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Politik

Westen schätzt Lage als "sehr, sehr ernst" ein

11. Februar 2022

Die USA halten einen Angriff Russlands auf das Nachbarland für jederzeit möglich und schicken weitere Truppen nach Polen. Präsident Biden und die westlichen Verbündeten haben die Lage bei einer Telefonschalte beraten.

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Ukrainekonflikt | Militärübung Russland
Vom russischen Verteidigungsministerium verbreitetes Bild einer Militärübung in der Region Kemerovo (02.02.2022)Bild: Russian Defense Ministry/AP Photo/picture alliance

Die wichtigsten westlichen Verbündeten haben in einer Schaltkonferenz zur Ukraine-Krise noch einmal ihre Entschlossenheit betont, mit schnellen und tiefgreifenden Sanktionen auf eine mögliche russische Invasion in der Ukraine zu reagieren. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es anschließend, die Lage werde von den Teilnehmern aus Europäischer Union und NATO als "sehr, sehr ernst" eingeschätzt. Alle diplomatischen Bemühungen zielten darauf ab, Moskau zur De-Eskalation zu bewegen. "Es gilt, einen Krieg in Europa zu verhindern," teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach der Schalte mit.

Sorge vor einem russischen Angriff der Ukraine wächst

US-Präsident Joe Biden hatte sich am Freitagnachmittag bei dem kurzfristig anberaumten Krisengespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und einer großen Runde weiterer Spitzenpolitiker über die Lage ausgetauscht. Wie das Weiße Haus mitteilte, nahmen an der Telefonkonferenz auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Boris Johnson, Polens Präsident Andrej Duda, der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg teil. Die Europäische Union wurde durch Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel vertreten.

Bei dem Gespräch sei es um "Russlands fortgesetzte militärische Aufstockung" an der ukrainischen Grenze gegangen. Ziel der Beratungen der transatlantischen Partner sei die Koordinierung von Diplomatie und Abschreckung gewesen, hieß es aus dem Weißen Haus.

Ukrainekonflikt | Jens Stoltenberg in Rumänien
US-Soldaten in Rumänien bei Constanta am Schwarzen MeerBild: Andreea Alexandru/AP Photo/picture alliance

Nach dem Krisen-Telefonat trat der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Biden, Jake Sullivan, vor die Presse. "Wir sehen weiterhin Anzeichen für eine russische Eskalation, einschließlich neuer Truppen, die an der ukrainischen Grenze eintreffen", sagte er. Allerdings wolle er damit nicht sagen, dass der russische Präsident Wladimir Putin eine Entscheidung für eine Invasion bereits getroffen habe.

"Wir befinden uns in einem Zeitfenster, in dem eine Invasion jederzeit beginnen könnte, sollte sich Wladimir Putin dazu entschließen, sie anzuordnen", sagte Sullivan. Dies könne auch während der derzeit laufenden Olympischen Winterspiele in Peking der Fall sein. Ähnlich hatte sich zuvor US-Außenminister Antony Blinken geäußert.

USA nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan
Eine Invasion könnte jederzeit beginnen, warnt der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake SullivanBild: Manuel Balce Ceneta/AP Photo/picture alliance

Nach Informationen des Magazins "Spiegel" unterrichteten der US-Geheimdienst CIA und das US-Militär die Verbündeten, dass man aufgrund neuer Informationen fürchte, ein Angriff könne am kommenden Mittwoch erfolgen. Sullivan kommentierte diese Geheimdienst-Berichte nicht.

Telefondiplomatie geht am Samstag weiter

Sowohl Biden als auch Frankreichs Staatschef Macron wollen angesichts der weiter zunehmenden Spannungen am Samstag mit Kremlchef Wladimir Putin telefonieren. Die Planungen hierzu wurden von allen Beteiligten bestätigt. Macron hatte zuletzt mehrfach mit Putin telefoniert. Am Montag war er zu Gesprächen nach Moskau gereist. Biden und Putin telefonierten zuletzt Ende Dezember miteinander.

Bereits am Freitag telefonierten die Generalstabschefs der USA und Russlands, Mark Milley und Waleri Gerassimow. Bei dem Gespräch sei es um Sicherheitsthemen gegangen, teilte das US-Verteidigungsministerium mit, ohne nähere Angaben zu machen.

USA schicken zusätzliche Soldaten nach Polen

Die Vereinigten Staaten verlegen rund 3000 weitere Soldaten einer Luftlandedivision von einem Stützpunkt im US-Bundesstaat North Carolina in den NATO-Partnerstaat Polen. Das habe Verteidigungsminister Lloyd Austin auf Geheiß von Präsident Biden angeordnet, hieß es dazu.

Mehrfach stellten der US-Präsident und andere Mitglieder der Regierung allerdings klar, es würden keine US-Soldaten in die Ukraine geschickt. In Europa sind auch außerhalb von Krisenzeiten Zehntausende US-Soldaten stationiert. Aktuell befinden sich dem US-Militär zufolge mehr als 80.000 Soldaten in Europa, darunter etwa 35.000 in Deutschland.

Ukrainekonflikt | Panzerabwehrlenkraketen werden verladen
Ukrainische Soldaten verladen auf dem Boryspil-Flughafen Panzerabwehrlenkraketen, die von den USA geliefert wurden Bild: Efrem Lukatsky/AP/dpa/picture alliance

Russland hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Dies schürt in der Ukraine wie im Westen die Furcht vor einem Großangriff Russlands auf das Nachbarland. Die Regierung in Moskau weist zurück, einen Angriff zu planen und wirft dem Westen vor, russische Sicherheitsinteressen zu missachten. Russland fordert verbindliche Zusicherungen über ein Ende der NATO-Osterweiterung, insbesondere einen Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine in das Militärbündnis. Sowohl die NATO als auch die USA lehnen das ab.

Angesichts der Krisensituation haben nach den USA auch Großbritannien, die Niederlande, Japan, Australien und Neuseeland ihre Landsleute dazu aufgerufen, die Ukraine zu verlassen.

qu/AR (dpa, rtr, afp)