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Politik

Wie Big Data afrikanische Wahlkämpfe verändert

Silja Fröhlich
5. Oktober 2019

Wer den Wähler am besten kennt, gewinnt die Wahl: So lautet das Versprechen von Big Data. Auch in Afrika setzen Politiker auf die Analyse von Wählerdaten. Doch ohne gesetzlichen Rahmen ist das Missbrauchsrisiko hoch.

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Symbolbild Wahlen in Afrika 2
Bild: picture-alliance/dpa

Senegal, Ende 2018: Fast 5000 Freiwillige klopfen an unzählige Türen in den 552 Wahlkreisen des Landes, fragen nach Alter, Geschlecht, Beruf, politischer Zugehörigkeit, Sprache und Religion der Anwohner. Der Grund dafür ist nicht etwa eine Volkszählung, sondern die Vorbereitung einer Wahlkampagne, wie es wohl noch keine zuvor in Subsahara-Afrika gegeben hat. Anstatt auf Lautsprecherwagen und Giveaways zu setzen, wie in den Wahlkämpfen vieler afrikanischer Länder üblich, fährt Präsident Macky Sall eine andere Strategie, um erneut die Wahl zu gewinnen: Er will sein Programm auf einer präzisen Analyse der senegalische Wählerinnen und Wähler aufbauen.

Big Data - also die Erhebung, Auswertung und Nutzung riesiger Datenmengen - gewinnt in der afrikanischen Politik zunehmend an Bedeutung. Salls Kampagne im Senegal war in dieser Hinsicht eine regelrechte Lektion für seine Herausforderer. Die von den Freiwilligen gesammelten Informationen wurden die Grundlage für maßgeschneiderte Wahlversprechen: eine neue Straße für diese Region, bessere Familienleistungen in jener. Die Mühe zahlte sich aus: Sall sicherte sich bei der Präsidentschaftswahl 2019 mit 2,5 Millionen Stimmeneine zweite Amtszeit, sein nächster Konkurrent blieb mit 900.000 Stimmen weit abgeschlagen.

Senegal Vereidigung Macky Sall als Präsident
Macky Sall wurde Anfang 2019 als Präsident wiedergewählt, seine Geheimwaffe: Big DataBild: Getty Images/AFP/Seyllou

Big Data für Wahlkämpfe

"Parteien in Afrika interessieren sich immer mehr für die Sammlung und Analyse von Wählerdaten", sagt Emmanuel Vitus, Kommunikationsmanager der 'Paradigm Initiative' für digitale Rechte im DW-Interview. "Das tun sie vor allem in Ländern, in denen ein Großteil der Menschen nicht festgelegt ist, welche Partei sie wählen." Nicht immer geht es dabei allerdings mit rechten Dingen zu. In Nigeria etwa soll die britische Firma SCL Elections, aus der später die in Verruf geratene Cambridge Analyticahervorging, schon bei der Wahl 2007 im Auftrag der regierenden Peoples Democratic Party (PDP) Wählerdaten analysiert haben. Anschließend soll SCL Anti-Wahl-Veranstaltungen in wichtigen Distrikten durchgeführt haben, bei denen die Analyse ergeben hatte, dass ein Sieg der PDP aussichtslos sei. Die Machenschaften des Unternehmens in nigerianischen Wahlkämpfen sind inzwischen Gegenstand einer Untersuchungskommission.

Auch Kenias Präsident Uhuru Kenyatta griff Berichten zufolge 2013 und 2017 auf die Dienste von Cambridge Analytica zurück. Einem Undercover-Reporter des britischen Channel 4 gegenüber behauptete 2018 ein Vertreter des Unternehmens, "fast jedes Element" der Kampagne von Kenyatta in den Jahren 2013 und 2017, einschließlich der zweimaligen Umbenennung der Partei, dem Schreiben des Wahlprogramms und der Reden der Kampagne geplant zu haben. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit von Kenyatta und SCL stand ebenfalls eine Big Data-Kampagne: "50.000 Menschen wurden damals befragt, um mit den dadurch gewonnen Informationen die Wählermeinung zugunsten der Jubilee Partei zu beeinflussen", so Emmanuel Vitus. Das Unternehmen beschrieb damals auf seiner Website, dass es 2013 eine Kampagne organisiert habe, die "auf den tatsächlichen Bedürfnissen (Jobs) und Ängsten (Gewalt zwischen Ethnien) der Wähler basiert".

