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Wenn der Handelssaal nur noch Kulisse ist

Mischa Ehrhardt Frankfurt am Main
20. November 2017

Der Aktienhandel läuft heutzutage weitgehend über Computer. Die wichtigste deutsche Plattform ist dabei das von der Deutschen Börse betriebene Xetra-Handelssystem. Vor genau 20 Jahren hat es seine Feuertaufe bestanden.

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Deutschland 20 Jahre Xetra-Handel an der Frankfurter Börse
Bild: imago/imagebroker

Der Börsensaal in Frankfurt glich einmal einem in Aufregung geratene Ameisenhaufen: Hunderte Händler, Analysten und Mitarbeiter der Handelshäuser riefen sich Kurse zu, erhielten über Telefone Aufträge, die sie dann in dem Gewusel umsetzen mussten. Das war vor 30 Jahren, als  analoge Leitungen die Geschwindigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft drosselten.

An der Börse war man schon etwas weiter. 1990 führte man dort eine erste Version des elektronischen Handels ein. Und mit der Einführung des elektronischen Handelssystems namens Xetra 1997 geschah dann nochmal ein Quantensprung - in der Folge leerte sich  der Handelssaal rapide. "Wenn Sie damals in den Handelssaal geschaut haben, waren dort noch 1000 bis 1200 Personen zu Gange. Heute sind es vielleicht noch 50", sagt Fidel Helmer, der jahrzehntelang an der Börse Aktien gehandelt hat - zuletzt für das private Bankhaus Hauck & Aufhäuser in Frankfurt.

Black Monday 19. Oktober 1987 New York
Deal!! Aktienhändler an der Wall Street in New York im Jahr 1987Bild: MARIA R. BASTONE/AFP/Getty Images

Start mit 109 Werten

Zum Start vor 20 Jahren waren auf dem neuen System genau 109 Aktien handelbar. Es waren die Dax-Werte, die M-Dax-Werte, deren Stamm- und Vorzugsaktien und Papiere von ProSieben. Die bildeten eine Ausnahme, weil ProSieben als erster deutscher Fernsehsender im Jahr 1997 an die Börse ging. Die Nachfrage beziehungsweise der Handel dieser Aktien war äußerst rege - und deswegen hatten sich die Xetra-Pioniere auf diese Ausnahme geeinigt.

Xetra folgte 1997 auf das ältere elektronische Handelssystem IBIS. Heute hat sich Xetra unumstritten in Deutschland durchgesetzt: Über das Computerhandelssystem läuft rund 90 Prozent des Börsenhandels hierzulande. Mit rund 2500 quasi jederzeit handelbaren Wertpapieren werden auf Xetra jeden Tag rund fünf Milliarden Euro umgesetzt. Und das praktisch geräuschlos.

Weniger Lärm, mehr Transparenz

Geräuschlos ist es allerdings auch auf dem Börsenparkett in Frankfurt geworden. Die Händler hinter den Handelsschranken reden gedämpft, es flüstern vor allem die Computer, es flimmern die Bildschirme. Das Gewusel hat sich in Glasfaserleitungen zurückgezogen. Für Menschen, die mit Wertpapieren handeln, hat das das Leben in vielerlei Hinsicht vereinfacht: "Wir haben heute drei entscheidende Vorteile", sagt etwa der für den Handel verantwortliche Vorstand der Baader Bank, Rüdiger Wolf. "Die Transparenz ist viel besser geworden, das Volumen des Handels ist extrem gestiegen und der Handel ist verdammt schnell geworden." Das wiederum, so ergänzt er, komme letztlich den Kunden zu Gute, also den Investoren, in deren Auftrag die Banken an der Börse handeln.

Und die müssen in Zeiten weltumspannender Kommunikationsnetze auch nicht mehr in der Nähe der Börse sitzen. Internationale Teilnehmer können problemlos ihre Deals in Frankfurt abwickeln. "Das war klar auch eine Öffnung nach Europa und eine Öffnung gegenüber anderen Märkten und Marktteilnehmern weltweit", sagt Heinz-Jürgen Schäfer, der damals Vorsitzende des Arbeitskreises Xetra.

Deutschland 20 Jahre Xetra-Handel an der Frankfurter Börse
Klick. Deal. Händler im Saal der Börse in Frankfurt am MainBild: imago/Xinhua

Start mit Buzzer - Feier mit Torte

Zu diesem Zeitpunkt vor 20 Jahren war Susanne Klöß, heute im Vorstand der Postbank, noch für die Systementwicklung von Xetra zuständig. Drei Jahre hatten sie und ihr Team geplant, um die computerbasierte Handelsplattform auf die Beine zu stellen. Dabei mussten sie einige Stolpersteine aus dem Weg räumen. Beispielsweise das Problem, wie das System in schwierigen Handelssituationen reagiert. Das war die Geburtsstunde der "Unterbrechung des Handels" für den Fall, dass die Kurse verrückt spielen - die so genannte Volatility Interrruption. Und die haben mittlerweile auch Eingang gefunden in Richtlinien zur Regulierung der Finanzmärkte.

Schließlich wurden Klöß und ihr Team pünktlich mit allem fertig: Am 20. November 1997 verlief der erste Probelauf, die erste Simulation von Xetra reibungslos. Nur ein Problem trat auf: Es war schwierig, den Start des Computersystems medienwirksam zu verkaufen. "Wir haben dann auf die Schnelle noch einen Buzzer besorgt", erinnert sich Klöß. "Auf den haben wir dann unsere Hände gelegt und damit den Startschuss gegeben. Nur: Da lief das System längst - es musste ja schon vor dem Start reibungslos funktionieren."

Das ist auch 20 Jahre später nicht anders. Zur Feier des Geburtstages des Computersystems gab es Torte für die Anwesenden im Börsensaal. Xetra erledigte währenddessen ziemlich unbeeindruckt im Hintergrund seine Rechenaufgaben.