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Wenn die Maske fällt: Corona-Partys für VIPs

7. April 2021

Die dritte Corona-Welle rollt. In Frankreich gibt es wieder Ausgangssperren. Doch höchste Kreise scheinen sich nicht unbedingt an Schutzmaßnahmen gebunden zu fühlen.

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Frankreich Paris | Palais Vivienne
Das Palais Vivienne ist Schauplatz des jüngsten Skandals um VIP-Partys in FrankreichBild: Thomas Coex/AFP

Seit Karsamstag gilt in Frankreich die dritte landesweite Ausgangssperre im Kampf gegen Corona: Wer zwischen 19.00 und 6.00 Uhr ohne triftigen Grund und selbst erstellten Passierschein unterwegs ist, riskiert ein Bußgeld von 135 Euro, bei wiederholtem Male wird es noch teurer. Restaurants sind im Land der Haute Cuisine bereits seit fünf Monaten geschlossen.

Mitten in die erneute Verschärfung der Maßnahmen platzt ein Bericht des Fernsehsenders M6, der zeigt, dass manche trotz der Lage weiter schlemmen: Es geht um geheime, exklusive Abendessen jenseits der Corona-Beschränkungen, dokumentiert mit versteckter Kamera und gewürzt mit der Aussage eines im Bericht anonymisierten Organisators, er habe sogar mit "einer gewissen Anzahl von Ministern" diniert.

Hinter dieser Tür "gibt es kein COVID mehr"

In dem Bericht ist zu sehen, wie die Reporterin mit einer zweiten Person, die die versteckte Kamera trägt, ein Gebäude betritt, sich nach dem "Privatklub" erkundigt und schließlich in den Eingangsbereich einer größeren Lokalität geführt wird. Die Stimme eines Portiers ist zu hören: "Leute, die hierher kommen, legen die Maske ab. Sobald Sie durch die Tür gehen, gibt es kein Corona mehr." Dem Bericht zufolge war sogar freiwilliges Maskentragen bei den geheimen Essensveranstaltungen unerwünscht.

Dann sind Aufnahmen aus einem prunkvollen Saal zu sehen, in dem sich bereits einige Leute aufhalten, die Gesichter wurden unkenntlich gemacht. Laut Bericht gab es an diesem Abend zwei Menüs zu Preisen von 160 beziehungsweise 490 Euro - dafür muss man schon einiges auftafeln.

#WirWollenDieNamen

Dass Angehörige der französischen Oberschicht sich offenbar bei Champagner, Foie Gras und Langusten amüsierten, während die Intensivstationen des gesamten Großraums Paris angesichts vieler schwer an COVID-19 Erkrankter  an ihre Belastungsgrenzen stoßen, wäre schon Skandal genug. Doch waren tatsächlich auch Minister anwesend? Viele Französinnen und Franzosen wollten es genauer wissen. Unter dem Hashtag #OnVeutLesNoms ("Wir wollen die Namen") wurden allein am Osterwochenende mehr als 100.000 Nachrichten in den Sozialen Medien abgesetzt.

Bislang ist indes nicht vollends sicher, ob tatsächlich Mitglieder des von Präsident Emmanuel Macron ernannten Kabinetts anwesend waren: Die Identität des von M6 anonym zitierten Organisators hingegen wurde rasch bekannt: Es war offenbar Pierre-Jean Chalençon. Er besitzt das hochherrschaftliche Palais Vivienne im zentral gelegenen 2. Pariser Arrondissement - in dem dem Augenschein nach auch die heimliche Party aus dem M6-Bericht stieg.

Pierre-Jean Chalençon im Palais Vivienne in Paris (13,10.2014)
Palais Vivienne-Besitzer Chalençon in Vor-Corona-Zeiten (2014)Bild: Damien Grenon/Photo12/imago images

Chalençon distanzierte sich über seinen Anwalt von der Aussage, es seien Minister beteiligt gewesen. In einem Interview sprach er schließlich von einem "enormen Aprilscherz".

Kaviar und Champagner

Die Geheimhaltungsmaßnahmen bei den diskreten Diners waren jedoch nicht allzu ausgefeilt - oder die Teilnehmer zu eitel, um zu schweigen: Der Starkoch Christophe Leroy postete bereits im Februar auf Instagram ein Foto aus dem Palais Vivienne, das ihn eng beisammen mit Chalençon und mehreren Gästen zeigt. Maske tragen darauf nur die beiden Kellner im Hintergrund. Im Netz kursieren auch noch Screenshots eines mittlerweile gelöschten Posts, in dem Leroy offenbar zum 1. April zu Kaviar und Champagner ins Palais Vivienne einlädt, darunter noch eine Mailadresse für Reservierungen.

