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Politik

"Den Haag zeigt die Unabhängigkeit von Weißen Haus"

26. Juni 2020

Da Washington vielmehr als die EU auf Präsident Thaci gesetzt hat ist die US-Seite in der transatlantischen Konkurrenz im Dialog mehr beschädigt als die EU, meint Bodo Weber.

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Bodo Weber
Bodo WeberBild: Privat

DW: Nur einige Tage vor den Washingtoner Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo, erlässt der Sonderankläger in den Haag vorläufige Anklage gegen Kosovos Präsidenten wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen. Wozu diese Eile?

Bodo Weber: Angesichts der Anstrengungen, die Präsident Thaci in den zurückliegenden drei Jahren in den Verhandlungen über ein umfassendes Schlussabkommen mit Serbien unternommen hat - seine Privatisierung der kosovarischen Verhandlungsposition, sein beharrliches Drängen auf ein gefährliches Gebietstauschabkommen, und der verfügbaren Hintergrundinformationen, dass er all das unternimmt mit dem Ziel, ihm im Abkommen ein Entkommen von der strafrechtlichen Verfolgung durch das Gericht zu sichern, war es lange klar, dass Präsident Thaci vor dem Sondergericht angeklagt werden wird.

Die außergewöhnliche Entscheidung der Staatsanwälte, die sonst geheim gehaltenen Anklageschriften vor der Entscheidung des zuständigen Richters über eine Anklageerhebung öffentlich zu machen, scheint diesem Agieren des Präsidenten Rechnung zu tragen. Insbesondere scheint der Zeitpunkt der Veröffentlichung darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwälte Angst vor einem evtl. Deal in den geplanten, und nun abgesagten Verhandlungen diesen Samstag im Weißen Haus hatten - ob im konkreten Fall berechtigt oder nicht.

Heißt das, dass der Sonderankläger, anders als von vielen vermutet wurde, unabhängig von der US-Administration agiert.

Genau, vergangenes Jahr, im Kontext des Rücktritts des damaligen Ministerpräsidenten Haradinaj wegen einer nicht-öffentlichen Befragung durch die Haager Staatsanwälte wurde viel spekuliert, auch in europäischen Regierungskreisen, ob ein politischer Einfluss auf das Gericht existiert, konkreter der Trump-Administration weil der Rücktritt der Unterstützungspolitik für ein Gebietsaustauschabkommen diente. Der jetzige Schritt der Staatsanwälte, so ungewöhnlich er ist, bekräftigt, da er den Interessen der Trump-Administration direkt zuwider läuft, die Unabhängigkeit Den Haags.

Der Schritt wir aktuell im Kosovo von den politischen Eliten als "politisch" kritisiert - aber insofern er ein partiell politischer ist, wurde er durch das Agieren von Präsident Thaci und seiner politischen Unterstützer in und außerhalb Kosovos erzwungen, und ist kein Beweis dafür, dass das Gericht politisch ist. Bei aller Inkonsistenz westlicher Politik in der Frage der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in der Region, dessen Produkt die Einrichtung des Sondergerichts ist.

In der Region zirkuliert noch eine Befürchtung, und zwar dass man dadurch versucht die Anklage zu beschleunigen, damit Thaçi aufgrund mangelnder Beweise aus Held raus kommt und somit im Sinne der USA verhandelt.

Das sehe ich so nicht. Zunächst einmal sind es die Aktivitäten der Trump-Administration, des Gesandten Grenell, die durch die Veröffentlichung negativ betroffen sind. Da Washington vielmehr als die EU auf Präsident Thaci gesetzt haben, scheint mir die US-Seite in der transatlantischen Konkurrenz im Dialog mehr beschädigt als die EU.

Das Gespräch führte Anila Shuka

Bodo Weber ist Vorstandsmitglied Democratizatio Policy Council der Heinrich-Böll-Stiftuing.