Dadurch würden heute mehr denn je korrupte Geschäfte ans Licht kommen. Insgesamt aber immer noch zu wenig.

Nur drei bis fünf Prozent aller Betrugsfälle, so Dolata, würden überhaupt auffällig und bearbeitet: "Korruption gibt es überall. Wo nichts gefunden wurde, hat man noch nicht gesucht!" Schwierig bei der Erfassung der Schäden, die durch Korruption entstehen, ist, was man dazu zählen soll. Beim Arzt, der sich für die Verwendung spezieller Medikamente mit einer Woche Golfurlaub honorieren lässt, ist die Sache noch einigermaßen klar. Das teurere Medikamtent verursacht Kosten, die alle Bürger durch ihren Kassenbeitrag zahlen müssen. Aber wie ist das beim dubiosen Bauauftrag? Da gibt es das Schmiergeld, den möglicherweise zu hohen Preis für den Bau und im Extremfall den Schaden durch das beschädigte oder zerstörte Gebäude, weil die Vorschriften nicht ordnungsgemäß beachtet wurden.

Korruption gilt oft als Kavaliersdelikt

Buchcover "Unfair Play", Korruption im Sport enthüllt Autor Jürgen Roth, (Foto: DW / Cristian Ştefănescu
Korruption im Sport enthüllt Autor Jürgen RothBild: DW / Cristian Ştefănescu

Die Gründe für den weitverbreiteten Betrug sind neben der reinen Bereicherungssucht eine häufig anzutreffende Bagatellisierung der Delikte und eine strukturelle Unaufmerksamkeit. Nach Meinung von Uwe Dolata werde es zwar kritisiert, wenn Bestechungsskandale bekannt würden. Doch die Korruption an sich gelte bei vielen Bürgern als Kavaliersdelikt nach dem Motto: ich betrüge ja auch ein wenig bei der Steuer, die da oben haben eben nur die besseren Mittel dazu. Das führe zu weniger Aufmerksamkeit gegenüber den Betrügern, weniger Druck auf die Politik und somit zu weniger Verfolgung der Täter durch die Behörden: "Die kriminologische Forschung widmet sich zuwenig der Korruption."

Der Korruption keine Chance geben

Die Bielefelder Kriminologin und Buchautorin Britta Bannenberg weist daraufhin, dass Gelegenheit Diebe macht: " Eine Macht ohne Kontrolle endet immer im Missbrauch". Wie das zu ändern ist, zeigen inzwischen viele Firmen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Bereits im Jahr 2002 hatte er einen umfassendes Programm zur Korruptionsbekämpfung vereinbart. Dazu gehören unter anderem, dass Stellen, die für die Vergabe öffentlicher Aufträge verantwortlich sind, regelmäßig neu besetzt werden. Außerdem sollten Entscheidungen durch das Mehr-Augen-Prinzip deutlicher überwacht werden. Wieviel allerdings von diesen guten Vornahmen umgesetzt wird, bleibt fraglich. Fakt ist, der Korruptionvirus grassiert weiter, ob in der Politik, in der Baubranche oder im Sport.

Es geht auch anders

Anti-Korruptions-Tag Resist-Programm Quelle: transparency international Nutzungserlaubnis: gern können Sie das Cover der "RESIST"-Broschüre einmalig im Zusammenhang mit der Veröffentlichung Ihres Artikels über die RESIST-Broschüre verwenden. - Transparency International Deutschland e. V.
Ohne Korruption erfolgreichBild: transparency international

Peter von Blomberg hält es für wichtig, Alternativen zur Korruption aufzuzeigen.Transparency International hat dazu am diesjährigen Anti-Korruptions-Tag eine praktische Anleitung herausgegeben, "Resist - Ein Instrument für Schulung und Training in Unternehmen". Eine Studie der Beratungsfirma Price Waterhouse Coopers hatte klar ergeben, dass man sogar in Staaten, die als besonders korrupt gelten, ohne Bestechung sehr erfolgreich sein kann. Die Vorstellung, dass man viel Geld nur mit Korruption verdienen kann, sei falsch. Eine Erfahrung, die sicher nicht nur für Unternehmen gilt, die im Ausland investieren.

Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Nils Naumann