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Wie hat der 11.9. 2011 Ihr Leben und Ihr Denken verändert? (2. Teil)

30. August 2011

Die DW-User haben uns auch weiterhin Ihre Gedanken, Erlebnisse und Eindrücke geschrieben. Vielen Dank dafür! Hier eine neue Auswahl:

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Wie die DW-User den 11. September erlebten

Wir schauten gebannt auf die Live-Übertragung im Fernsehen. Ich bin Bauarbeiter und erklärte allen, dass Wolkenkratzer niemals einstürzen, weil sie alle um ein tragendes Gerüst im Inneren aus Stahlprofilen konstruiert sind. Daher kann alles brennen, aber die Decken, die Stahlkonstruktion bleiben unversehrt. Nach dem Essen schaute ich wieder Fernsehen und sah: Der Turm stürzt ein! Und dann der zweite! Ich war zutiefst erstaunt. Ich verstand, dass im Leben alles möglich ist. Sogar eine solch schreckliche Tragödie wie der 11. September! (Viktor Schum, Russland)


An diesem Tag erwachte ich später als sonst. Im Radio hörte ich von einem angeblichen Unfall in einem der beiden Türme. Anders als sonst schaltete ich den Fernseher ein und zappte durch die Sender: CNN, DW, FOX, ANTENA3 … In dem Moment, als ich den fassungslosen Moderator auf CNN sah, flog das zweite Flugzeug in den anderen Turm.

Dieses Bild hat uns William Phelan zugesendet. Es zeigt Manhattan kurz nach dem Anschlag. Die Staubwolke hängt noch über der Unglücksstelle. (Foto: DW/William Phelan)
Dieses Bild hat uns DW-User William Phelan zugesendet. Es zeigt Manhattan kurz nach dem Anschlag. Die Staubwolke hängt noch über der Unglücksstelle.Bild: DW

Als Zeugin Jehovas dachte ich an meine Glaubensbrüder in einer unserer Zweigstellen auf der anderen Seite der Brücke in Brooklyn. Wie mochte es ihnen ergangen sein? Einige Zeit später erfuhr ich, dass einige von ihnen in den Türmen ums Leben gekommen waren. Manche von ihnen waren Feuerwehrleute und vor Ort, um zu helfen. (Arturo Flores)

Reaktionen aus …

… China

Es ist schon so lange her, dass viele Erinnerungen von damals etwas verschwommen sind. Ich weiß noch, dass viele Chinesen nach dem Anschlag Schadenfreude gezeigt haben. Ich schäme mich sehr dafür.

Heute empfinde ich große Sympathie für Europäer und Amerikaner. Das ist nicht immer selbstverständlich für einen Chinesen. Die meisten Chinesen haben sich daran gewöhnt bzw. sich eingebildet, dass sie das Zentrum der Welt seien. Aber diese Welt war schon immer von Multipolarität geprägt. Das wird auch immer so bleiben.

Ich bete für die Opfer des Anschlages. Ich bete auch für das Volk der arabischen Welt. Ich wünsche mir Gerechtigkeit und Weltfrieden. (anonym)

Da China und die USA sich gegenseitig als Rivalen betrachten und das Verhältnis nicht immer ohne Spannungen ist, habe ich von vielen Chinesen gehört, dass sie den Anschlag 9/11 für gerecht hielten. Die USA hätten das verdient. Aber als ich im Fernsehen sah, wie sehr die unschuldigen Menschen leiden mussten, dachte ich, dass es schlichtweg eine ungeheuer brutale Terrortat war. Bin Laden und seine Leute sind zu weit gegangen. Ich bete heute noch für die unschuldigen Opfer, dass sie in Frieden ruhen können.

Dieses Bild hat uns William Phelan zugesendet. Es zeigt Ground Zero. (Foto: DW/William Phelan)
Auch dieses Bild stammt von William Phelan. Es zeigt Ground Zero.Bild: DW

Die direkten Folgen des 11/9 sind die Kriege in Afghanistan und im Irak. Die USA und ihre Verbündeten haben es aber nicht geschafft, die radikalen Kräfte zu zerstören. Präsident Obama hat sich gleich zu Anfang seiner Amtszeit muslimfreundlich präsentiert. Diese Politik hat bisher keine großen Erfolge verbuchen können. Ich denke, wenn es um ideologische Verschiedenheiten geht, hilft nur eines: Respekt voreinander. Frieden und Nächstenliebe sind auch im Koran groß geschrieben. Ich wünsche mir, dass die westlichen Länder den Islam verstehen und mit der muslimischen Welt Dialog führen. Nur so kann in der Welt Frieden herrschen. (Wu Lexia)

Ich war schon immer davon überzeugt, dass religiöser Fanatismus eine der wichtigsten Ursachen für alle Konflikte der Welt ist. (Zhang Siyuan)

