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Welchen Vornamen darf mein Kind bekommen?

5. April 2010

Darf ich in Deutschland mein Kind Borussia oder Alemannia nennen, Cayman oder vielleicht sogar Whisky? Berater an der Uni Leipzig entscheiden darüber, welche Namen in Deutschland zugelassen werden und welche nicht.

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Baby mit Windel (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance / OKAPIA KG, Germany

Mittwoch ist ein guter Tag für Gabriele Rodriguez. Vielleicht nicht direkt für das Telefongeschäft mit den Vornamen, weil so mitten in der Woche für gewöhnlich weniger beunruhigte Eltern anrufen als an anderen Wochentagen. Immerhin kostet es 1,86 Euro pro Minute, um mit der Kennerin der Vornamen ins Gespräch zu kommen. Und wenn das Telefon läutet und Rodriguez gefragt wird, ob Kinder in Deutschland wohl Borussia, Whisky oder Rapunzel heißen dürfen, klingelt es automatisch in der Kasse der Universität. Ihr Arbeitsplatz hängt von diesen Anfragen ab, denn die Namenkundlerin wird von den eingenommenen Geldern bezahlt. Ihr Job scheint krisenfest zu sein, etwa 3000 Anfragen werden pro Jahr gestellt.

Trotzdem ist so ein ruhiger Mittwoch ein Segen, denn an diesem Tag kann Rodriguez endlich den Stapel Anfragen abarbeiten, der sich auf ihrem Schreibtisch und im elektronischen Postfach angesammelt hat. Und schließlich ist auch diese Arbeit gut für das Geschäft, denn eine schriftliche Vornamenbestätigung bringt 23,80 Euro.

Englische Namen sind trendy

Gabriele Rodriguez bei der Arbeit (Foto: DW)
Gabriele Rodriguez bei der ArbeitBild: Ronny Arnold

Es ist kurz vor 12 Uhr, als das schnurlose Telefon auf Gabriele Rodriguez’ Schreibtisch das erste Mal klingelt. Seit über einer Stunde sitzt die Namenberaterin in ihrem kleinen Büro im 4. Stock des Geisteswissenschaftlichen Zentrums der Leipziger Uni und schreibt Bestätigungen. Sprechstunde ist jeden Wochentag von 11 bis 16 Uhr. Die Anruferin fragt, ob sie ihren Sohn Cayman nennen könne. Die Antwort hat die Beraterin sofort parat. "Ja, der Name liegt uns so vor. Also kein Problem, er ist in Amerika üblich und so auch hierzulande möglich."

In wenigen Tagen wird die zufriedene Mutter die Bestätigung im Briefkasten haben, die sie dann beim Standesamt vorlegen kann. "Der Trend in Deutschland geht hin zu englischen Vornamen und das bereits seit einigen Jahren", erklärt Gabriele Rodriguez, nachdem sie wieder aufgelegt und die neuen Daten im Computer vermerkt hat. Bereits seit 1994 macht die Namenforscherin diesen Job. Dicke Bücher mit Vornamen aus aller Welt stehen im Regal hinter ihr, die Sammlung wird ständig erweitert.

Die Chance, seinem Kind heute einen exotischen Namen zu verpassen, hat sich deutlich erhöht. In den letzten Jahren werden immer mehr Namen eingetragen, die noch vor 20 Jahren tabu waren. "Wir müssen heute nur noch etwa ein Prozent der Anfragen ablehnen", so die Expertin.

Drei Prüfkriterien

Individualisierung und Globalisierung wohin das Auge blickt, auch bei unseren Vornamen. Dank US-amerikanischer und britischer Serien im deutschen Fernsehen, weltweit vermarkteter Popsternchen wie Anastasia oder Britney und erschwinglicher Reisen in die entferntesten Winkel der Erde kommen immer mehr Eltern auf die Idee, ihrem Kind einen möglichst einzigartigen Namen zu geben.

Ob ein Vorname vergeben werden kann oder nicht, entscheidet Rodriguez nach drei einfachen Kriterien. Es muss erstens ein klarer Charakter als Vorname erkennbar sein, dieser muss eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen und am Ende zum Wohle des Kindes sein. Whisky etwa wurde wegen letzterem Punkt abgelehnt, schließlich soll das Kind nicht schon von der Wiege an als Trinker verschrieen sein. Schulze darf niemand sein Kind nennen, weil das ein Nachname ist. Und Borussia wurde letztendlich abgewiesen, weil nicht klar zu erkennen sei, ob sich dahinter ein Mann oder eine Frau verbirgt. Ein Grenzfall, muss die Namenberaterin zugeben, denn "Bavaria und Alemannia wurden in Deutschland zugelassen". So können Freud und Leid fußballfanatischer Väter in Deutschland nah beieinander liegen. Von Dortmund bis Aachen sind es gerade einmal 160 Kilometer.

Alle 100 Jahre wieder

Dicke Buchreihen voller Vornamen (Foto: DW)
Dicke Buchreihen voller VornamenBild: Ronny Arnold

Neben dem Trend zu englischen und US-amerikanischen Vornamen entdecken Eltern gerade wieder ihre Liebe zu alten deutschen Rufnamen. Die Forscherin erkennt darin ein historisches Muster: Etwa alle 100 Jahre kommen die Namen zurück. Im Moment werden Kinder gern wieder Ida, Karl, Emma, Friedrich oder Frieda genannt. Deswegen ruft natürlich kaum jemand die Hotline an, denn diese Vornamen "stehen alle samt im internationalen Handbuch der Vornamen".

Jedes Standesamt hat so ein Verzeichnis und kann prüfen, ob die Eintragung des Kindsnamens unproblematisch ist. Leider arbeiten viele dieser Ämter mit veralteten Handbüchern, die zum Teil fast 20 Jahre alt sind. "Die neuen Trends und viele ausländische Namen stehen da noch nicht drin, obwohl sie in Deutschland erlaubt sind."

Jedes vierte in Deutschland geborene Kind hat heute einen Migrationshintergrund. Das schlägt sich natürlich auch in der Namensgebung nieder. Doppelnamen sind ein Ergebnis dieser Entwicklung, doch die Mühlen der Behörden mahlen langsam. Und so müssen viele Eltern den Vornamen ihres Kindes bestätigen lassen. Das ist schlecht für die Eltern, aber gut für Gabriele Rodriguez und die Namenberatung an der Leipziger Uni.

Autor: Ronny Arnold
Redaktion: Kay-Alexander Scholz