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Aktionäre setzen Ölgiganten unter Druck

Tamsin Walker ts
21. Mai 2019

Die Aktionäre großer Ölkonzerne beginnen, ihr Stimmrecht für den Klimaschutz zu nutzen. Die Anteilseigner von Shell und Equinor hatten bereits das Wort, jetzt steht BP im Rampenlicht.

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Raffinerie im Sonnenlicht
Bild: Colourbox

In eine große Ölgesellschaft zu investieren klingt jetzt vielleicht nicht sofort nach einer Idee, die die Welt verändern wird. Doch eine Gruppe aus den Niederlanden hat sich genau das auf die Fahnen geschrieben. Ihr Ansatz hat dafür gesorgt, dass auf der BP-Jahreshauptversammlung an diesem Dienstag in Schottland eine Resolution zur Festlegung ehrgeiziger Emissionsziele auf dem Tisch liegen wird.

Die Gruppe heißt Follow This und wurde 2015 von Mark van Baal gegründet. Van Baal ist von Haus aus Ingenieur, der den Weg in den Umweltjournalismus fand und dann beschloss, das Schreiben beiseite zu legen. Nun versucht er als Aktionär, die großen Umweltverschmutzer dazu zu bewegen, die Emissionen, die sie ausstoßen, ernst zu nehmen.

Dabei geht es darum, genügend Aktien großer Ölgesellschaften aufzukaufen, um Resolutionen einzureichen, in denen sie aufgefordert werden, die Scope 3 Treibhausgase in ihre Unternehmensziele aufzunehmen.

Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen, die sich aus der Tätigkeit eines Unternehmens ergeben und die in der Welt großer Ölkonzerne stark umstritten sind. Die Unternehmen argumentieren, dass diese Emissionen außerhalb ihres Einflussbereichs fallen.

Infografik Treihausgasemissionen Wertschöpfungskette DE

Van Baal sagt jedoch, die Einbeziehung dieser Emissionen in die Gesamtrechnung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, wenn sich die Konzerne an die Ziele des Pariser Klimaabkommen von 2015 halten wollen.

"Die Ölkonzerne sagen alle, dass sie Paris unterstützen, aber gleichzeitig warten sie auf staatliche Regulierung", sagt van Baal der DW. "Dabei müssten sie die Führung übernehmen."

Erst ignoriert, dann bestätigt

Shell ist bis heute der einzige große Ölkonzern, der einen Schritt in diese Richtung getan hat. Als ein Vorschlag von Follow This auf der Hauptversammlung des Unternehmens im Jahr 2017 zur Abstimmung gestellt wurde, wurde er von Shell zunächst als unangemessen bezeichnet. Das Unternehmen riet seinen Aktionären, den Beschluss nicht zu unterstützen. Sechs Prozent taten dies aber, und weitere 7 Prozent enthielten sich der Stimme.

"Normalerweise ist es ein Ergebnis wie in Nordkorea; normalerweise würden 99,9 Prozent so abstimmen wie das Management es vorgibt", sagt van Baal.

Mark van Baal (Foto: Anke Teunissen )
Mark van Baal hat bereits fast 5000 Aktionäre für "Follow This" begeistern könnenBild: Anke Teunissen

Zu denen, die das im Fall von Shell nicht getan haben, gehören unter anderem eine Reihe führender niederländische Institutionen, was das Unternehmen seiner Meinung nach sehr blamiert habe. Denn die Abstimmung weise darauf hin, dass Shell "in seinem Heimatland den Halt verloren hat".

Zunächst ignorierte das Unternehmen das Ergebnis, aber zum Ende des Jahres hatte Shell erkannt, dass sich die Zeiten geändert hatten. Shell nahm die Scope 3-Emissionen schließlich doch in die Ziele für den Netto-Carbon-Footprint auf.

Scope 3 Lösungen bei Equinor und BP

Anfang dieses Monats legte Follow This dem Vorstand des norwegischen Ölkonzerns Equinor eine identische Resolution vor. Dieses Mal stimmten 12 Prozent der Privataktionäre dafür, weitere 7 Prozent enthielten sich der Stimme.

Sein Vorstoß bekam insgesamt nur weniger als 2 Prozent der Stimmen, da sich so viele Equinor-Aktien im Besitz der norwegischen Regierung befinden, die gegen die Resolution van Baals stimmte, obwohl sie das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hat.

Aber das kümmert ihn nicht. "Man braucht nur ein paar Prozent, um Einfluss zu nehmen", sagt er DW. "Und 12 Prozent sind wirklich sehr viel."

Wie genau diese Gleichung in die Unternehmenspolitik umgesetzt wird, bleibt abzuwarten, aber van Baal ist überzeugt, dass die Botschaft zu laut ist, als dass sie vom Vorstand ignoriert werden könnte.

"Ich glaube, sie müssen reagieren", sagt er. "Dies ist ein sehr starkes Signal, dass viele ihrer Aktionäre ihre Zurückhaltung beim Klimaschutz nicht akzeptieren."