Durch 9/11 habe ich das wahre Gesicht des radikalen Islamismus erkannt. Ich verurteile Terrorismus, Radikalismus und Extremismus. Ich appelliere an alle Menschen mit Gerechtigkeitssinn, sich gegen die radikalen Islamisten zur Wehr zu setzen. Ich unterstütze die Politik der US-Regierung. (Zheng Bin)

… Indonesien

Geboren und aufgewachsen in einem vornehmlich muslimischen Land wie Indonesien habe ich vor 2001 Terrorismus nie als eine reale Gefahr begriffen. Doch der 11. September hat alles geändert. Die Welt ist vereint im Kampf gegen den Terror. Indonesien ist keine Ausnahme. Leider ereignete sich in Indonesien genau ein Jahr und ein Tag nach dem 11. September 2001, nämlich am 12.Oktober 2002, einer der schlimmsten Terroranschläge in der Geschichte des Landes.

Die furchtbare Tragödie von 2001 betraf mich neun Jahre später ganz persönlich. 2010 verlor ich eine mir nahestehende Person, einen Soldaten, der in Afghanistan gegen die Terroristen kämpfte. Ich wünsche mir, dass die Welt nach dem Tod von Osama bin Laden ein besserer und sicherer Ort wird. Doch es scheint, als wäre das nur eine Hoffnung. (Elfira Titahena)

Anmerkung der Redaktion: Bei dem Anschlag am 12.10.2002 auf zwei Bars in Bali wurden 202 Menschen getötet, vornehmlich Touristen, insbesondere aus Australien.

… Brasilien

Die Anschläge haben die Herzen der Menschen auf der ganzen Welt tief bewegt. Man muss sich bewusst machen, dass in der Vergangenheit wesentlich schlimmere Dinge geschehen sind, die von den Medien kaum aufgegriffen wurden. Es gehört zum Menschsein dazu, die Ereignisse zu verdrängen, die Tränen beiseite zu wischen und weiter zu leben. Doch die Bilder dieses Ereignisses haben sich tief in mein Gedächtnis eingegraben. Ich wünsche uns allen Frieden! (Luiz Carlos Maia Dantas, Brasilien)

Damals war ich ein erst 11 Jahre altes Mädchen, das gerne Zeichentrickfilme schaute. An diesem Morgen war ich gerade dabei, meine Schultasche zu packen, als die Nachricht im Fernsehen lief. Bis zu diesem Moment wusste ich gar nichts über Terrorismus oder Politik. Was mich am meisten bewegte, waren die Menschen, die von den Türmen sprangen, um ihr Leben zu retten. Was brachte diese Leute dazu? Wäre es schlimmer, durch das Feuer zu sterben als durch den Sprung in die Tiefe?

Ich bekam Herzklopfen und fühlte mich noch nie so traurig wie zuvor in meinem jungen Leben. So war ich, bis zum 11.9. Doch nachdem ich diese Bilder gesehen hatte, hat sich in mir einiges geändert. Ich habe gemerkt, dass das Leben viel mehr zu bieten hat, als Stunden vor dem Fernseher zu sitzen und sich zu langweilen. Das Leben ist wertvoll. So sehe ich nun das Leben mit anderen Augen. (Gisele Gomes, Brasilien)

… der muslimischen Welt

Der 11.9.2001 ist ein trauriger Tag für mich. Der Tag hat mein Leben als stolzer Muslim total verändert. An diesem Tag hat eine Minderheit, die sich als Muslime bezeichnet, bewirkt, dass der Islam mit Terrorismus gleichgesetzt wird.

Hatam Almansury (Foto: DW/Hatam Almansury)
Hatam AlmansuryBild: Hatam Almansury

Die Muslime befinden sich Weltweit in einer schwierigen Situation. Sie werden diskriminiert, teilweise sogar angegriffen. Eine Minderheit ist verantwortlich dafür, dass die Muslime weltweit unter dieser Diskriminierung leiden. (Kabiru A. Diso)


Nach den Anschlägen vom 11. September ist mir klar geworden, dass Terrorismus und unmenschliche Taten überall geschehen können. (Hatam Almansury)

Ein Augenzeuge berichtet

Ich war vor Ort in Manhattan während des Angriffes. Ich hatte einen Job auf dem Parkett der New Yorker Börse, die nur ein paar Häuserblocks weg vom World Trade Center ist. Ich sah den Rauch, der aus den Türmen nach den Zusammenstößen kam. Die Asche fiel überall wie Schneeflocken.

Auch dieses Bild stammt von William Phelan. Wo einst die Zwillingstürme standen, ist nur noch Rauch und Leere. (Foto: DW/William Phelan)
Noch ein Bild von William Phelan. Wo einst die Zwillingstürme standen, ist nur noch Rauch und Leere.Bild: DW

Den Einsturz der Türme erlebte ich in der Börse. Wir sahen alles im Fernsehen und zur selben Zeit konnten wir selbst spüren, wie die Türme zusammenbrachen. Die Börse ist so stark wie ein Luftschutzbunker gebaut, aber der Fussboden erzitterte, als die Türme einstürzten. Aus dem Fenster konnte man nichts sehen, weil die ganze Umgebung von Rauch bedeckt war.

