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Wie gefährlich ist der Super-Mais?

Martin Koch16. August 2013

Es klingt wie ein Wunder der Natur: Eine Maissorte, die sich selbst vor Insekten schützt und unempfindlich gegen Pestizide ist. Doch nicht die Natur, sondern die Wissenschaft hat "SmartStax" erschaffen.

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Maiskolben (Foto: AP Photo/Sven Kaestner)
Bild: picture-alliance/AP

Wenn es nach der Europäischen Kommission geht, darf die Firma Monsanto ihren Super-Mais "SmartStax" schon bald in die EU einführen. Eine entsprechende Entscheidung werde spätestens im Oktober getroffen, sagte ein Sprecher von EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg dem Internetportal "ZEIT online". Es gehe dabei um die Zulassung für den menschlichen und den tierischen Konsum, nicht aber um eine Anbaugenehmigung für Bauern.
Das Besondere an "SmartStax": Der Super-Mais kombiniert zwei bereits gentechnisch veränderte Maissorten. Er bildet eigenständig Gifte gegen mehrere Insektenarten wie beispielsweise den Maiszünsler und ist zugleich resistent gegen zwei Unkrautbekämpfungsmittel. Wunderwerk der Wissenschaft oder tödliches Teufelszeug? Die Meinungen darüber gehen weit auseinander.

Kritiker fordern mehr Tests

Insgesamt sechs verschiedene Bestandteile werden in "SmartStax" kombiniert. Nach Ansicht von Umweltverbänden sind sowohl das Endprodukt als auch schon seine einzelnen Komponenten zu wenig auf ihre Umweltverträglichkeit und mögliche Nebenwirkungen getestet worden. Dass die Ausgangspflanzen einem 90-tägigen Fütterungstest unterzogen werden, ist für Martha Mertens vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu wenig: "Damit kann man allemal nur akute toxische Wirkungen beobachten, aber nichts, was längerfristig wirkt."
In dem Zusammenhang erinnert sie an einen umstrittenen Langzeitversuch des französischen Forschers Gilles-Éric Seralini. Der Molekularbiologe wollte in einer umstrittenen Studie herausgefunden haben, dass Ratten, die zwei Jahre lang genveränderten Mais zu fressen bekamen, gesundheitliche Schäden davontrügen.

Es sei zwar richtig, dass langfristige Auswirkungen nicht in einem Kurzzeitversuch überprüft werden könnten, sagt dazu Professor Christoph Tebbe vom Thünen-Institut für Biodiversität. "Doch die Versuche von Herrn Seralini sind weitgehend wertlos, weil sie nicht auf standardisierten Verfahren beruhen und weil zum Beispiel die verwendeten Ratten dafür keine geeigneten Versuchstiere waren." Zulassungen, wie sie für die EU ausgesprochen werden, seien zeitlich befristet und mit einer Auflage zum sogenannten Post-Market-Monitoring ausgesprochen. Dabei würden mögliche unbeabsichtigte Wirkungen erfasst, wenn die Produkte schon genutzt werden, so der Mikrobiologe, der auch im Ausschuss für gentechnisch veränderte Organismen der EU-Lebensmittelbehörde EFSA mitarbeitet.

Prof. Christoph Tebbe vom Thünen-Institut in Braunschweig (Foto: Thünen Institut, zugeliefert von Martin Koch/DW)
Christoph Tebbe: Keine Hinweise auf GesundheitsrisikoBild: Thünen Institut

Experten sehen keine Gefahr

Bislang haben weder die für die Zulassung in Europa notwendigen Untersuchungen durch Monsanto noch Analysen durch wissenschaftlich unabhängige Forschungsinstitute Hinweise auf mögliche Gesundheitsgefahren erbracht. Ebenso sei es eine Tatsache, dass die Einzelbestandteile von "SmartStax" schon in vielen Ländern verfüttert würden und es bislang keinerlei Hinweise darauf gebe, dass sie gesundheitsschädlich sein könnten, sagte Tebbe im Gespräch mit der DW.
Eine mögliche Gefahr bei gentechnisch veränderten Pflanzen wie "SmartStax" ist die sogenannte Auskreuzung mit einheimischen Pflanzen, die dann zu einer unbeabsichtigten Verwilderung der veränderten Gene führen könnte. Für Deutschland gibt Christoph Tebbe im aktuellen Fall aber Entwarnung: "Da ist das Risiko beim Mais gleich Null, weil er hier keine Auskreuzungspartner hat." Um eine Auskreuzung mit nicht gentechnisch veränderten Maissorten zu vermeiden, reiche es schon, genügend Abstand zwischen Feldern mit und ohne Gentechnik zu halten.

