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"Wem gehören die Bambara-Statuen?"

9. März 2010

Nur mit Drogen und Waffen lässt sich mehr Geld verdienen als mit geraubter Kunst. Vor allem private Sammler, aber auch Auktionshäuser und selbst manche Museen interessieren sich nur wenig für die Herkunft der Ware.

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Das Nationalmuseum von Mali in BamakoBild: DW

Das Phänomen ist nicht neu. Schon in der Kolonialzeit wurde Afrika geplündert. Einige Länder fordern inzwischen die Rückgabe der verschleppten Werke. Andere, wie Mali in Westafrika, streben einen fairen Dialog zwischen dem Norden und dem Süden an. Denn die Probleme sind offensichtlich. Das zeigt sich auch auf dem Flughafen von Bamako, Malis Hauptstadt.

Eine Kiste voller Kunst

Mali Kunstmarkt
Auf dem Markt von N'Golonina in Bamako werden auch Antiquitäten verkauft.Bild: DW

Zollinspektor Karim Djakité soll eine Kiste kontrollieren – gefüllt mit 25 Kunstobjekten aus allen Regionen Malis. Geplanter Bestimmungsort: Frankreich. Der 52-jährige Inspektor ist extra für diese Aufgabe geschult worden: Kein archäologisches Objekt, kein Kulturgut darf ohne Genehmigung das Land verlassen. Bevor die Kiste kontrolliert wird, musste sich der Besitzer eine Genehmigung beim Nationalmuseum holen. "Masken, Statuen oder Töpfe dürfen Mali erst verlassen, nachdem sie sich einer Begutachtung durch Experten des Museums unterzogen haben", erzählt Inspektor Djakité. "Wir bekommen Fotos von den untersuchten Objekten. Alles muss vom Museumsleiter beglaubigt sein."

Was alt ist, ist verdächtig

Souvenirs dürfe man natürlich mitnehmen, erklärt Zollinspektor Djakité, Kopien ebenfalls. Aber alles, was alt aussieht, kann an der Grenze gestoppt werden. Die Mitnahme von archäologischen Funden ist streng verboten. Auch die Ausfuhr von Objekten aus den Dörfern, selbst wenn sie nur 25 Jahre alt sind, kann untersagt werden. Das letzte Wort in Sachen Exportgenehmigung hat Samuel Sidibé, der Leiter des Nationalmuseums: "Kunstraub ist ein altes Phänomen. Es hat mit der Kolonialgeschichte zu tun, aber es ist auch ein Riesengeschäft." Leider hätte sich das Problem in einer Zeit entwickelt, in der die afrikanischen Staaten keine Gesetze hatten, um sich zu schützen und erst Recht keine Institutionen, um ihr Kulturgut zu zu bewahren.

Mehr als nur Gesten sind nötig

Das Nationalmuseum in Bamako, das Samuel Sidibé leitet, ist eine solche Institution. Mali ist eines der ganz wenigen Länder südlich der Sahara, das über ein modernes Kunstmuseum verfügt. Frankreich hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Geld in diese Kunststätte investiert. Doch das "ist nicht mehr als eine kleine Geste von einer ehemaligen Kolonialmacht", kritisiert Aminata Traoré.

Die Globalisierungskritikerin weiß, dass sich Millionen von Kunstgegenständen aus Afrika in den Völkerkundemuseen Nordamerikas und Europas stapeln - gerade in Frankreich: "Diese Kunstobjekte stellen den Reichtum unserer Länder dar. Das waren zum Teil heilige Objekte. Die Fundamente unserer Kultur wurden dadurch zerstört oder entführt." Was Aminata Traoré besonders aufregt: "Unsere Kunst wurde oft als archaisch diffamiert. Aber diejenigen, die sie verschleppt haben, wollen sie schön für sich behalten."

Masken üben Masken

Mali Sidibé
Kämpfer gegen den Kunstraub : Samuel Sidibé, Leiter des NationalmuseumsBild: DW

Am Flughafen von Bamako untersucht Kapitän Djakité weiter die Objekte aus der für Frankreich bestimmten Holzkiste. Da ist eine Maske, die für einen Hochzeitstanz vom Volk der Dogon aus dem Norden des Landes benutzt wird. Er findet auch viele Bambara-Masken, die ursprünglich für Initiationsriten geschnitzt wurden. Doch es ist alles in Ordnung. Es handelt sich tatsächlich um die genehmigten Objekte. Der Transport darf wie geplant stattfinden.

Karim Djakité hat im Durchschnitt eine solche Kiste pro Monat zu kontrollieren. Die Akribie, mit der er sich seinen Aufgaben widmet, ist schon eine Ausnahme in Mali. 80 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten. Und das Thema Kulturerbe gehört nicht zu den Prioritäten der Malier, das weiß auch Museumsdirektor Samuel Sidibé: "Wir müssen noch viel tun, damit unsere Bevölkerung versteht, wie wichtig unser Kulturerbe ist."

Das Problem sei die hohe Analphabetenquote, hinzu käme in Mali aber auch die Religion: "Der Islam hat unsere Kunstobjekte lange Zeit für unwichtig - gar für verrufen - gehalten. Wir müssen also erklären, dass die ausgestellten Masken oder Fetische keine religiösen Objekte mehr sind, sondern Kulturgut." Die Menschen müssten endlich begreifen, dass die Kulturgüter Zeugnisse ihrer Geschichte seien.

Forderungen nach Rückgabe

Das ist auch die Meinung von Aminata Traoré. Sie weist auf internationale Verträge u.a. von der UNESCO hin, die die "Wiederherstellung der sozialen und kulturellen Identität" der ehemaligen Kolonialvölker und die Bedeutung der Rückgabe des Kulturgutes betonen. "Das Recht, die Naturressourcen und die Kulturgüter des Südens zu plündern, hat sich der Norden einfach so genommen. Aber Vorsicht, es wird nicht mehr so ohne weiteres weitergehen." Immer mehr Länder fordern die Rückgabe ihrer geraubten Schätze. Ihre Hoffnung: "Dass es bald gute Gesetze und vor allem gute Juristen geben wird, die einfach die richtigen Argumente haben, damit die Kulturgüter zurück in ihre Heimat geschickt werden."

Oder Kooperation?

Die ehemaligen Kolonialmächte sehen sich hingegen oftmals als Bewahrer von Kulturgütern, die in Afrika längst verrottet und zerstört worden wären. "Die Welt hat sich aber geändert", sagt Samuel Sidibé. Er hofft, dass sich die Museen für außereuropäische Kunst und Kultur als Diskussionsforen verstehen und setzt auf mehr Austausch: "Die Rückgabe ist ein heikles Thema. Es ist so kompliziert, das kann niemals funktionieren." Vielmehr müsste man einen richtigen Plan entwerfen, damit der Norden dem Süden dabei hilft, bessere Museen vor Ort zu bauen. "Damit ein Dialog, eine Kooperation zwischen den Kulturschaffenden entsteht."

Zum Beispiel in Form von Wanderausstellungen, interkulturellen Events, die dafür sorgen, dass afrikanische Kunst auf Reisen geht – auch zurück nach Afrika, selbst wenn es nur provisorisch wäre. Doch dazu müsste man zunächst einmal die Wichtigkeit von Museen auf dem afrikanischen Kontinent anerkennen und sie finanziell unterstützen.

Autorin: Carine Debrabandère

Redaktion: Stefanie Duckstein/Dirk Bathe