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Weihnachtsansprache von Bischof Martin Schindehütte, Hannover

25. Dezember 2012

Weihnachtsgebet!

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Kloster Walkenried
Kloster Walkenried

„Gott des Lebens, führe uns zu Gerechtigkeit und Frieden!“ so steht es auf der Weihnachtskarte, die ich in diesem Jahr als Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland weltweit versendet habe.

„Gott des Lebens, führe uns zu Gerechtigkeit und Frieden!“ so lautet der Gebetsruf, unter dem sich die Weltchristenheit zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im kommenden Jahr in Korea versammeln wird.

Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Weihnachten ist ein Fest der Liebe. Wir alle sehnen uns nach Gerechtigkeit und Frieden. Darum werden die Teilnehmenden bei diesem weltweiten Treffen von Christinnen und Christen über ihren Beitrag zu Gerechtigkeit und Frieden nachdenken und dafür beten. Wir hoffen, dass wir mit unserer Arbeit als Christen je ganz persönlich und gemeinsam in unseren Kirchen dafür viel tun können. Wir versuchen Anwälte, der Benachteiligten zu sein und Menschen zu unterstützen, sich selbst eine Lebensperspektive zu erarbeiten - darum geht es. Wir sind also aus unserem Glauben politisch, sozial und gesellschaftlich engagiert.

„Gott des Lebens, führe uns zu Gerechtigkeit und Frieden!“ das ist ein Gebetsruf. Denn uns ist klar, dass wir in allem, was wir selbst tun können, doch auf Gott vertrauen. Darum soll nicht nur in den Tagen des Treffens in Korea gebetet und gearbeitet werden. Es soll in den nächsten acht Jahren bis zur nächsten Vollversammlung eine gemeinsame Kampagne des Betens und Arbeitens für gerechten Frieden, für Klimagerechtigkeit und ein lebensdienliches Wirtschaften geben.

Wir verstehen diese acht Jahre wie eine Pilgereise, wie einen geistlichen und politischen Weg zu Gottes Frieden und Gerechtigkeit.

Von Pilgerwegen ist auch in der Weihnachtsgeschichte die Rede. Die Hirten hören die unglaubliche Botschaft: Ihnen wird große Freude verkündigt, die allem Volk widerfahren wird. Sie sollen sich nicht fürchten. Sie hören die Engel singen: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens."

Sie bleiben aber nicht verklärt stehen, als seien sie nun am Ziel aller Wünsche. Sie machen sich auf den Weg zu einem Kind, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Dieses Kind soll die Welt heil machen.

Gott loben und losgehen zu einem ersehnten Ziel: Das ist pilgern.

Die Mühen des Weges auf sich nehmen, in der Hoffnung auf die Begegnung mit Gott: Das ist pilgern.

Und da sind noch andere, die aufbrechen. Das finde ich noch erstaunlicher. Die „Weisen aus dem Morgenland“, gelehrte Männer von weit her aus einer ganz anderen Kultur und Tradition. Sie haben nur einen besonderen Stern gesehen, ein besonderes Licht. Keine Engel und himmlischen Heerscharen verkünden ihnen etwas. Sie wissen nichts von einem Heiland, den das jüdische Volk schon so lange ersehnte. Sie haben nur dieses besondere Licht. Sie folgen diesem Licht, ohne zu wissen, wohin es sie führt. Sie nehmen die Mühen eines langen Weges auf sich. Nur um den anzubeten, von dem sie gar nicht so genau wissen, wer er ist.

Uns lehrt das, andere Menschen sind auch auf dem Wege zum Heil, zu Gerechtigkeit und Frieden. Menschen, die ganz anders glauben oder gar noch nicht wissen, was sie glauben sollen. Auch ihr Gebet an der Krippe nimmt Gott an. Auch sie nehmen Anteil an der Freude, die „allem Volk“ widerfahren wird.

Zu wem sind die einfachen jüdischen Hirten und die hochgelehrten Weisen aus fremden Landen auf der Pilgerreise? Was lässt sie auf Frieden hoffen? Ein wehrloses Kind beten sie an. Nach Flucht und Rückkehr wird dieses Kind als erwachsener Mann zu dem Zeugen der Liebe Gottes zu allen Menschen.

Mehr noch: In ihm wird Gott in seiner Liebe, seinem Frieden, seiner Gerechtigkeit selber ein Mensch. Jesus ist auch ein Pilger, auf einem Weg, auf dem er den Menschen mit seinen Predigten und Gleichnissen, mit Streitgesprächen und heilenden Worten, mit Offenheit, Geduld und mit seinem Leiden unendlich gut tut. So zeigt er, wer Gott ist: Der Befreiende, der Gewaltlose, die für den Menschen Streitende, der Friedenstiftende, der Liebende.

Gott auf dem Pilgerweg zu uns in jedem Menschen, der sich ihm anvertraut, seinen Weg mitgeht und ihn wissend oder unwissend anbetet. An allen Orten, in Krippen, Zelten, Hütten, Kirchen, Tempeln beten Menschen: „Gott des Lebens, führe uns zu Gerechtigkeit und Frieden!“ Jedes Mal, wenn wir das beten, wird Weihnachten, frohe und gesegnete Weihnachten.

Zum Autor:

Martin Schindehütte wurde 1949 geboren und wuchs im dörflichen-landwirtschaftlichen Milieu Nordhessens auf. Nach dem Abitur studierte er Theologie und Sozialpädagogik in Wuppertal, Göttingen und Hamburg. Von 1995 bis 2002 war er Leitender Pfarrer der Evangelischen Altenhilfe Gesundbrunnen in Hofgeismar, einem großen diakonischen Träger im Bereich der Altenhilfe und der geriatrisch-rehabilitativen Medizin. Ab November 2002 war er Geistlicher Vizepräsident des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers und ist nun seit September 2006 Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Bischof Martin Schindehütte
Bischof Martin SchindehütteBild: Pfarrerin Petra Schulze