Wie ein Fels in der Brandung | Alltagsdeutsch – Podcast | DW | 30.10.2007
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Alltagsdeutsch – Podcast

Wie ein Fels in der Brandung

Einen Fels in der Brandung kann so schnell nichts erschüttern, die höchsten Wellen beeindrucken ihn nicht. Ein Stein hingegen lässt sich manchmal schon von einem Kind erweichen.

Sprecher:
Zu den Attraktionen der deutschen Ostseeinsel Rügen zählt ein Findling, der sich vor den Nordstrand der Insel verirrt hat. Gletscher aus der Eiszeit haben den gut eineinhalb tausend Tonnen schweren Granitbrocken von Skandinavien bis an die deutsche Ostseeküste transportiert. Touristen können ihn dort vom Strand aus bestaunen: ein grauer Fels, der schon seit Jahrtausenden in der Brandung steht.

Reporterin:
So einen Felsen in der Brandung haut so schnell nichts um. Und das hielten die Leute, die ich danach fragte, für einen sehr beneidenswerten Zustand. Womit allerdings nicht gemeint ist, dass sie als menschlicher Findling jahrelang in der Ostsee ausharren möchten. Die Redewendung "wie ein Fels in der Brandung stehen", hatte für sie eine andere Bedeutung:

Befragte Personen:
"Also jemand, der sehr bodenständig ist, der fest im Leben verankert ist, ja und den einfach die Dinge um ihn herum gar nicht kratzen." / "Seinen Mann stehen im Leben oder in bestimmten Situationen, eine schwierige Situation zu meistern, wenn man also besonders gefordert wird und besondere Anstrengungen unternehmen muss."

Sprecher:
Wer wie ein Fels in der Brandung steht, der verhält sich wie der Findling vor Rügen. Egal, wie hoch - um im Bild zu bleiben - die Wogen der Aufregung schlagen, er oder sie bleiben ruhig und gelassen. Es kratzt ihn nicht, was um ihn herum passiert; das heißt, die Außenwelt kann ihm gar nichts anhaben. Früher war es offiziell den Männern vorbehalten, den warmen Ofen zu verlassen und sich im harten Arbeitsleben zu bewähren. Sie mussten "ihren Mann stehen", das heißt, sie mussten die Pflichten und Anforderungen, die an einen Mann gestellt wurden, erfüllen und durften sich davon nicht umwerfen lassen. Heute arbeiten immer mehr Frauen in traditionellen Männerberufen und müssen dort wie ihre männlichen Kollegen ihren Mann - oder, wie es inzwischen korrekterweise auch heißt - ihre Frau stehen.

Reporterin:
Wer wie ein Fels in der Brandung steht, der braucht offensichtlich einen guten Stand im Leben. Meine Interviewpartnerin sprach davon, dass ein solcher Mensch mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht. Ein anderes Bild war: fest im Leben verankert sein.

Sprecher:
Wer nur auf einem Fuß steht, der verliert auch schnell das Gleichgewicht. Wer hingegen fest "mit beiden Füßen auf dem Boden steht", der ist nicht so schnell umzuwerfen. Er hat sein Leben im Griff und ist realistisch, was seine Möglichkeiten und seine Grenzen angeht. "Fest verankert sein" ist ein entsprechendes Bild aus dem maritimen Bereich: Ein Schiff, das fest verankert ist, bleibt auch bei unruhiger See an seinem Platz.

Reporterin:
Steine können Jahrhunderte überdauern. Das können Menschen zwar nicht, aber auch sie werden manchmal steinalt.

Befragte Personen:
"Steinalt? Methusalem, borkig, faltig, runzlig, uralt, greisenhaft, bisschen verknöchert auch, weise, klug, ja, wie ein Fels in der Brandung." / "Steinalt ist natürlich aus meiner Perspektive heute jemand, der 90 ist, weil ich denke, das werde ich nie schaffen. Aber steinalt heißt ja nicht nur, dass jemand jetzt biologisch alt ist, sondern ich würde steinalt auch eher umgangssprachlich benutzen für etwas, das überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist. Also 'ne Freundin sagt mir: Diesen Schlager, diesen Hit oder was auch immer find' ich ganz toll, dann würd' ich sagen: Mein Gott, der ist doch steinalt, der ist schon vor Jahrzehnten im Radio gelaufen - so vielleicht."