Kenia Uhuru Kenyatta
Kenias Präsident Uhuru Kenyatta hatte die Datenanalyse bereits 2013 für seinen Wahlkampf entdecktBild: imago/i Images

Abhängigkeit von ausländischen Firmen

2018 brach Cambridge Analytica unter einem weltweiten Skandal zusammen: Die Firma hatte Daten von Facebooknutzern ohne deren Zustimmung für das Trump-Wahlkampfteam 2016 ausgewertet, ein Whistleblower deckte den Skandal schließlich auf. Für Emmanuel Vitus zeigt der Fall ein entscheidendes Problem beim Thema Big Data in Afrika: Die Abhängigkeit afrikanischer Regierungen und Parteien von privaten Firmen aus dem Ausland bei der Sammlung und Auswertung der Daten.

"Big Data hat seine guten Seiten, aber in vielen afrikanischen Ländern fehlt die Technik und die Expertise, um diese Menge an Daten zu sammeln und zu managen", so Vitus. "Die Mutterfirma von Cambridge Analytica, SCL Groups, war in vielen Länder Afrikas präsent: Ruanda, Somalia, Ghana, Sudan. Die Skandale zeigen, dass solche Firmen nicht nur Recherche für die Regierungen, Parteien und Unternehmen anstellen, sondern diese Daten auch an den Höchstbietenden weitergeben".

Dabei sei Big Data gerade auch für Regierungen ein wichtiges Instrument, erklärt die IT-Expertin Juliet Nanfuka im DW-Interview. Sie arbeitet für die Nichtregierungsorganisation 'Collaboration on International ICT Policy for East and Southern Africa', die den Einsatz von Informationstechnologie zur Unterstützung von Entwicklung und Armutsbekämpfung verbessern will. "Wenn Staaten Daten sammeln, sagen sie oft, dass es zum Wohl der Menschen ist: für die nationale Sicherheit oder bessere Dienstleistungen für die Bürger."

Marketing Messe - Cambridge Analytica
Unter ihrem Chef Alexander Nix wurde die Firma Cambridge Analytica zum Sinnbild für DatenmissbrauchBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

"Wie eine Keksdose"

Doch Emmanuel Vitus glaubt, dass die Zeit, um Big Data in Afrika voll auszuschöpfen, noch nicht reif sei. Um Datenanalyse als Werkzeug für Kampagnen und Entscheidungsfindungen zu nutzen, müssten erst die Weichen gestellt werden. "Das Wichtigste und Dringendste in Afrika ist die Einführung von Datenschutzgesetzen", so Vitus. Diese Regelungen seien der Schlüssel, damit Regierungen einen Rahmen schaffen können, in denen dritte Unternehmen die Daten sammeln. "Hier geht es um Menschenrechte", betont er. Der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung zufolge haben 23 Länder in Afrika Datenschutzgesetze, sieben weitere arbeiten an Gesetzentwürfen, einschließlich Kenia und Nigeria. Die übrigen Länder haben entweder keine Gesetze oder es liegen keine Informationen vor.

Auch Juliet Nanfuka betont, dass das Jonglieren mit den persönlichen Daten der Bevölkerung eine Gefahr darstellt. "Der Prozess, wie man an die Daten kommt, liegt häufig noch in einer Grauzone. In vielen Ländern sind Daten wie eine Keksdose, an der man sich einfach bedienen kann. Und das ist sehr problematisch, wenn man bedenkt, wie das Wahlen und Kampagnen beeinflussen kann."