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Weniger Flüchtlinge, weiter viel zu tun

Kay-Alexander Scholz, Berlin8. April 2016

Was beschreibt die Flüchtlingskrise? Da sind die Herausforderungen bei ankommenden Flüchtlingen und die Bearbeitung der Asylanträge. Für beides gilt in Deutschland derzeit: Entspannung, aber keine Entwarnung.

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Flüchtlinge in der Nähe von Idomeni (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/A. Avramidis

Mit insgesamt 5000 Flüchtlingen kamen im März vergleichsweise wenige Menschen nach Deutschland - circa 200 pro Tag. Das sind die neuesten Zahlen, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Berlin bekannt gab. Noch im Januar waren es mehr als 2000 Personen - täglich.

Der Rückgang sei ganz wesentlich auf das Schließen der Balkanroute zurückzuführen, sagte der Minister. Damit gestand er offen ein, von nationalen Maßnahmen, die Deutschland immer abgelehnt hatte, zu profitieren. Doch der Streit mit Österreich und den Westbalkanländer sei nun erledigt, so de Maizière. Der Grund: Mit dem EU-Türkei-Pakt, der Sicherung der Außengrenzen und dem europäischen Herangehen, gebe es nun eine nachhaltige Reduzierung.

Nach dieser Lesart hat sich Deutschland doch durchgesetzt. Beim deutsch-französischen Ministertreffen am Donnerstag hatte Angela Merkel noch einmal betont, dass es um den Schutz der Außengrenzen gehen müsse im Gegensatz zu nationalen Grenzschließungen.

Keine Jahresprognose

Doch nur eine Route ist derzeit sozusagen "geschlossen". In Libyen warten womöglich Hunderttausende neue Flüchtlinge - vor allem aus afrikanischen Ländern - auf eine Überfahrt nach Europa. Die Schlepperbanden seien bereits "voll in Aktion", wurde am Freitag Entwicklungsminister Gerd Müller zitiert.

Anfang der Woche wurde auf einer Fachtagung zur Flüchtlingspolitik der Bundesakademie für Flüchtlingspolitik eine nicht-offizielle Karte herumgereicht, auf der zwei Dutzend neue Fluchtrouten nach Europa aufgemalt waren. Vor diesem Hintergrund wollte der Innenminister keine Jahresprognose abgeben, weil das nicht seriös wäre.

Fleißige Beamte

Noch immer sind Hundertausende Flüchtlinge in Deutschland, die von den Behörden noch "bearbeitet" werden müssen. Zwei Kennzahlen geben Auskunft darüber, wie es damit vorangeht. Zum einen das sogenannte Easy-System, in dem Flüchtlinge registriert werden, zum anderen die Zahl der Asylanträge. Für Letzteres ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Die Behörde wurde in den letzten Monaten massiv aufgestockt und teilweise mit Hilfe externer Berater neu organisiert. Im Ergebnis hat sich die Zahl der Asyl-Entscheidungen im ersten Quartal 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum verdreifacht, gab BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise bekannt. Zwei Drittel davon dürfen bleiben, sie bekamen einen positiven Asylbescheid.

Trotz Gesetz: Noch immer Asylsuchende aus dem West-Balkan

Erstmals waren darunter wohl auch Flüchtlinge, die seit Anfang des Jahres nach Deutschland gekommen sind. Denn über das gesamte Land verteilt wurden sogenannte Ankunftszentren eingerichtet, in denen alles viel schneller als sonst geht. Im Schnitt innerhalb einer Woche werden hier einfache Fälle abgearbeitet. Also Menschen aus Syrien zum Beispiel, die bleiben dürfen, oder Menschen aus den West-Balkanländern, die wenige Chancen auf Asyl in Deutschland haben.

Für letztere Gruppe hatte die Bundesregierung die Gesetzte geändert. Das entfalte nun Wirkung, wie der Bundesinnenminister betonte. Im ersten Quartal sank die Zahl der Asylanträge beispielsweise aus Albanien von rund 6500 auf 3600 Anträge und von Serben von 9000 auf 2600. Doch, so betonte de Maizière, müssten die Zahlen noch weiter runtergehen.

Bald noch mehr "sichere Herkunftsländer"?

Tunesien, Algerien und Marokko tauchen in der aktuellen Asylstatistik unter den Top-10-Ländern nicht auf. Die drei nordafrikanischen Länder sollen ebenfalls zu "sicheren Herkunftsländern" erklärt werden, infolgedessen die Aussicht auf Asyl sehr gering wäre. Noch aber ist das Gesetz in der parlamentarischen Abstimmung. Dennoch ist bekannt, dass viele Menschen dieser Staaten in Deutschland sind. Sie hatten nur noch keine Gelegenheit, einen Asylantrag zu stellen. Denn um einen Termin bei der Behörde zu bekommen, kann es Monate dauern.

Bessere Registrierung

Fast 2000 Flüchtlinge wurden im ersten Quartal pro Tag im zentralen Easy-System neu registriert. Das sind viel mehr Fälle, als Flüchtlinge neu nach Deutschland gekommen sind. Die Erklärung für diese Differenz ist das sogenannte Easy-Gap: Viele tausende Flüchtlinge haben sich in Deutschland noch gar nicht offiziell gemeldet. Diese Lücke wird nun aber kleiner. Das zeigt zum einen die höhere Zahl von Easy-Zugängen im Vergleich zu Flüchtlingen. Zum anderen aber sind die Zahlen auch im Jahresvergleich um rund 70 Prozent gestiegen.

Wie hoch ist die "Dunkelziffer"?

Dennoch leben in Deutschland immer noch viele Flüchtlinge illegal. Wie viele das sind, wollte der Bundesinnenminister nicht beziffern. Aus Ministerienkreisen wird die Zahl von 350.000 bis 500.000 als Dunkelziffer genannt. Schätzungen zufolge seien darunter auch ein Prozent sogenannte "Gefährder", also potentielle Terroristen. Nicht nur diese Personengruppe habe deshalb wenig Interesse daran, sich registrieren zu lassen. Auch Menschen mit geringer Bleibeperspektive, weil sie zum Beispiel aus sicheren Herkunftsländern kommen, seien darunter. Sie würden eine Abschiebung fürchten und stattdessen deshalb lieber bei Verwandten unterkommen oder auch einer Schwarzarbeiten. Allein das Bundesland Bayern führt deshalb gezielte Personenkontrollen zum Beispiel an Bahnhöfen durch.