Ungefähr eine Stunde nach dem Einsturz des zweiten Turmes teilte die Börse uns mit, dass wir das Gebäude verlassen könnten. Die Szene außerhalb ist unvergesslich: Rauch, Asche wie Schnee auf den Strassen, Menschenmassen, die alle in dieselbe Richtung strömten, nach Osten - weg vom World Trade Center.

Es gibt einen Parkplatz neben einem Bahnhof in New Jersey, auf dem ich manchmal mein Auto parke. Ein paar Wochen nach dem 11. September sah man immer dieselben Autos auf dem Parkplatz, die dort standen, als wären sie vergessen worden. Es waren aber die Autos, die die Opfer am 11. September auf dem Parkplatz abgestellt hatten. Die Leute sind zur Arbeit gefahren und kamen nie zurück nach Hause.

Seit 9/11 meide ich Menschenmassen, wenn es geht. Ich arbeite noch in der Stadt. Das Unglück hat mir gezeigt, dass das Leben kurz ist. Wir haben keine Ahnung, wann wir sterben werden.

Ian Campbell ist der Techniker im Vordergrund bei einer Protestaktion vor dem US-Konsulat in Halifax, Kanada (2004). (Foto: DW/Ian Campbell)
Ian Campbell ist der Techniker im Vordergrund bei einer Protestaktion vor dem US-Konsulat in Halifax, Kanada (2004).Bild: Hatam Almansury

In der Geschichte der Stadt New York ist der 11. September eine große Zäsur. Das World Trade Center mit den zwei großen Türmen ist weg, natürlich. Auch das Leben in der Stadt hat sich verändert. Jetzt sehen wir Polizisten und Soldaten mit Sturmgewehren. Für die Amerikaner ist das ganz ungewöhnlich. Manchmal halten uns auch Polizisten in der U-Bahn an und wollen sehen, was wir im Koffer haben. Vor dem 11. September war das ungesetzlich. Es ist ganz klar, dass wir in einer neuen Ära leben. (William Phelan, USA)

Die Supermacht USA in der Kritik

Wie die meisten Menschen war ich schockiert über diesen grausamen Akt gegen unschuldige Büroangestellte. Doch meine Bestürzung nahm bald eine andere Richtung, als ich sah, wie US-Amerikaner im Irak sadistische und abscheuliche Akte der Rache verübten, während die politischen Anführer die öffentliche Stimmung für ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke manipulierten. In den vorangegangenen Jahren war ich nicht sehr politisch, doch inzwischen nehme ich jede Gelegenheit wahr, gegen den Krieg zu argumentieren und zu protestieren. (Ian Campbell)

Abubakar Babayo Mohammad Walin Gamadadi (Foto: DW/Abubakar Babayo Mohammad Walin Gamadadi)
Abubakar Babayo Mohammad Walin GamadadiBild: Abubakar Babayo Mohammad Walin Gamadadi

Die Welt heute: 10 Jahre danach


Frieden ist wahrhaft ein Gewinn für uns alle. Die Geschehnisse des 11. September 2001 und die daraus resultierenden Maßnahmen im Kampf gegen Terror lehren uns, dass Gewalt nichts bewirken kann. Wir brauchen Vertrauen, Versöhnung und gegenseitigen Respekt! (Abubakar Babayo Mohammad Walin Gamadadi)

Es gibt wirklich nichts Schlimmeres auf unserer Mutter Erde als der Mensch in seinem Wahn. Eigentlich hat sich bei mir nichts verändert, weil einem ja nichts übrig bleibt, als zu hoffen, dass die Menschheit wieder Frieden findet und dass sie 9/11 überlebt, wie den 30 jährigen Krieg. Auch damals hat es eine Weile gedauert, bis der Geist der Weisheit gesiegt hat. (Herbert aus Finnland)

Anmerkung der Redaktion: Der 30-jährige Krieg dauerte von 1618 bis 1648. Vordergründig begann er als religiöser und innenpolitischer Konflikt im habsburgischen Kaiserreich. Doch dann entspann sich ein Krieg, in den alle damaligen kontinentaleuropäischen Großmächte verwickelt waren und der viele Millionen Todesopfer forderte.

Camilo Goncalves (Foto: DW/Camilo Goncalves)
Camilo GoncalvesBild: Camilo Goncalves

Ich bete zu Gott, dass so etwas nie wieder in der Welt passiert. (Ahmad Mtonyi)

Ich fühle tiefes Mitgefühl und bin der Meinung: Lasst uns den Terrorismus so schnell wie möglich bekämpfen. Lasst uns bitte alle sinnlosen Kriege beenden, die wegen der grenzenlosen Gier der Menschen geführt werden. Bitte stoppt den Krieg! (Camilo Gonçalves)

Zusammenstellung: Birgit Görtz

Redaktion: Bernd Riegert