Der neue Super-Mais der Firma Monsanto attackiert die Schadinsekten durch spezielle Proteine, die natürlich bei Bakterien mit dem Namen Bacillus thuringiensis vorkommen. Für den Menschen besteht nach Ansicht des Experten kein Risiko, versehentlich zum "SmartStax"-Opfer zu werden: "Diese Proteine brauchen Andockstellen im Darm-Epithel und die haben nur bestimmte Insekten, nicht aber der Mensch oder Tiere, die den Mais als Futter erhalten. Außerdem werden die Proteine bereits im Magen des Menschen weitgehend abgebaut."

Im Umgang mit den insektenschädigenden Proteinen gibt es in Deutschland übrigens schon Erfahrung: Sie sind Bestandteil eines der wenigen Mittel zur Insektenbekämpfung, die auch in der ökologischen Landwirtschaft zugelassen sind.

Harald Ebner Agro-politischer Sprecher der Grünen im Bundestag Foto: Stefan Kaminski (Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Harald Ebner: Gentechnikfreie Landwirtschaft verursacht hohe KostenBild: Stefan Kaminski

Gesellschaftliche Auswirkungen

Selbst wenn sich der Super-Mais als gesundheitlich unbedenklich herausstellen sollte, blieben doch eine Reihe offener Fragen, die der Anbau einer solchen hochspezialisierten und künstlich aufgewerteten Pflanze hervorriefe, sagt Harald Ebner, Bundestagsabgeordneter der Grünen und deren Sprecher für Agro-Gentechnik: "Wenn wir einer gentechnikfreien Landwirtschaft ein Existenzrecht zusprechen, dann steigen die Kosten für diese gentechnikfreie Landwirtschaft exorbitant an, je mehr Anbau von Gentechnik wir haben." Und ob die Gesellschaft dieses sozio-ökonomische Problem lösen kann oder will, das müsse sich erst noch zeigen.

Ganz andere Ziele?

In großen Agrar-Regionen wie Nord- und Südamerika, Indien und Australien wird gentechnisch verändertes Getreide schon lange in großem Stil angebaut. Anders in Europa: Zwar dürfen 50 sogenannte GVO (genveränderte Organismen) importiert werden, doch nur zwei werden hier angebaut. Besonders aus Frankreich und Deutschland hat der Agrarriese Monsanto massiven Widerstand gegen seine genmanipulierten Pflanzen gespürt.

Als Monsanto Ende Mai ankündigte, in Europa auf den GVO-Anbau komplett zu verzichten, wirkte es zunächst wie eine Niederlage. Doch dass der Konzern trotzdem den Antrag auf die Erlaubnis zur "SmartStax"-Einfuhr aufrecht erhalten habe, passe zu der Strategie des Unternehmens, glaubt der Grünen-Politiker Ebner: "Deutschland ist ein Schlüsselmarkt für Monsanto, auch wenn er weltweit betrachtet erstmal klein zu sein scheint. Deshalb sind sie erstmal mit der offiziellen Botschaft rausgegangen 'Wir ziehen uns zurück', um aus den Negativschlagzeilen rauszukommen und um ein bisschen Ruhe an der Verhandlungsfront für das Freihandelsabkommen USA-EU zu haben."

Sollte die EU-Kommission dem "SmartStax"-Import wie angekündigt zustimmen, gilt diese Erlaubnis für alle Mitgliedsstaaten. Individuell verbieten dürfen Länder nur den Anbau von Pflanzen, wenn sie dadurch die nationale Sicherheit gefährdet sehen. Aber das ist bei "SmartStax" von seiten des Herstellers Monsanto ja gar nicht vorgesehen, so dass der Super-Mais ab Ende des Jahres in der EU vertrieben werden dürfte.