1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie behandeln EU-Länder Flüchtlinge?

Sabrina Pabst 14. August 2015

Überfüllte Aufnahmezentren oder Willkommenskurse, Integration oder Abschiebung? Wer als Flüchtling in der EU ankommt, hofft auf Hilfe und Unterstützung. Die bekommt er - nur nicht überall.

https://p.dw.com/p/1GEGn
Symbolbild Flüchtlinge Balkan (Foto: Getty Images/AFP/D. Dilkoff)
Bild: Getty Images/AFP/D. Dilkoff

Schweden - Spitzenreiter der Statistik

Schwedens Asylpolitik gilt unter den EU-Staaten als vergleichsweise großzügig. Wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen im Verhältnis zu den 9,6 Millionen Einwohnern geht, führt Schweden die EU-Statistik an. Gleich hinter Deutschland ist es das Hauptzielland von Flüchtlingen. Im Jahr 2014 haben 81.300 Menschen dort einen Asylantrag gestellt, 30.600 wurden anerkannt. Syrische Flüchtlinge haben die größte Chance, dass ihr Asylantrag gebilligt wird. Außenpolitisch fordert Schweden schon lange, dass sich auch andere EU-Staaten bei der Verteilung von Flüchtlingen beteiligen.

Die schwedische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Einwanderer so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Besondere Sprachkurse, Landeskunde, berufsvorbereitende Kurse und Praktika sollen dabei helfen. Doch auch Schweden stößt an seine Grenzen.

Wohnungsmangel, Überforderung kleinerer Gemeinden, Arbeitslosigkeit unter Zuwanderern: So sehr sich die Politik bemüht, Flüchtlinge zu integrieren, so gespalten ist die schwedische Gesellschaft. Ein Meinungsbild, das sich auch in der Politik niederschlägt. Die zuwanderungskritische rechtspopulistische Partei Schwedendemokraten liegt neuesten Umfragen zufolge bei über 20 Prozent.

Niederlande - strengste Asylpolitik Europas

Trotz heftiger Kritik von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch haben die Niederlande 2010 das schärfste Asylgesetz der Europäischen Union gebilligt. Mindestens zwei von drei Anträgen werden nicht genehmigt. Den Flüchtlingen bleiben danach 28 Tage, das Land zu verlassen.

In der niederländischen Flüchtlingsunterkunft in Zwolle reihen sich die Hochbetten aneinander. Nur eine dünne Holzwand trennt die Schlaf-Parzellen. (Foto: picture-alliance/dpa/R. De Waal)
Eine Turnhalle im niederländischen Zwolle wurde zu einer BettenstadtBild: picture-alliance/dpa/R. De Waal

Festgelegt wurde eine Minimalversorgung von Asylsuchenden, die umgangssprachlich als "Bett, Bad und Brot" bezeichnet wird. Nach einer Nacht im Schlafsaal und dem Frühstück müssen sie wieder auf die Straße. Wer selbst bei diesen Lebensbedingungen nicht in die Heimat zurück will, verliert auch diese Unterstützung und muss ohne Dach über dem Kopf und Nahrung auskommen. Deutsche Gerichte urteilten angesichts der drohenden Obdachlosigkeit häufig, dass Flüchtlinge, die illegal über die Grenze nach Deutschland gekommen sind, nicht wieder in die Niederlande zurück geführt werden dürfen - wie auch nicht nach Italien oder Griechenland.

Besonders betroffen sind Somalier. Die Niederlande sind das erste Land der EU, das seit 2013 Flüchtlinge wieder nach Somalia abschiebt. Trotzdem kommen immer mehr Flüchtlinge in die Niederlande. Bis Ende Juli waren es mit 26.600 bereits mehr Menschen als im gesamten Jahr 2014. Die meisten flohen aus Syrien und Eritrea.

Österreich - beliebte Alpenrepublik

Österreich ist - gemessen an den 8,4 Millionen Einwohnern - eines der begehrtesten Zielländer für Flüchtlinge in Europa. Mehr als 27.000 Menschen stellten dort im ersten halben Jahr 2015 ihren ersten Asylantrag. Das sind dreimal mehr als im ersten Halbjahr 2014. Die meisten sind aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak geflohen.

Auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft in Traiskirchen schlagen zwei Migranten ihr Zelt auf. (Foto: picture-alliance/dpa/R. Schlager)
Glück hat, wer ein Zelt hat: In der Erstaufnahmestation Traiskirchen müssen Flüchtlinge unter freiem Himmel schlafenBild: picture-alliance/dpa/R. Schlager

Durch den stark gestiegenen Andrang gerät Österreich unter Druck. Alle Flüchtlinge von den Erstaufnahmestationen auf die übrigen Bundesländer zu verteilen, stellt die Politik vor eine große Aufgabe. Nur drei der neun Bundesländer - Wien, Niederösterreich und Vorarlberg - erfüllten zuletzt die vereinbarten Quoten. Schlusslicht ist das Burgenland an der Grenze zu Ungarn.

