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Japan Oberhauswahl

Martin Fritz22. Juli 2013

Erstmals seit sechs Jahren gibt es in Japan wieder politische Stabilität und eine handlungsfähige Regierung. Riskiert Premier Shinzo Abe nun den Rechtsruck oder konzentriert er sich weiter auf die Reform der Wirtschaft?

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Shinzo Abe PK nach dem Sieg bei den Wahlen 22.07.2013
Shinzo Abe PK nach dem Sieg bei den Wahlen 22.07.2013Bild: Reuters

Wie erwartet hat die rechtsnationale Regierungskoalition in Japan die Oberhauswahl klar gewonnen. Die Liberaldemokratische Partei (LDP) von Regierungschef Shinzo Abe und ihr langjähriger Koalitionspartner, die buddhistische Neue Komeito, gewannen 76 der 121 Sitze, die zur Wahl standen. Dadurch eroberte die Koalition die Mehrheit auch in der zweiten Parlamentskammer. Bei ihrem Wahlsieg kamen drei Faktoren zusammen: Erstens haben die Wähler das Bündnis aus LDP und Komeito für den wirtschaftlichen Aufschwung belohnt - Japans Wirtschaft ist im ersten Halbjahr von allen großen Industrienationen am stärksten gewachsen.

Zweitens wollten die Japaner endlich wieder politische Stabilität und eine entscheidungsfähige Regierung haben. Dass Unter- und Oberhaus zusammen von der Regierung kontrolliert wurden, gab es zuletzt vor sechs Jahren, ironischerweise während der ersten Amtszeit von Abe. Jetzt hat der inzwischen 58-Jährige die Scharte seiner schweren Wahlniederlage vom Juli 2007 ausgewetzt, nach der er zurücktreten musste. Nun kann er bis zur nächsten Unterhauswahl Ende 2016 unbeeinträchtigt regieren. Dazu kam als dritter Faktor eine zerstrittene Opposition, die Abe nichts entgegenzusetzen hatte außer ihrer Anti-Atomkraft-Haltung.

Reformen für Wirtschaft und Verfassung

Der Premierminister will seine frisch gewonnene Regierungsmacht für zwei schwierige Reformprojekte nutzen. Zum einen möchte er seine ökonomische Strategie der "Abenomics" fortführen: Japans verkrustete Wirtschaft soll durchgelüftet werden, damit sie stärker wachsen kann. Allerdings muss er dafür noch große Widerstände von wichtigen Wählergruppen und Unterstützern seiner LDP überwinden. Bauern, Apotheker, Ärzte und Stromkonzerne lehnen die geplanten Marktöffnungen ab. Ihre uneingeschränkte Macht könnte die Partei dazu verführen, die Reformen liegenzulassen.

Die Wahlsieger freuen sich mit Shinzo Abe (Foto: Reuters)
Jubel: Japans Premier Abe (2.v.re.) nach dem WahlsiegBild: Reuters

Den zweiten Schwerpunkt wird Abe auf eine Modernisierung der Verfassung legen. Die Ära des offiziellen Pazifismus soll enden und Japans Militär mehr Befugnisse erhalten. Bereits wenige Stunden nach der Schließung der Wahllokale versprach Abe eine "umfassende und breite" Debatte über die Verfassungsreform. Aber auch hier steht er vor hohen Hindernissen. Sein Bündnispartner, die Neue Komeito, und die Mehrheit der Bevölkerung sind gegen eine Abkehr vom Pazifismus. Eine radikale Reform ist wenig wahrscheinlich, da dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament und eine einfache Mehrheit in einem Referendum notwendig sind.

Unpopuläre Liberalisierungen

Viele Japan-Beobachter halten es für möglich, dass der rechtskonservative Regierungschef sich auf sein Lieblingsprojekt der Verfassungsänderung konzentriert, statt unpopuläre Reformen in der Wirtschaft durchzusetzen. Bisher begnügte sich Abe damit, mit Hilfe einer extrem lockeren Geldpolitik der Notenbank die japanische Währung zu schwächen und die Staatsausgaben trotz Rekordverschuldung zu erhöhen. Beide Maßnahmen sollen die Deflation überwinden sowie den Privatkonsum und die Firmeninvestitionen ankurbeln. Doch damit es nicht bei einem Strohfeuer bleibt, müsste Abe Strukturreformen wagen. Aber bisher hat er weder über die hohen Kosten der vielen Rentner noch über die Notwendigkeit von mehr Einwanderung als Mittel gegen die schrumpfende Bevölkerung gesprochen.

Die börse in Tokion(Foto:AP/dapd)
Mit einer Lockerung der Geldpolitik hat Abe die Wirtschaft angekurbeltBild: AP

Immerhin engagiert sich der Premier für mehr Freihandel. Mit der Europäischen Union und den Anrainerstaaten am Pazifik hat er entsprechende Gespräche begonnen. Doch für einen Abschluss müsste er die hohen Zollmauern, hinter denen sich die Bauern bisher verstecken, einreißen. Ebenso wäre eine Öffnung des starren Arbeitsmarktes notwendig. Bisher können die Unternehmen keine festangestellten Mitarbeiter entlassen, außer sie gehen freiwillig mit einer großzügigen Abfindung. Das bremst den Wandel und verhindert Neueinstellungen. Abe überlegt deshalb, ob er eine neue Art von Arbeitsplatz zwischen Festanstellung und Befristung einführen sollte.

Mehr Militärmacht gegen China

Die geplante Verfassungsreform birgt großen Zündstoff für Ostasien. Eine Abkehr vom Pazifismus könnte von den asiatischen Nachbarn leicht als eine Rückkehr zum alten Kaiser-Imperialismus verstanden werden. Abe hat diesen möglichen Vorbehalt dadurch verstärkt, dass er die Verantwortung Japans für den Zweiten Weltkrieg relativieren möchte. Am Wahlabend wollte der 58-Jährige erneut nicht ausschließen, dass er demnächst den Yasukuni-Schrein, ein umstrittenes Denkmal für Japans Kriegstote, besuchen wird. Zugleich hat Abe mit seinem Anliegen insofern recht, als dass die pazifistische Verfassung die Souveränität von Japan beschränkt.

Japanische Soldaten (Foto:AP)
Eine Verfassungsreform soll dem Militär mehr Befugnisse gebenBild: AP

Seine Streitkräfte dürfen zum Beispiel nur zurückschießen, wenn sie selber angegriffen werden. Weder eine offensive Vorneverteidigung noch Militärhilfe für den Bündnispartner USA ist nach der bisherigen Interpretation des Pazifismus-Artikels 9 erlaubt. Nach einer Aufhebung solcher Beschränkungen könnte Japan nach Ansicht von Abe ein größeres Gegengewicht zu China bilden und den japanischen Besitzanspruch auf umstrittene Inseln im Ostchinesischen Meer besser durchsetzen. Doch als eine unbeabsichtigte Folge drohen sich die Machtrivalitäten in Ostasien gefährlich zuzuspitzen.