Gleich zwei Resolutionen

Van Baal hofft nun auf das gleiche Ergebnis bei BP. Anders der Unternehmensvorstand, der andere Ideen hat. In der Einberufung zur Hauptversammlung empfiehlt er den Aktionären in großer roter Schrift, die Resolution von Follow This nicht zu unterstützen. Unter anderem, weil der Antrag "Ziele für Scope-3-Emissionen (Endverbraucher) fordert, die BP nicht kontrolliert".

Der Ölkonzern bevorzugt währenddessen eine alternative emissionsbezogene Resolution von Climate Action 100+ , einer Koalition von mehr als 300 Investoren. In einer von ihr eingereichten Studie fordert die Koalition mehr Transparenz bei der Festlegung und Berichterstattung von Zielen.

Fiona Reynolds, Mitglied des Koalitionslenkungsausschusses und CEO von Principles for Responsible Investment (PRI), sagt, dass sie "Unternehmen ausdrücklich bittet, über Kennzahlen, Ziele und über die Intensität ihrer Energieprodukte zu berichten".

Obwohl die Resolution nicht verlangt, dass BP die Scope-3-Emissionen in seine Berichterstattung einbezieht, sagt Reynolds, dass sie immer noch sehr viel forderten.

Wasserverschmutzung mit Öl (Foto: Colourbox/S. Jetkasettakorn  )
Nicht alle Ölverschmutzungen sind sichtbarBild: Colourbox/S. Jetkasettakorn

Hermes Equity Ownership Services, Mitinvestor und Mitglied von Climate Action 100+, war einer der Hauptinvestoren, der mit BP über die Gestaltung der alternativen Lösung verhandelt hat.

Bruce Duguid, Head of Stewardship bei Hermes, sagte, dass Climate Action 100+ letztendlich dasselbe will wie Follow This. BP befinde sich derzeit in Bezug auf seine Ambitionen in einer "Entdeckungsphase". Es sei noch zu früh, sich auf einen konkreten Fahrplan festzulegen, Emissionen in einem bestimmten Zeitrahmen zu reduzieren.

"Wir haben in den Anträgen darauf geachtet, die Strategie selbst nicht durch die Festlegung bestimmter Kennzahlen zu steuern", sagte Duguid. "Wir bitten das Unternehmen, die Kennzahlen festzulegen und dann zu sagen, wie die Strategie aussieht."

Van Baal von Follow This sagt, dieser Ansatz würde wertvolle Zeit mit der Diskussion über Kennzahlen und Szenarien verschwenden. Er argumentiert, wenn es in den Anträgen darum gegangen wäre, BP zweimal zur selben Sache aufzufordern, hätten ja beide Unterstützung des Unternehmens erhalten müssen.

Er sagt, dass Hermes auf eine ehrgeizigere Lösung hätte drängen sollen, und fügt hinzu, dass bei Verhandlungen mit großen Ölgesellschaften "einige Investoren wie Eltern seien, die eine gute Beziehung mit permanentem Nachgeben verwechseln". 

BP hat bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht auf die Aufforderungen der DW reagiert, sich zu den beiden Resolutionen zu äußern. Allerdings begrüßt das Unternehmen in seiner Bekanntmachung zur Hauptversammlung die Climate Action 100+ Initiative als "eine Gelegenheit, weitere Einzelheiten zu seiner Strategie zu erläutern".

Infografik Weltweite Treibhausgasemission nach Sektor DE

Kann der Druck der Aktionäre etwas ausrichten?

Kritiker und besorgte Parteien finden nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei, um über Kennzahlen und Strategien zu sprechen. Sie warnen vor den Auswirkungen der globalen Erwärmung über 1,5 Grad und weisen darauf hin, dass mehr als die Hälfte der globalen Emissionen, die durch Industrie, Verkehr und die Erzeugung von Wärme und Strom verursacht werden, aus erdölbasierten Produkten stammen.

Der niederländische Versicherer Aegon hat die Follow This Resolution bei Shell und Equinor unterstützt. Schon jetzt hat er verkündet, dass er diese Woche bei BP dasselbe tun wird.

"Was wir uns wünschen, ist, dass das Management von Öl- und Gasunternehmen das Ruder übernimmt und Pläne für die Realisierung von Paris entwickelt", sagte Eric Rutten, Vorsitzender des zuständigen Investitionsausschusses von Aegon der DW.

Van Baal ist überzeugt, dass die Nichteinhaltung des Klimaabkommens zum Todesurteil für die großen Ölkonzerne werden wird: Aktionäre könnten abwandern, wenn sie keine Handlungsbereitschaft zeigen.

"Ich habe immer gesagt, dass Ölgesellschaften das Pariser Abkommen realisieren oder vernichten können", sagt er. "Es gibt keine Möglichkeit, sich anzupassen, ohne ihre Emissionen zu reduzieren. Und das beinhaltet auch Scope 3."