Sprecher:
Methusalem ist der älteste Mensch der Welt: Laut dem 1. Buch Mose ist er stolze 969 Jahre alt geworden. Ein steinalter Mensch ist zwar nicht ganz so alt, aber er scheint wie dieser Methusalem schon eine halbe Ewigkeit auf der Welt zu sein. Vielleicht kennt niemand sein Alter mehr so genau; auf jeden Fall hat er noch Ereignisse miterlebt, die die Menschen um ihn herum nur aus dem Geschichtsbuch kennen. Und ist damit alt wie ein Stein, den es immer schon gab. Aber auch eine Sache kann steinalt oder uralt sein - nämlich dann, wenn sie schon völlig aus der Mode ist.

Reporterin:
Doch zurück zu unseren Steinen. Nicht in allen Redewendungen ist die Unverwüstlichkeit der Steine etwas Positives, wie in dem Beispiel mit dem Fels in der Brandung. Denn so ein Stein kann in seiner Dauerhaftigkeit auch ganz schön im Weg sein. Wenn mir jemand "Steine in den Weg legt" zum Beispiel.

Befragte Person:
"Jemand möchte irgendetwas tun, was ich vielleicht nicht in Ordnung finde, wo ich sage, also: mir wär' lieber, du würdest das bleiben lassen, aber wir sind gut befreundet, und deswegen lege ich dir keine Steine in den Weg, das heißt also, ich werde dich nicht daran hindern, es trotzdem zu tun."

Sprecher:
Ein Stein, der im Weg liegt, ist ein Hindernis. Wer einem anderen Steine in den Weg legt, macht ihm also Schwierigkeiten, er hindert den anderen daran, seinen Weg zu gehen. Dabei ist oft Konkurrenz und Eifersucht mit im Spiel.

Reporterin:
Das ist nicht besonders nett, jemandem einen Stein in den Weg zu legen. Aber manchmal liegen Steine auch einfach so im Weg herum. Dann kann es schon mal passieren, dass man sich unsanft daran stößt, dass der Stein zum "Stein des Anstoßes" wird.

Befragte Personen:
"Wir haben jetzt zweieinhalb Wochen meine Eltern zu Besuch gehabt, das ist nicht immer ganz leicht, vor allen Dingen wenn man eine kleine Wohnung hat, und irgendwann kommt dann der Punkt, wo dann mein Vater wieder die Spülmaschine nicht eingeräumt hat, oder wieder die Wasserflasche nicht zugedreht hat, und das wäre dann der Stein des Anstoßes, also, man wird wütend, oder aber man schweigt weiter, aber irgendwas würde dann schon passieren, denk' ich." / "Also, Stein des Anstoßes ist ja im Grunde genommen der Auslöser, der eine Sache zum Kippen bringt. Also, es könnte auch der Stein sein, der nun das alles ins Rollen bringt, nämlich das, was da anstößig ist, also dass sich jemand anderes nun an mir stößt. An einem Stein stößt man sich ja auch gerne. Also, auf jeden Fall eckt man an. Steine sind ja auch meist eckig."

Sprecher:
Der Stein des Anstoßes ist erstmals in der Lutherübersetzung von Jesaja 8 zu finden. Dort ist es Gott, der zum Stein des Anstoßes für das Volk Israel wird, "auf dass die Israeliten sich daran stoßen, fallen und zerschmettern", wie es an der Stelle heißt. Hier ist der Stein des Anstoßes bei aller Dramatik noch ganz positiv gemeint - als etwas, das die sündigen Menschen zur Besinnung bringt. Von dieser Bedeutung ist heute nichts mehr erhalten.

