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Was tun gegen gefälschte Medikamente?

Jan Philipp Wilhelm
10. Januar 2018

Laut Weltgesundheitsorganisation ist eines von zehn Medikamenten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gefälscht. Afrikanische Behörden sind oftmals machtlos, doch es gibt kreative Lösungsansätze.

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Afrika - Medikamente - Markt
Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Ituri Distrikt, Demokratische Republik Kongo: Zwischen Dezember 2014 und August 2015 werden 1029 Menschen mit rätselhaften Symptomen in Gesundheitszentren der Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen eingeliefert. Aufgrund der Symptome vermuten die Gesundheitsexperten zunächst, dass sie es mit einer Meningitis-Epidemie zu tun haben. Erst nach wochenlangen, intensiven Nachforschungen ist klar: Die Symptome werden durch eine gefälschte Version des Beruhigungsmittels Diazepam ausgelöst. Elf Menschen sterben, darunter fünf Kinder unter fünf Jahren.

Das Beispiel - eines der schwerwiegendsten der vergangenen Jahre - ist nur eines von vielen aus der Datenbank der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Seit 2013 sammelt die WHO systematisch Fälle von minderwertigen oder gefälschten Medikamenten und spricht bei Bedarf Warnungen aus. Zwar sind so gut wie alle Länder auf der Welt betroffen, doch in Afrika ist das Problem besonders gravierend: 42 Prozent aller Meldungen erreichten die WHO aus Afrika, und von 13 Warnungen, die die WHO zwischen 2015 und 2017 herausgab, galten elf afrikanischen Ländern und Regionen.

Pernette Bourdillon Esteve, zuständig für Datenanalyse bei der WHO, glaubt die Gründe dafür zu kennen: "Minderwertige und gefälschte Medikamente tauchen vor allem dort auf, wo eingeschränkter Zugang zu Medikamenten, schlechte Regierungsführung und mangelnde fachliche Kapazität zusammentreffen." Diese Faktoren beträfen vor allem Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, zu denen viele afrikanische Länder gehören.

Eines von zehn Medikamenten in armen Ländern ist nicht echt

Um dem Ausmaß und den Folgen der Verbreitung minderwertiger und gefälschter Medikamente auf die Spur zu kommen, analysierte die Weltgesundheitsorganisationen im vergangenen Jahr mehr als 100 Einzelstudien und Datenbanken. Die Ergebnisse des Berichts sind alarmierend: Demnach sind im Schnitt 10,5 Prozent aller Medikamente in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen minderwertig oder gefälscht.

Lungenentzündung Kind Kigali Ruanda
Mehr als 20.000 Kinder sterben jährlich an Lungenentzündung, weil sie gefälschte Medikamente bekommenBild: Getty Images/S.Jensen

Besonders oft gefälscht würden Malariapräparate und Antibiotika - mit schwerwiegenden Konsequenzen. Denn eigentlich sind Malaria und bakterielle Infektionen wie die Lungenentzündung im Kindesalter bei richtiger Medikation längst heilbar. Doch gefälschte und minderwertige Medikamente führen laut der Studie alleine bei diesen beiden Krankheiten zu jährlich bis zu 267.000 (Malaria) beziehungsweise 20.225 (Lungenentzündung bei Kindern) vermeidbaren Todesfällen in Subsahara-Afrika.

Profite auf Kosten von Menschenleben

Wiltshire Johnson, Chef der Arzneimittelbehörde in Sierra Leone, ist die Dimension des Problems längst bekannt: "Wenn Armut herrscht, wie in Subsahara-Afrika, tendieren die Leute dazu, beim Thema Gesundheit die billigsten Optionen zu wählen." Skrupellose Händler würden das ausnutzen, indem sie sich minderwertige oder gefälschte Produkte aus illegalen Quellen besorgten und an nichts ahnende Konsumenten verkauften.

Seine Behörde habe bereits einiges im Kampf gegen minderwertige und gefälschte Arzneimittel getan, wie etwa Labore zur Qualitätskontrolle einzurichten, so Johnson im DW-Interview. Doch gegen Medikamentenschmuggel aus dem Ausland vorzugehen, sei schwer: "Unsere Grenzkontrollen sind nicht stark genug, um alle Übergänge zu überwachen."

Nigeria NAFDAC gefälschte Medikamente - Dora Akunyili
In vielen Ländern gibt es Labore zur Qualitätskontrolle von Medikamenten - doch deren Kapazitäten sind begrenztBild: Getty Images/AFP/P.U. Ekpei

Längst ist der Handel mit Medikamentenfälschungen ein globales Geschäft, das die Möglichkeiten von Nationalstaaten oft überfordert. Die meisten Präparate kommen aus China und Indien, doch auch in Afrika selbst sind Fälscher am Werk. Laut WHO-Expertin Pernette Bourdillon Esteve brauche es deshalb Maßnahmen auf allen Ebenen.

Bei der unmittelbaren Bekämpfung der Epidemie sei jedoch zunächst vor allem Aufklärung vor Ort wichtig: "Als erstes müssen die Menschen über die Risiken von minderwertigen und gefälschten Medikamenten Bescheid wissen", so Esteve. Außerdem müssten die Fälle auch ordnungsgemäß an die nationalen Stellen gemeldet werden.

Kreative Lösung aus Ghana

Doch es bleibt ein weiteres Problem: "Ich glaube nicht, dass ich ein gefälschtes von einem echten Medikament unterscheiden könnte", sagt ein Passant in Ghanas Hauptstadt Accra der DW. "Das beunruhigt mich, weil ich eine Fälschung kaufen könnte, die meiner Gesundheit Schaden zufügt."

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Arzneimittel werden auch auf lokalen Märkten verkauft. Ihre genaue Herkunft ist oft unklar.Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Dem will ein ghanaisches Startup nun Abhilfe schaffen. Die Tech-Firma mPedigree mit Sitz in Accra hilft Pharmakonzernen, ihre Produkte fälschungssicher zu machen - und damit den Patienten, echte von gefälschten Arzneimitteln zu unterscheiden. Alles, was es dazu brauche, sei ein Mobiltelefon, sagt mPedigrees Chefstratege Selorm Branttie im DW-Gespräch: "Die Leute kaufen eine Medikamentenpackung, sie rubbeln ein Feld mit einem Code frei, senden ihn per SMS an eine bestimmte Nummer und in fünf bis sieben Sekunden bekommen sie die Bestätigung, ob das Produkt gefälscht oder echt ist."

Das Unternehmen ist in zwölf afrikanischen Ländern aktiv und gibt an, dass bereits 75 Millionen Menschen direkt oder indirekt von der Technologie profitiert haben. Doch der Weg zu mehr Sicherheit bei der Medikamentenversorgung in Afrika ist noch weit.

Mitarbeit: Isaac Kaledzi und Claudia Anthony