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Wenn türkische Männer Männer lieben

Cem Rifat Sey5. Januar 2004

Homosexualität ist in der Türkei ein Tabu. In Deutschland können sich dagegen auch türkische Schwule freier bewegen. Allerdings führt gerade die deutsche Sprache zu Problemen.

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Schwule genießen ihre FreiheitBild: AP


Metin war in der Türkei verheiratet. Er hat sich nach nahezu acht Jahren von seiner Ehefrau scheiden lassen, weil sie sich nicht mehr verstanden. Dass er schwul ist, habe dabei keine Rolle gespielt, sagt er. Denn das ist ihm erst in Deutschland bewusst geworden. Er ist einer der türkischstämmigen Homosexuellen in Deutschland, deren Zahl auf bis zu 15.000 eingeschätzt wird.

Rücksicht auf die Familie

Das "Coming-Out", also das öffentliche Bekenntnis zur Homosexualität, stellt für die meisten dieser Menschen das größte Problem dar, sagt Metin. "Ich bin zwar auch aktiv, aber ich gebe mich nicht als Schwuler zu erkennen. Aus familiären Gründen, denn in der türkischen Gesellschaft werden die Schwulen nicht gut angesehen. Für mich ist es kein Problem, aber meine Familie wäre traurig."

Mehr Freiheit in Deutschland

Metin meint, dass deutsche Schwule es besser haben, weil ihre Familien Homosexualität als ein ganz normales Phänomen ansehen. Er schätzt das Leben in Deutschland. Es gebe viel mehr Möglichkeiten für die Homosexuellen, meint er. Denn in der Türkei könne er sich fast nichts von all dem erlauben, was er in Deutschland auslebt.

Teilweise ist es dennoch ein Versteckspiel. Denn auch türkischstämmige Schwule bleiben lieber in der Migrantenszene und der überwiegende Teil der Migranten in Deutschland kommt nicht aus den türkischen Großstädten, wo inzwischen mehr Toleranz gegenüber anderslebenden Menschen zu spüren ist. Sie stammen zumeist aus ländlichen Gebieten Anatoliens, wo Homosexuelle bestenfalls als Kranke angesehen werden.

Kontaktaufnahme im Cyber Space

Wenn auch in den letzten Jahren die Toleranz gegenüber Homosexuellen gestiegen ist, bewegt man sich vorsichtig. Die Kontaktaufnahme ist denoch für türkischstämmige Schwule nicht schwer, meint Metin. Es gäbe mittlerweile Internetseiten, Partys und Zeitungsannoncen.

Lola hat eine dieser Internetseiten gegründet: Die Seite "Delidivane" wurde für viele türkischstämmige Schwule zu einem wichtigen virtuellen Treffpunkt mit deutschen Homosexuellen, aber auch mit denen, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind. Delidivane sei "sehr international", erzählt Lola. Sie selbst ist heterosexuell. Aber sie kommt mit Homosexuellen gut aus, versteht sich mit ihnen und hat keine Berührungsängste.

Anders als auf den meisten schwulen Internetseiten werde auf ihrer Seite nicht mit Sex geworben, sagt sie. Es gehe eben nur um Kontaktvermittlung: "Wir haben keine pornografischen Bilder. Das will ich auch gar nicht haben. Aber das wollen auch die Mitglieder nicht haben. Sie sagen immer: 'Delidivane' muss sauber bleiben."

Kein Deutsch - keine Aufklärung

Auch wenn die Kontaktaufnahme kein Problem ist - es gibt andere Dinge, die besonders türkischstämmige Homosexuelle betreffen: Aids. Gökay, ein Mitarbeiter des AIDS-Hilfe-Projektes "Maasallah" in Essen berichtet, dass die türkischstämmigen Homosexuellen schlecht informiert seien und deshalb die Erkrankungsgefahr bei ihnen viel höher liegt. Das liege hauptsächlich daran, dass die Informationsblätter über Krankheiten auf Deutsch seien. "Auch verheiratete Männer können Sex mit ihren Geschlechtsgenossen bevorzugen. Da sie es aber praktizieren ohne sich des Aids-Risikos bewusst zu sein, ist das Risiko zu erkranken ziemlich hoch."

"Maasallah" würde sich außerdem gerne um die Lesben kümmern, sagt Gökay. Die lassen sich aber selten blicken. Überhaupt zeigen sich lesbische Türkinnen meistens nicht öffentlich. "Viele lesbische Frauen sind verheiratet. Ich glaube, das ist der Grund, warum sie sich verstecken. Wir können die Lesben nicht erreichen. Ich denke, das kommt daher, dass wir in einer Männergesellschaft leben."