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Politik

Wer steht auf "Feindesliste" der Rechten?

31. Juli 2018

Rund 25.000 Namen und Adressen von politischen Gegnern sollen Rechtsextreme gespeichert haben. Muss die Polizei die Betroffenen informieren? Fragen an Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz.

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Deutschland Rechtsextremismus - Asylfeindliche Aufmärsche in Brandenburg
Bild: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Bei Razzien in der rechtsextremen Szene hat die Polizei Listen mit den Namen und Adressen von 25.000 politischen Gegnern gefunden. Wie aus einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervorgeht, wurden nur drei der betroffenen Personen darüber informiert, dass sie auf der Liste stehen. Daran wird nun Kritik laut. So wirft die stellvertretende Linken-Vorsitzende Martina Renner der Bundesregierung vor, die rechtsterroristische Gefahr zu ignorieren. Anders sei es nicht zu erklären, dass das Bundeskriminalamt von mehreren zehntausend Betroffenen nicht mal eine Handvoll informiere, kritisierte Renner.

Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt Thilo Weichert, Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, welche Ansprüche die Betroffenen haben, wie die Sicherheitsbehörden tatsächlich reagieren müssen und was Gefährdete möglicherweise tun können.

Deutsche Welle: Herr Weichert, welchen Anspruch haben Betroffene zu erfahren, ob sie auf einer der gefundenen Listen geführt werden?

Thilo Weichert: Einen juristischen Anspruch darauf, dass mich die Polizei von sich aus informiert, wenn mein Name im Zusammenhang von Ermittlungen oder auch bei Razzien, bei Durchsuchungen und ähnlichem auftaucht, den gibt es nicht. Es ist so, dass sich die Ermittlungen erst einmal in einem geheimen Bereich abspielen. Wenn sich aus den Ermittlungen aber ergibt, dass jemand gefährdet ist, dann ist es die Aufgabe der Polizei diese Person zu informieren.

Ob hier eine entsprechende Prüfung stattgefunden hat, und ob diese negativ war, scheint sich zum jetzigen Zeitpunkt offenbar nicht sagen zu lassen. Ich befürchte aber wie Frau Renner, dass eine Prüfung, ob die Personen einer Gefahr ausgesetzt sein könnten, gar nicht stattgefunden hat.

Ist das Vorhandensein solcher Listen nicht an sich schon ein Zeichen für eine deutliche Gefährdung?

Datenschützer Thilo Weichert
Bild: picture-alliance/dpa/C.Rehder

Der Umstand, dass auf diesen Listen 25.000 Personen aufgelistet sind, deutet eher darauf hin, dass hier keine konkrete Gefährdung vorlag, zumindest nicht in jedem Fall. Dass man Informationen vom politischen Gegner sammelt, das ist weit verbreitet, das machen auch linke Gruppierungen über Rechtsradikale. Das bedeutet aber noch nicht, dass diese Personen gefährdet sind. Wenn es allerdings zusätzliche Hinweise gibt, etwa Vermerke, die etwa auf einen Angriff oder auf weitere Aktivitäten hinweisen, dann muss die Polizei aktiv werden und die Personen informieren.

Welche juristischen Mittel stehen den Betroffenen zur Verfügung, um eine Auskunft möglicherweise zu erzwingen?

Das Erzwingen einer Auskunft wiederum ist überhaupt kein Problem. Nach dem Datenschutz hat jede Person Anspruch auf Auskunft, über Informationen zur eigenen Person, die in Strafermittlungsakten oder auch in Verfassungsschutzakten gesammelt wurden. Wenn man das noch konkretisieren kann, etwa auf solche jetzt aufgetauchten Feindeslisten, ist es für die Sicherheitsbehörden sehr schwierig, die Auskunft zu verweigern. Also: Der Anspruch auf Auskunft kann direkt gegenüber den Sicherheitsbehörden geltend gemacht werden.

NSU Terroristen - Fahndungsplakat
Auch der NSU hatte rund 10.000 Namen und Adressen von Gegnern gesammeltBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Wie stark muss denn die Bedrohung sein, damit ein Betroffener von der Liste polizeilichen Schutz erhält?

Um polizeilichen Schutz erhalten zu können, muss eine konkrete Gefährdung für die eigene Person bestehen. Die Polizei hat zwar einen gewissen Entscheidungsspielraum, um zu beurteilen, ob eine solche konkrete Gefahr besteht. Aber dort wenn es ein sichtbares Risiko gibt, muss alles Erforderliche getan werden, um dieses Risiko, so gut es geht, zu minimieren. Das Mindeste wäre, die Person zu informieren. Aber das kann natürlich noch viel weitergehen, dass etwa ein Umzug organisiert wird, dass die Wohnung bewacht wird oder die Kinder geschützt werden - das kommt auf den Einzelfall an.

Worauf genau kommt es dabei an?

Darauf, worin die Gefährdung besteht und von wem sie ausgeht. Wenn es also aus der polizeilichen Ermittlungstätigkeit und den Erfahrungen der Sicherheitsbehörden Hinweise gibt, dass eine Gruppierung ihre Androhungen auch umsetzt, dann muss die Polizei aktiv werden.

Themar Rechtsrock Festival „Tage der nationalen Bewegung“
Protest gegen ein Rechtsrock-Festival in Themar: Konkrete Gefahr für Aktivisten?Bild: picture-alliance/dpa/FrM

Nun forderte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), alle Medienvertreter, die auf den Listen stehen, zu informieren. Sind Journalisten, die über die rechtsextreme Szene berichten oder auch Aktivisten, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, rechtlich gesehen schon durch ihre Arbeit einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt?

Ob eine Information stattfinden muss, hängt nicht von der Gruppe der betroffenen Personen ab, sondern eben von einer möglichen konkreten Gefahr. Aber aus meiner Sicht sollte die Polizei hier auch mit geringeren Bedrohungsgefahren offen und transparent umgehen. Angesichts der Tatsache, dass man ja gerade die Befugnisse der Polizei auf drohende Gefahren ausweitet und dabei sogar mögliche Grundrechtseingriffe in Kauf nimmt, könnte hier eine Information an die Betroffen mögliche Gefahren minimieren - völlig ohne jedweden Grundrechtseingriff.

Der Jurist und Politologe Dr. Thilo Weichert ist Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e. V. (DVD) und war von 2004 bis Juli 2015 Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein.

Das Interview führte Jeannette Cwienk

DW-Redakteurin Jeannette Cwienk
Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin mit Fokus auf Klima- und Umweltthemen