Reporterin:
Unsere Steine des Anstoßes sind viel banaler, wie wir gesehen haben. Stein des Anstoßes kann alles sein, was Ärger macht: ob nun eine unpassende Bemerkung oder eine nicht zugedrehte Wasserflasche. Ein klassisches Beispiel ist auch ein vergessener Hochzeitstag. Manche Menschen scheinen den Ärger regelrecht anzuziehen: Sie "ecken überall an".

Sprecher:
In dieser Wendung wird der Mensch - bildlich gesprochen - selbst zum Stein oder einem anderen harten Gegenstand mit vielen Ecken und Kanten, an denen andere sich stoßen. Übertragen heißt das: Wer aneckt, sagt oder tut Dinge, die anderen höchst unangenehm sind.

Reporterin:
Und das kann manchmal auch durchaus nötig sein. Ich persönlich mag ja Menschen, die anecken, lieber als welche, die so aalglatt sind, die sich also wie ein Aal überall durchschlängeln und ihren Mitmenschen nicht den geringsten Widerstand entgegensetzen. Wer aneckt, kann auch etwas in Bewegung bringen, er kann den "Stein ins Rollen bringen", wie eine der Befragten es formuliert hat.

Befragte Personen:
"Wenn man jetzt auf einem Berg steht und lässt einen Stein da runter rollen, so den Abhang runter, dann hat das ja, rollt ja nicht nur der Stein da runter, sondern er reißt kleine Nadeln mit, er reißt Blätter mit, er stößt an andere Steine an. Das heißt, das Ganze entwickelt sich zu etwas Größerem wie so' ne kleine Lawine, die vielleicht runtergeht. Und das ist, glaube ich, mit Stein ins Rollen bringen auch immer gemeint: Das ist etwas Größeres, was auch größere Konsequenzen hat." / "Einen Stein ins Rollen bringen heißt: ich stoße eine Sache an. Ich will, dass eine Sache angepackt wird und ergreife die Initiative und bring' sie eben in Gang."

Sprecher:
Wer einen Stein ins Rollen bringt, setzt etwas in Gang wie eine Maschine, die man in den richtigen Gang einstellt. Er spricht zum Beispiel etwas an, das lange verschwiegen wurde.

Reporterin:
Meistens gehen Veränderungen langsam und fast unbemerkt vor sich. Wer ein ruhigeres Temperament hat, der bringt nicht so gerne Steine ins Rollen, sondern handelt lieber nach der Devise: "steter Tropfen höhlt den Stein".

Befragte Personen:
"Dass man mit kleinen Schritten auch ans Ziel kommt." / "Wenn man halt irgendeine bestimmte Sache verfolgt oder ein langfristiges Ziel verfolgt, dann immer dran bleiben, immer in kleinen Schritten vorwärts." / "Beständigkeit zahlt sich aus oder Beharrlichkeit, keine Ahnung, so was in der Art."

Sprecher:
Bis so ein Tropfen einen Stein aushöhlt, das braucht seine Zeit. Entsprechend groß muss die Geduld eines Menschen sein, der auf stete Tropfen setzt: Vielleicht erlebt er oder sie sogar gar nicht mehr selbst den Erfolg der steten Bemühungen. Tatsache ist, dass der Tropfen am Ende eben doch den Stein verformt.

Reporterin:
Dabei kommt es natürlich auch darauf an, mit was für einem Stein man es zu tun hat. Ein Diamant ist härter als Kalkstein. Und auch Granit lässt sich nicht so ohne weiteres verformen. Menschen, die bei anderen "auf Granit beißen", sind darum allerdings nicht unbedingt der Meinung, dass ihre Zähne es mit diesem Gestein aufnehmen können. Diese Redewendung sagt eher etwas über ihr Gegenüber aus.

