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Klimanotstand: Was heißt das eigentlich?

9. Juli 2019

Nun auch Paris und Köln: Weltweit erklären immer mehr Städte den Klimanotstand; angespornt von der Fridays-for-Future-Bewegung kamen in den vergangenen Wochen fast täglich neue dazu. Symbol-Politik oder echter Aufbruch?

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Fridays For Future Konstanz Demo (Foto: FridaysForFutureKonstanz)
Bild: FridaysForFutureKonstanz

Vorreiter waren Städte in Australien (2016), in den USA (2017), Kanada und Großbritannien (2018), seit 2019 hat die Bewegung auch Europa erreicht: Die nationalen Parlamente von Großbritannien, Irland, Frankreich und Portugal haben inzwischen auch den Klimanotstand ausgerufen. 

In Deutschland war Konstanz die erste Stadt, die Anfang Mai den Klimanotstand verkündete. Es folgten bis Anfang Juli über 45 Städte und Kommunen, darunter Großstädte wie Düsseldorf, Münster, Aachen, Bonn, Kiel und Saarbücken, die dem Vorbild Konstanz folgten. Laut einer Übersicht vom Klimabündnis Hamm wollen in den kommenden Wochen mehr als 100 Kommunalparlamente über entsprechende Klimanotstands-Anträge diskutieren und abstimmen.

USA Demonstration & Protest für Klimanotstand in New York City
Demo für Ausrufung des Klimanotstands in New York - im Juni beschloss die Stadt den NotstandBild: picture-alliance/Pacific Press/E. McGregor

Nach Angaben des Klimanetzwerks "Climate Emergency Declaration and Mobilisation in Action" (CEDAMIA) haben inzwischen weltweit über 700 Städte den Klimanotstand erklärt.

Fridays-for-Future-Proteste geben Anstoß 

In Konstanz kam der Impuls von der Protestbewegung Fridays for Future. "Die Klimaziele haben nun die höchste Priorität", sagt die 24-jährige Studentin Noemi Mundhaas, die zusammen mit anderen Schülern und Studenten den Bürgermeister und alle Fraktionen im Gemeinderat überzeugte, den Klimanotstand auszurufen.

Laut Ratsbeschluss müssen nun alle Entscheidungen des Gemeinderats auch auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft werden. Dabei sollen Lösungen bevorzugt werden, "die sich positiv auf Klima-, Umwelt und Artenschutz auswirken". Darüber hinaus soll das Klima schneller und besser geschützt werden und der Oberbürgermeister halbjährlich über die Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen informiert werden. Doch wie verbindlich ist das Ganze?

Studentin Mundhaas aus Konstanz sagt sie sei froh, dass ihre Stadt nun zumindest "erste Trippelschritte" mache. Den Klimanotstand auszurufen sei "ein sehr starkes Signal an die Bevölkerung." Denn, so die Studentin weiter: "An den Küchentischen wird darüber gesprochen und wir sehen schon viel Bewegung."

Fridays for Future Klimanotstand Konstanz
Kämpfen für die Zukunft. Schüler in Konstanz bei der entscheidenden Ratssitzung am 2. Mai 2019Bild: Fridays for Future Konstanz

"Wahrscheinlich werden Parkplätze teurer und in der ersten Gemeinderatssitzung wurde die Solarpflicht für alle Neubauten beschlossen," sagt sie. Doch all das reiche nicht. "Wir müssen jetzt große Schritte nehmen, um die Klimakrise noch in den Griff zu bekommen."

Auch Köln verkündet Notstand 

Nun rief auch Köln den Klimanotstand aus - als erste Millionenstadt in Deutschland. Durch die Fridays-for-Future-Demonstrationen könne sich dem Thema Klimaschutz niemand mehr entziehen, sagte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) der DW. In ihrem Rathaus beobachtet sie nun "ein wesentlich tiefer gehendes Bewusstsein für die Notwendigkeit von Klimaschutz. Das ist in früheren Zeiten nicht so gewesen", betont Reker. 

"Wir Städte sind die wichtigsten Emittenten und deswegen müssen wir auch die größte Verantwortung übernehmen für den Klimaschutz. Und ich finde das gut, wenn man jetzt konkret wird. Wir wollen das in Köln tun", sagte die Oberbürgermeisterin.

Nun bekannte sich Köln zur "zwingend erforderlichen Transformation in der Stadt". Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, hält der Stadtrat eine "sofortige, weitreichende und beispiellose Veränderung in allen Bereichen der Gesellschaft für erforderlich." Bei der zukünftigen Planung will Köln darauf schauen, welche Auswirkungen Pläne aufs Klima haben, mehr in regenerative Energien bei den Kölner Stadtwerken investieren und einen nachhaltigen Verkehr schaffen.

Bis 2050 soll das Ziel der klimaneutralen Kommune erreicht sein - wenn es nach Oberbürgermeisterin Reker geht, noch deutlich früher.

Die Stadt Düsseldorf in der kohlegeprägten Industrieregion Nordrhein-Westfalen will bereits bis 2035 klimaneutral sein und übernimmt damit die Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung. In einigen englischen Städten gehen die Beschlüsse noch weiter, zum Teil wird eine "Klimaneutralität bis 2030 angestrebt", sagte Sarah Mekjian vom Netzwerk Klima-Bündnis, das die Interessen von 1700 Städten in Europa vertritt.

Sie sieht auch in anderen europäischen Städten einen Trend, den Klimanotstand auszurufen. "Das ist nur eine Frage der Zeit" bis andere nachziehen, so Mekjian im Interview mit der Deutschen Welle.

Aber: Beschlüsse haben "keine juristische Bedeutung"

Diese Beschlüsse hätten zwar "keine juristische Bedeutung", sagt Mekjian. Trotzdem sei die Ausrufung sehr wichtig, weil dies "die existentielle Dringlichkeit und Krise betont".

So sehen das auch die Antragsteller in den Städten. In Köln brachte Michael Flammer, Vater von drei Kindern, die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands in den Stadtrat ein und fand bei den Parteien offenes Gehör.

Die Beschlüsse der Lokalparlamente sehen viele als wichtiges Signal. "Dahinter steckt eine absolut richtige Botschaft. In den Städten werden die Weichen dafür gestellt, ob wir zu einer Lebensweise kommen, die mit den Herausforderungen des Klimas im Einklang steht", sagt Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Professor für Nachhaltigkeit und Mitglied in der Nichtregierungsorganisation Club of Rome.

Nun müsse man sehen, ob sich dieser "Ruck in den Städten in den kommenden Wochen und Monaten verstetigt", sagt Schneidewind. Wächst daraus auch ein grundlegender kultureller Wandel? Eines sei für ihn sicher: "Die Herausforderungen sind so fundamental, dass das Klimathema immer wieder auf die politische Agenda gespült wird. Und dies wird sehr viel intensiver sein als in der Vergangenheit."

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion