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Wehe, wenn zu früh

Dörthe Keilholz24. Oktober 2008

Cineasten in Deutschland müssen noch bis Anfang November warten bis Oliver Stones Filmbiographie "W." in die Kinos kommt. In den USA läuft der Film bereits.

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Bild: DW

Erfolg oder Misserfolg eines Kinofilms hängt oft stark davon ab ob ein Thema den Nerv der Zeit trifft. Eine Filmsatire über George W. Bush hört sich daher eigentlich nach einem todsicheren Erfolgsrezept an, bedenkt man, dass kaum eine andere politische Figur weltweit so leidenschaftlich gehasst und verspottet wird, wie der noch amtierende US-Präsident. An potentiellen Kinogängern würde es also nicht mangeln.

Umso erstaunlicher, dass Oliver Stones Filmbiographie über Bush Junior in amerikanischen Kinos floppte. In punkto Einspielquoten schaffte "W." es auf der nationalen Rangliste gerade mal auf Platz vier. "Eine schludrige, überzeichnete Karikatur mit unausgewogenen Dialogen" schrieb die Washington Post. Filmkritiker der New York Times verzweifelten über der Frage "Was will der Autor uns eigentlich sagen?"

Präsident mit Ödipuskomplex und Politik als Performance

Erste Szene: Ein George W. Bush mittleren Alters steht auf einem Baseball-Feld. Auf seinem T-Shirt die Nummer 43. Aus einem Lautsprecher erklingt die Ansage: "Begrüßen Sie den 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten." Tosender Applaus ertönt. Im gleißenden Licht der Stadionscheinwerfer öffnet W. seine Arme und blickt - in ein leeres Stadium.

Das Eröffnungsszenario ist Programm für den Rest des Films: Politik als Performance und ein George W. Bush getrieben vom Wunsch nach Anerkennung und Liebe - vor allem von seinem übermächtigen Vater Bush Senior, "Poppy" wie er im Film von seinen Söhnen liebevoll genannt wird.

Unangefochtene Höhepunkte des Films sind die satirisch bis bitterbösen Gespräche zwischen Bush und seinem Beraterteam. Richard Dreyfuss spielt nicht nur Dick Cheney, Dreyfuss ist Cheney. Thandie Newton imitiert perfekt Condolezza Rices verkniffenes Lächeln und Josh Brolin zwinkert - ganz Bush – fleißig der Zuschauermenge zu während er über die Achse des Bösen schwadroniert.

Zwischen Biographie und Lach- und Schießgesellschaft

Alles hätte so schön sein können wenn Stone bei der Satire geblieben wäre. Stattdessen verliert "W." sich zwischen Präsidentenporträt mit Authentizitätsanspruch und Szenen à la Lach- und Schießgesellschaft.

Während es Stone in seinen früheren Nixon und John F. Kennedy Filmportraits gelingt, tiefe Einblicke in die Psyche amerikanischer Präsidenten zu gewähren, bleibt Bush Junior eindimensional. Die Darstellung eines dümmlichen George W. Bush der mit Cowboystiefeln und breitem texanischem Akzent durch das Weiße Haus fegt, getrieben vom ödipalen Komplex, ist weder neu noch zeitgemäß.

Vielleicht kommt Stones Film auch einfach nur zu früh. In "Nixon" und "JFK" blickt der Regisseur zurück auf die amerikanische Geschichte, fühlt ihr auf den Zahn und bewertet sie neu. Genau das, macht beide Filme so spannend. "W." ist der Versuch "history in the making" zu bewerten, aktuelles politische Zeitgeschichte also, und man vermisst dabei den nötigen Weitblick, den der zeitliche Abstand oft mit sich bringt. Ein Film über George W. Bush? Eine hervorragende Idee – in 10 oder 15 Jahren.