Jetzt wird ermittelt

Der Pariser Staatsanwalt Remy Heitz kündigte am Ostersonntag Ermittlungen an, um herauszufinden, "ob diese Abende unter Missachtung der Gesundheitsregeln organisiert wurden und um die mutmaßlichen Organisatoren und Teilnehmenden zu ermitteln".

Paris Pierre-Jean Chalençon bei der Beerdigung eines an COVID-19 gestorbenen Schauspielers in Paris (09.02.2021)
High-Society-Größe Chalençon bei der Beerdigung eines an COVID-19 gestorbenen Schauspielers in Paris (im Februar)Bild: Jerome Domine/abaca/picture alliance

In einer älteren Aufnahme bezichtigte Chalençon den aufstrebenden Regierungssprecher Gabriel Attal, an einem Dinner teilgenommen zu haben - was dieser zurückwies. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire versicherte, alle Kabinettsmitglieder hielten sich an die Regeln. Und Vize-Justizministerin Marlene Schippa schickte voraus, falls Minister oder Abgeordnete teilgenommen hätten, sollten sie "genauso bestraft werden wie jeder andere Bürger".

Corona-Partys gibt es nicht nur im Palais Vivienne

Zu Verstößen gegen Corona-Auflagen kommt es in Frankreich, wie überall sonst, wo strenge Auflagen bis in den privaten Bereich Infektionen verhindern sollen, immer wieder - so hatte eine illegale Silvesterparty in der Bretagne mit 2500 Teilnehmenden Aufsehen erregt, oder der Fall eines Restaurantinhabers in Nizza, der sich der landesweiten Schließung einfach widersetzt und Gäste bewirtet hatte.

Tatsächlich wurden auch schon Politiker in flagranti beim fröhlichen Brechen der Corona-Auflagen erwischt. Der Ungar Jozsef Szajer gab sein Mandat im Europa-Parlament zurück, nachdem er an einer illegalen Party teilgenommen hatte, die belgische Medien eine "Orgie" nannten. Die Polizei hatte ihn nach einem Fluchtversuch über die Regenrinne aufgegriffen.

Drei Beispiele aus Deutschland

Für mehrere deutsche Politiker blieben ausgelassene und maskenlose Feiern indes folgenlos: Der hessische CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch behielt sein Bundestagsmandat, obwohl ein Video aufgetaucht war von der nicht Corona-konformen Feier zu seinem 60. Geburtstag Ende Februar. Darin sind mindestens zwölf Menschen zu sehen, die beim Feiern und Singen in seiner Privatwohnung erkennbar keinen Wert auf Abstand, Schutzmasken oder sonstige Maßnahmen legen.

Deutschland Bundestag | Klaus-Peter Willsch - CDU
Bundestagsabgeordneter WillschBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Und der Brandenburger Daniel Freiherr von Lützow sitzt trotz einer Party und anschließenden Ermittlungen weiter für die in Teilen rechtsextreme AfD im Potsdamer Landtag: Als die Polizei wegen Ruhestörung eine nicht mit den Corona-Regeln kompatible Party auflösen wollte, soll von Lützow den Beamten gedroht haben, "jeden allezumachen" - inzwischen hat die Polizei Cottbus ihre Ermittlungen wegen Nötigung und Bedrohung von Polizeibeamten an die zuständige Staatsanwaltschaft übergeben.

Ebenfalls pikant ist ein Abendessen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Ende Oktober. Berichten zufolge soll daran etwa ein Dutzend Unternehmer teilgenommen haben, was damals gerade noch erlaubt war. Demnach sollen an dem Abend Parteispenden in Höhe von 9999 Euro vereinbart worden sein - wäre es nur ein Euro mehr gewesen, hätten Spahns Christdemokraten die Namen der Spender veröffentlichen müssen. Die CDU und ihre Schwesterpartei CSU stehen derzeit wegen anderer Lobbyismusaffären und möglichen Korruptionsskandalen in der Kritik. Laut Spahn hielten sich die Teilnehmer des Spendendinners an die Corona-Regeln. Dennoch wurde ausgerechnet der Gesundheitsminister selbst einen Tag später positiv auf Sars-CoV-2 getestet.