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Politik

Werbeverbot für Abtreibungen soll fallen

17. Januar 2022

Ärzte in Deutschland könnten dann öffentlich über verschiedene Möglichkeiten für Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis informieren - ohne Strafen fürchten zu müssen.

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Berlin | Frauen demonstrieren vor dem Bundesrat gegen Paragraphen 219a
Frauen demonstrieren im September vor dem Bundesrat in Berlin gegen den Paragrafen 219aBild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will das Werbeverbot für Abtreibungen in Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs abschaffen. Er präsentierte einen Referentenwurf für eine ersatzlose Streichung der Vorschrift. Damit wolle die Ampelkoalition einen "unhaltbaren Rechtszustand beenden", sagte der Minister.

Der Paragraf 219a sei nicht Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Lebensschutzkonzepts. Er könne Frauen sogar daran hindern, im Zeitraum der ersten zwölf Schwangerschaftswochen eine verantwortungsvolle Entscheidung über die Fortführung oder Beendigung der Schwangerschaft zu treffen, weil ihnen dazu wichtige Informationen fehlten.

Buschmann: "Anstößige Werbung ausgeschlossen"

Vor ihrer schwierigen Gewissensentscheidung suchten die Betroffenen auch im Internet nach Rat. Derzeit müssten jedoch Ärzte, die etwa auf einer Website sachlich über ihre Arbeit und mögliche Methoden informierten, mit strafrechtlichen Ermittlungen und Verurteilungen rechnen. Auch nach der geplanten Gesetzesänderung bleibe anstößige oder anpreisende Werbung ausgeschlossen. Dies stelle schon das ärztliche Standesrecht sicher, so Buschmann.

Das Werbeverbot für Abtreibungen in Paragraf 219a untersagt das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen, um damit finanzielle Vorteile zu erzielen oder wenn dies in grob anstößiger Weise geschieht. Damit soll auch sichergestellt werden, dass Abtreibung nicht als normale Dienstleistung angesehen wird. Schwangerschaftsabbruch steht nach § 218 an sich unter Strafe, bleibt jedoch innerhalb bestimmter Fristen straffrei: wenn die Frau eine Beratung nachweist, ebenso wenn andernfalls ihre Gesundheit gefährdet ist oder die Schwangerschaft auf einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung beruht.

Wiese: "Relikt aus der Kaiserzeit"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf Twitter, es handele sich um eine "überfällige Modernisierung". SPD-Fraktions-Vize Dirk Wiese nannte den Paragrafen 219a ein "Relikt aus der Kaiserzeit ". Nach den Worten von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) zeigt der Entwurf, "dass dieser Bundesregierung die Unterstützung von Frauen in Notlagen ein zentrales Anliegen ist." Auch die Linkspartei begrüßte den Schritt und forderte darüber hinaus, den Abtreibungsparagrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

Pressestatement von Justizminister Marco Buschmann
"Unhaltbaren Rechtszustand beenden": Bundesjustizminister Marco BuschmannBild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

Die familienpolitische Sprecherin der Union, Silvia Breher (CDU), warnte dagegen vor einer "Verharmlosung von Schwangerschaftsabbrüchen". Es gehe um einen existenziellen Abwägungsprozess, "sich über ein Leben mit oder ohne das Kind Gedanken zu machen, und es gehört ebenfalls dazu, sich bewusst zu werden, dass das Kind ein Mensch ist, der auch leben möchte", sagte Breher der "Welt".

Winkelmeier-Becker: "Mindestmaß an Schutz wohl unterschritten"

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker betonte: "Es geht um das Selbstbestimmungsrecht der Mutter, aber eben auch um das Leben des ungeborenen Kindes". Sie verteidigte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" den gültigen Kompromiss, auf den sich SPD und Union 2019 geeinigt hatten. Zugleich äußerte sie Zweifel, ob die Streichung des Paragrafen 219a mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Mit den geplanten Änderungen "wäre das Mindestmaß an Schutz, das das Bundesverfassungsgericht verlangt, wohl unterschritten", so die CDU-Abgeordnete.

Kritisch sah Winkelmeier-Becker auch Überlegungen innerhalb der Ampelparteien, den Schwangerschaftsabbruch ganz aus dem Strafgesetzbuch herauszunehmen. Buschmann müsse für diesen Fall darlegen, "wie er auf anderem Weg der staatlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben Rechnung tragen" wolle. Der Minister kündigte an, eine Kommission werde weitere Gesetzesänderungen, auch zu Fragen der reproduktiven Medizin, vorbereiten.

SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass "Ärztinnen und Ärzte in Zukunft öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können sollen, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen". Die Ampel-Parteien hielten darin außerdem fest: "Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören (sic!) zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung."

jj/uh (dpa, afp, epd, kna)