Befragte Personen:
"Also, auf Granit zu beißen heißt, dass man in einer Sache überhaupt nicht weiter kommt, dass man quasi in einer Sackgasse steckt, sich verrannt hat oder wenn man mit Menschen zu tun hat, die vielleicht überhaupt nicht auf das eingehen, was man vielleicht selber von ihnen möchte, und man hat die besten Argumente, und man legt sich da auch was zurecht, und man ist vielleicht auch freundlich, man wird vielleicht auch ausfällig; ganz egal, man kann machen was man will, man kommt damit nicht weiter, man beißt bei diesem Menschen tatsächlich auf Granit." / "Wenn jemand total stur ist und irgendwas nicht verstehen will, man bei jemand nicht weiter kommt und ja, derjenige einfach stur ist." / "Ja, wenn ich da so gar nichts werde bei ihm. Ich kann reden und tun und machen was ich will, und er will einfach nicht."

Sprecher:
Jeder Zahnarzt würde wohl dringend davon abraten, auf Granit zu beißen: Wie stark man auch zubeißt, man kann höchstens seine Zähne dabei verlieren. Im übertragenen Sinne heißt das: Wie sehr ich mich auch bemühe, mein Gegenüber von irgendetwas zu überzeugen, ich stoße nur auf hartnäckigen Widerstand. Am Ende stecke ich in einer Sackgasse, das heißt, wie in einer Sackgasse komme ich nicht weiter und muss umkehren. Ich habe mich verrannt, bin also im übertragenen Sinne auf den falschen Weg geraten - vielleicht, weil ich es so eilig hatte, ans Ziel zu gelangen.

Reporterin:
Was immer einem Stein etwas anhaben kann, es muss schon eine große Krafteinwirkung sein, sollte man meinen. Aber es gibt auch Menschen, die Steine ganz ohne Kraftanstrengung zum Erweichen bringen können, einfach dadurch, dass sie "zum Steinerweichen weinen" können. Eine junge Mutter, die ich danach fragte, kennt dieses Phänomen:

Befragte Person:
"Da ich ein kleines Kind habe, und Kinder ja das Weinen auch durchaus sehr gezielt einsetzen können, glaube ich schon, dass ich von meiner Tochter sagen würde: Die kann wirklich zum Steinerweichen weinen. Und wenn das so ist wie gestern Abend, dass sie ihren Schnuller nicht bekommt, weil wir finden, sie ist jetzt alt genug, dann heult sie derartig, dass wahrscheinlich ein ganzes Gebirge weich werden würde."

Sprecher:
Wenn schon ein Stein vom Weinen eines Kindes weich wird, dann kann wohl das Herz eines Menschen nicht hart bleiben. Zum Steinerweichen weinen ist ein schönes Bild dafür, wie durchdringend und herzzerreißend Kinder weinen können - so herzzerreißend nämlich, dass selbst ein kalter und harter Stein dem nicht standhalten kann.

Reporterin:
Ich hoffe, unsere steinigen Redewendungen haben Ihnen Spaß gemacht! Und wenn die Wellen wieder einmal über Ihnen zusammenzuschlagen drohen, wenn Ihnen alles ein bisschen zu viel wird, dann denken Sie an den Fels, der in der Brandung steht und die Wellen einfach an sich abprallen lässt.

Fragen zum Text:

Welches Adjektiv gibt es nicht?
1. uralt
2. felsalt
3. steinalt

Ein Fels in der Brandung ist ...
1. eine Person, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt.
2. eine Person, die Ihnen auf die Nerven geht.
3. eine Person, die immer Pech hat.

Wer überall aneckt, ...
1. stößt sich immer an Gegenständen und verletzt sich dabei.
2. verhält sich anders als andere Menschen und hat deshalb Probleme.
3. verläuft sich immer.

Arbeitsauftrag:
Erläutern Sie eine der folgenden Redewendungen in Ihren eigenen Worten und geben Sie ein Beispiel für ihre Verwendung:

1) Steter Tropfen höhlt den Stein.

2) jemandem Steine in den Weg legen

3) einen Stein ins Rollen bringen

Audio und Video zum Thema

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