Das Flüchtlingsthema wird zum Politikum. So will die österreichische Bundesregierung nun Länder und Gemeinden in Zukunft durch ein geändertes Verfassungsgesetz zur Aufnahme von Flüchtlingen zwingen können. Das erzeugt in einigen Bundesländern Widerstand - zum Teil mit fremdenfeindlichen Protesten. Davon profitiert die rechtspopulisitische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). In ganz Österreich organisieren sich daher Menschen, um Flüchtlinge zu unterstützen. Das Innenministerium sucht Privatunterkünfte. Gemeinden bauen Pensionen und Hotels zu Flüchtlingsunterkünften um. Ehrenamtliche Helfer bieten Sprachkurse an.

Polen - Bitte nur Christen

Ukraine, Russland, Tadschikistan - das sind die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge, die in Polen ankommen und einen Asylantrag stellen. Im Jahr 2014 stellten 8.020 Menschen einen Asylantrag, deutlich weniger als im Jahr zuvor. Etwa die Hälfte der Antragssteller sind russische Staatsbürger, die meisten von ihnen Tschetschenen (91 Prozent). Nur bei 325 Russen wurde 2014 ein Antrag bewilligt. Auch etwa 130 Syrer bekamen einen positiven Bescheid. Etwas mehr als 2.200 Asylbewerber kamen aus der Ukraine.

Bei Protesten gegen Aufnahme von Flüchtlingen in Warschau halten Demonstranten Transparente hoch auf denen steht: "Erst Flüchtling, dann Terrorist". (Foto: picture-alliance/dpa/R. Guz)
"Erst Flüchtlinge, dann Terroristen" steht auf dem Transparent während einer Anti-Flüchtling-Demo in WarschauBild: picture-alliance/dpa/R. Guz

Der Umgang mit Flüchtlingen in Polen wird von Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert. Zwar ist die Versorgung der Menschen gesichert, doch die Mehrheit der Aufnahmezentren liegt abgelegen in ehemaligen Kasernen oder einstigen Arbeiter-Erholungsheimen. So fehlten Integrationshilfen und es mangele an Möglichkeiten, mit Einheimischen in Kontakt zu treten, meinen Hilfsorganisationen. Polen gilt als Durchreiseland für Flüchtlinge, die in den Westen möchten. Nach der Ankündigung, Polen werde zur Entlastung Italiens und Griechenlands 2000 Flüchtlinge aufnehmen, gab es mehrere Protestkundgebungen nationalistischer Gruppen. Doch nicht nur extreme Gruppen haben Vorbehalte: In einer im Juli veröffentlichten Meinungsumfrage gaben 70 Prozent der Befragten an, sie wollten keine Flüchtlinge aus muslimischen oder afrikanischen Ländern in Polen. Syrische Flüchtlinge, die gleichzeitig Christen sind, seien hingegen willkommen.

Spanien - Kein Einlass nach Europa

Vor kurzer Zeit versuchten noch viele Flüchtlinge, bei Massenanstürmen auf die Grenzzäune in die Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla und damit nach Europa zu kommen. Doch seit knapp drei Monaten ist Spanien kein bedeutendes Einlasstor mehr für Migranten und Flüchtlinge. Im Jahr 2014 gelangten nach Angaben der Grenzschutzagentur Frontex 7.800 Menschen illegal auf spanisches Gebiet. Das war nur ein Bruchteil im Vergleich zum Jahr 2006 mit 39.000 illegalen Zuwanderern.

Während des Ansturms auf den Grenzzaun zwischen Ceuta und Marokko klettern einige Flüchtlinge über die Absperrung. (Foto: picture-alliance/AP)
Kein Hinderniss zu hoch: Flüchtlinge klettern über den Grenzzaun zwischen Marokko und CeutaBild: picture-alliance/AP

Laut spanischem Innenministerium sinken die Zahlen wegen der Grenzschutz-Kooperation mit Marokko. Zudem schloss Madrid mit Staaten wie Senegal, Mauretanien oder Nigeria Rückführungsabkommen, was viele Afrikaner von einer Flucht nach Spanien abgehalten haben dürfte. Die größten Migrationsrouten nach Europa führen derzeit von Konfliktgebieten wie Syrien oder dem Irak über das östliche Mittelmeer oder den Balkan. Von daher liegt Spanien geographisch nicht mehr an den Hauptfluchtrouten.

Anders als in Deutschland ist der unerlaubte Aufenthalt nach spanischem Recht keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit. In Auffanglagern dürfen Einwanderer maximal 60 Tage festgehalten werden. Stellt sich aber bei der Prüfung heraus, dass die illegalen Migranten vor ihrer Ankunft in Spanien ein anderes EU-Land betreten haben, werden sie nach dem Dublin-II-Verfahren abgeschoben.