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Weltweit auf der Suche nach Arbeit

Stephanie Höppner18. September 2013

Neue Umgebung, neue Sprache, neue Sitten: Für etwa 232 Millionen Menschen ist das heute Alltag. Die Zahl der Migranten weltweit hat ihren Höchststand erreicht. Deutschland ist besonders bei Europäern ein beliebtes Ziel.

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Migranten und Migrantinnen stehen auf einer Treppe im Bundeskanzleramt in Berlin (Foto: Rainer Jensen dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Woher kommst du? Für immer mehr Menschen ist diese Frage nicht mehr so leicht zu beantworten. Denn noch nie haben so viele Männer, Frauen und Kinder außerhalb ihres Heimatlandes gelebt. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie der Vereinten Nationen sind 232 Millionen Menschen aus dem Land, in dem sie geboren wurden, weggezogen. Das sind etwa 80 Millionen mehr als noch vor rund 20 Jahren. Doch nicht nur in absoluten Zahlen ist die Zahl der Migranten angestiegen. Auch relativ gesehen werden es immer mehr. Der Prozentsatz stieg seit 1990 von 2,9 auf 3,2 Prozent der Weltbevölkerung leicht an.

Laut Experten sind diese Zahlen jedoch mit Vorsicht zu genießen. Denn in vielen südlichen Ländern werden Migranten aufgrund fehlender Verwaltungsstrukturen nicht vollständig erfasst, sagt Jochen Oltmer vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück im Gespräch mit der DW. "Die Datenlage in einigen Ländern ist sehr schwach." Hinzu kommt: Die Vereinten Nationen zählen nur die Migranten, die in einem anderen Staat geboren wurden. "Das zeigt nur zu einem geringen Teil die Dynamik der Migrationsbewegung weltweit, weil es viel Hin- und Herwanderung gibt und viele, die sich Jahrzehnte andernorts aufgehalten haben, wieder zurück gewandert sind und damit keine Migranten sind."

Gekommen, um zu bleiben

Laut der UN-Studie ist besonders Deutschland ein beliebtes Ziel. Es belegt nach den USA und Russland mit 10 Millionen Migranten Platz drei. Für Robert Fuchs vom Kölner "Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland" erklärt sich die hohe Zahl auch aus der Einwanderungspolitik der jungen Bundesrepublik. Während nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rund 12 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene für eine Linderung des Fachkräftemangels sorgten, reichte dies ab Mitte der 50er Jahre - dem Beginn des deutschen Wirtschaftswunders – nicht mehr aus.

Die junge Republik begann ab 1955 sogenannte Gastarbeiter aus Italien zu rekrutieren. Später kamen Abkommen mit anderen südeuropäischen Ländern hinzu, sowie mit der Türkei, Marokko, Südkorea und Jugoslawien. Die Zahl der Ausländer in Deutschland stieg von 700.000 Anfang der 60er Jahre auf 2,7 Millionen Anfang der 70er Jahre. Waren die billigen Arbeitskräfte in den Zeiten des Wachstums sehr erwünscht, drehte sich die Einwanderungspolitik nach der Ölkrise in den 70ern. Die Bundesrepublik warb im Ausland nicht mehr um Arbeiter und bot denen, die in Deutschland waren sogar Geld, damit sie wieder in ihre alte Heimat zurück gingen. "Doch viele blieben und holten sogar ihre Familien nach", sagt Fuchs.

Türkische Gastarbeiter kommen 1961 auf dem Flughafen in Düsseldorf an. (Foto:dpa)
Neue Heimat: Vor rund 50 Jahren kamen die ersten türkischen ArbeiterBild: picture-alliance/dpa

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 80er Jahre kam eine weitere große Gruppe nach Deutschland – die Spätaussiedler aus Polen und der UdSSR. Mit weitreichenden Folgen: Im Jahr 1990 wurden schließlich 5,6 Millionen Ausländer gezählt. Zehn Jahre später waren es bereits rund zwei Millionen mehr. Die weltweite Finanzkrise und die Freizügigkeit auf dem europäischen Arbeitsmarkt trieben schließlich in den vergangenen Jahren vermehrt Spanier, Italiener und Portugiesen wieder in die Bundesrepublik. Anders als ihre Landsleute in den 50er und 60ern wollen sie jedoch nur kurz bleiben, ist Fuchs überzeugt.

Ohne Geld und Kontakte wird es schwierig

Die Einwanderung nach Deutschland ist also vor allem europäisch geprägt. Laut Migrationsforscher Oltmer lässt sich dies auch schlicht mit den finanziellen Mitteln der Menschen erklären. "Migration findet nicht einfach so statt, sondern ist mit hohen Kosten verbunden", sagt er. Neben dem Geld für Transport und Unterbringung brauchen die Menschen aber auch Kontakte zu Bekannten und Verwandten in den neuen Heimatländern, um schneller Fuß zu fassen. Kettenmigration wird dieses Phänomen in der Forschung genannt.

"Doch diese Netzwerke gibt es zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden nicht, der Austausch bleibt eher gering", sagt Oltmer. Die Wanderungsbewegung vollzieht sich eher innerhalb der Südhalbkugel und auf der Nordhalbkugel der Erde. Zu den beliebtesten Zielen in Asien gehören dabei vor allem boomende Städte in Taiwan, Südkorea und China. In Lateinamerika zieht es viele Migranten nach Brasilien und Venezuela.

Verschenktes Potenzial

Restriktive Einwanderungsgesetze in vielen westlichen Ländern erschweren zudem den Weg in eine neue Heimat. Für Migrationsforscher Philip Anderson von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Regensburg geht so viel Potenzial verloren. "In der deutschen Einwanderungspolitik wird sehr stark zwischen 'guten Migranten' und 'schlechten Migranten' unterschieden", kritisiert er gegenüber der DW. "Diejenigen mit Fluchthintergrund werden immer noch als weniger willkommen betrachtet." Er fordert deshalb, dass auch bei Flüchtlingen dringend benötigte Qualifikationen und Berufe nicht ungenutzt bleiben. "Wir brauchen für diese Menschen einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt."

Ein Ausbildungsmeister erklärt einem Spanier die Funktion einer Maschine. dpa
Deutschland braucht internationale FachkräfteBild: picture-alliance/dpa