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Westafrika zwischen Diktatur und Demokratie

12. August 2010

Einen neuen Weg der Demokratie haben einige westafrikanische Staaten eingeschlagen. Es sind spannende Experimente mit unterschiedlichen Vorzeichen und ungewissem Ausgang.

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Plakat nach dem Putsch in Niger, französischer Schriftzug: Es lebe die Armee, es lebe die Demokratie
Es lebe die Armee, es lebe die Demokratie - "verkehrte Politik" in WestafrikaBild: AP

Ein gewählter Präsident wandelt sich zum Despoten, das Militär putscht im Namen der Demokratie, und das Volk findet das auch noch gut so - "Politik verkehrt" im westafrikanischen Niger. Hier hat ausgerechnet das Militär die Aufgabe übernommen, über die demokratischen Spielregeln zu wachen. Mitte Februar hatte die Armee Staatschef Mamadou Tandja gestürzt und die ganze Regierung festgesetzt. Dieser Staatsstreich war der vorläufige Höhepunkt einer schweren politischen Krise in Niger. Präsident Tandja hatte das Land heruntergewirtschaftet und wollte sich nach zehn Jahren an der Macht zum Präsidenten auf Lebenszeit machen. Der Kommandant der Putschisten, Major Abdoulkarim Goukoye erklärte: "Wir, die Sicherheitskräfte dieses Landes, haben uns entschlossen, unserer Verantwortung gerecht zu werden, um die politische Situation zu beenden, die Sie alle kennen." Die Verfassung sei ab sofort ausgesetzt, alle Verfassungsorgane würden aufgelöst.

Bevölkerung Nigers auf den Straßen nach dem Putsch
Kurz nach dem Putsch in Niger: Die Bevölkerung glaubt an die demokratische ZukunftBild: AP

Die Militärjunta, die einen "Rat zur Wiederherstellung der Demokratie" und auch eine Übergangsregierung gebildet hat, will die Regierungsgewalt wieder in zivile Hände geben - und zwar durch Wahlen im kommenden Jahr. Man wolle Niger in eine demokratische Zukunft begleiten und die Selbstherrlichkeit der Staatsorgane beenden, erklärt Juntasprecher Salou Djibo. Und weiter: "Wir schwören Ihnen vor Gott und vor der Geschichte, dass kein Soldat und kein Mitglied der Übergangsregierung an einer künftigen Regierung beteiligt sein wird." Ein Versprechen, das sich anderswo in Afrika allzu oft als hohl erwiesen hat. Der Unterschied: In Niger glauben die meisten Menschen daran.

Mit Militäreinsatz zur Demokratíe

Und auch in Guinea glauben die Menschen an eine demokratische Zukunft. Auch dort präsentiert sich das Militär mittlerweile als Feuerwehr der Demokratie. Und das, nachdem es jahrzehntelang eine unrühmliche Rolle gespielt und blutrünstigen Diktatoren die Macht gesichert hat. Mehr als ein Jahr dauerte zuletzt die Schreckensherrschaft von Hauptmann Moussa Dadis Kamara - und sie wurde ausgerechnet von dem Mann beendet, der ihn Ende 2008 an die Macht geputscht hatte: General Sékouba Konaté. Der hohe Militär hat eine historische Chance ergriffen und Kamaras Abwesenheit nach einem Attentatsversuch genutzt, um Guinea den Weg in eine bessere Zukunft zu ebnen. Allerdings ist dieser Wandel vom Saulus zum Paulus auch dem extremen diplomatischen Druck der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich geschuldet. Alle Kräfte des Landes müssten gebündelt werden, um die politische Lage zu beruhigen, fordert Konaté. "Wir bitten die internationalen Partner um Hilfe, damit wir einen Übergangsprozess beginnen können, der für alle transparent und gerecht ist." Denn die Fehler der Vergangenheit dürften sich nicht wiederholen.

Mittlerweile hat Guinea sogar vor Niger das geschafft, was kaum jemand für möglich gehalten hatte: Es hat die ersten freien und fairen Wahlen seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1958 abgehalten. Im Herbst soll eine Stichwahl entscheiden, ob der frühere Regierungschef Cellu Dalein Diallo oder sein Kontrahent Alpha Condé Präsident werden.

Karikatur demokratischer Ambitionen

Präsident der Côte d'Ivoire Laurent Gbagbo in einer halbnahen Aufnahme, gestikulierend
Präsident Laurent Gbagbo regiert die Côte d'Ivoire ohne Bestätigung durch das VolkBild: AP

Sorgenkind ist und bleibt die Elfenbeinküste - das einstige Powerhouse der ganzen Region. Acht Jahre ist es her, dass Westafrikas Kakaoland Nummer Eins in einem Bürgerkrieg in einen muslimischen Norden und einen christlichen Süden auseinanderbrach. Und heute ist die Côte d'Ivoire de facto wirtschaftlich am Ende und noch immer ein geteiltes Land - in dem es jederzeit wieder zu Gewalt kommen kann. Das Lager von Präsident Laurent Gbagbo kontrolliert nach wie vor den Süden, im Norden herrschen die Forces Nouvelles, die ehemaligen Rebellen. Dennoch will Laurent Gbagbo der Präsident aller Ivorer sein. Das Land habe schwere Zeiten hinter sich, musste einen Krieg durchstehen, so Gagbo. Doch die kommenden Wahlen würden dieser langen Krise ein Ende machen.

Aber diese Wahlen werden immer wieder verschoben. Präsident Gbagbo regiert seit 10 Jahren ohne Bestätigung durch das Volk - er hat sich im Übergangszustand eingerichtet, zündelt mit ethnischen Vorurteilen und spielt ebenso auf Zeit wie seine politischen Gegner. Nach vielem Hin und Her könnte es nun Ende Oktober Wahlen geben - auch wenn viele skeptisch sind, ob der Termin eingehalten werden kann. Und der Musiker Kajeem, eine der gewichtigen Stimmen der Jugend, fragt sich, ob Wahlen in diesem Land überhaupt noch mehr sein können, als eine Karikatur demokratischer Ambitionen. "Wahlen hin oder her - wann wird es endlich Arbeit für die jungen Leute geben? Wir haben schließlich Millionen Arbeitslose! Es tun immer alle so, als hätten wir hier nach den Wahlen das Paradies auf Erden." Aber sollten die Menschen denn jubeln, wenn sie die Wahl zwischen Pest und Cholera haben, fragt sich der Musiker. "Wahlen in der Elfenbeinküste sind doch nur so etwas wie ein Knochen, den man dem Volk hinwirft, um es zu beschäftigen, während man die Staatskassen leer räumt."

Autor: Alexander Göbel
Redaktion: Carolin Hebig