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Warum wieder kein Schwein anruft

Klaus Ulrich
12. Juli 2018

Das miserable Mobilfunknetz in Deutschland war Thema eines Spitzentreffens in Berlin. Millionen Betroffene klagen über Funklöcher, die Bundesregierung will weiße Flecken abschaffen.

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Symbolbild Deutschland Funkloch
Bild: picture-alliance/dpa/I. Kjer

Ein Bauunternehmer ohne Handyverbindung? Die Feuerwehr ohne digitalen Kontakt zur Leitstelle? Kein schlechter Scherz, sondern bis vor kurzem noch Alltag im 360-Seelen-Dorf Kleßen-Görne in Brandenburg. Kein Geringerer als Deutschlands Digitalminister Andreas Scheuer (CSU) habe sich persönlich gegenüber Telekom-Chef Timotheus Höttges dafür eingesetzt, endlich mehr Übertragungsmasten in der Brandenburgischen Provinz aufzustellen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".

Wie es ihm gelungen ist, den prominenten Telekom-Fürsten zu überzeugen, ist nicht überliefert. Höttges beeilte sich aber, auf die Kosten hinzuweisen: Zwei Masten für bis zu 400.00 Euro und weniger als 400 Einwohner seien nicht wirtschaftlich, es handele sich deshalb um eine Ausnahme. Und so wird es wohl noch länger dauern, bis in den vielen ländlichen Regionen mit miserablem Mobilfunkempfang Besserung eintritt. Wobei Höttges selbst unlängst auf einer Reise in den nordöstlichen Landkreis Vorpommern-Rügen bemerken musste, wie löchrig das Netz noch ist. "Auf dem Weg hierhin habe ich mich mit dem Thema Funklöcher beschäftigen müssen", sagte er damals. Danach kündigte er schon mal an, dass die Telekom in diesem Jahr 100 Millionen Euro extra in die Hand nehmen wolle, um Funklöcher zu schließen. 

Kein Recht auf Handyempfang

Schätzungen gehen davon aus, dass rund zwei Millionen Einwohner hierzulande unter den Löchern im Mobilfunknetzt zu leiden haben. Dagegen unternehmen können sie so gut wie nichts, ein Recht auf Handyempfang gibt es nicht. Gute Versorgung mit dichten Netzen ist eigentlich nur in den Ballungszentren gewährleistet. In der Fläche kommt nur die Telekom auf gut 80 Prozent Netzabdeckung. Die Konkurrenten Vodafone und die O2-Mutter Telefonica hinken noch weiter hinterher.

Dabei wird lückenloser Mobilfunk in höchster Qualität immer wichtiger. Ob es autonom fahrende Autos in nächster Zukunft sind oder Herzschrittmacher, die auch auf dem Land schon bald digital überwacht werden sollen - viele Anwendungen in den verschiedensten Lebensbereichen funktionieren nur, wenn die Funklöcher gestopft werden.

Kampf gegen weiße Flecken

Die Bundesregierung will die weißen Flecken deshalb möglichst bald abschaffen. Dabei hat sie gegenüber den Mobilfunkanbietern ein starkes Druckmittel zur Hand: Für den künftigen Mobilfunkstandard 5G sollen im kommenden Frühjahr Frequenzen versteigert werden. Der Deal dabei soll dann lauten: neue Frequenzen nur gegen flächendeckende Versorgung.

"Einzigartige Ausbauoffensive"

Genau darum sollte es am Donnerstag (12.07.2018) beim Treffen von Bundesminister Scheuer und den drei Netzbetreibern Telekom, Vodafone und O2-Mutter Telefónica in Berlin gehen. 

Auf dem Mobilfunkgipfel erklärten die Netzbetreiber ihre Bereitschaft, die Lücken in der Versorgung in Deutschland weitgehend zu schließen. "Ich habe von den Beteiligten die Zusage bekommen, dass im Laufe des Jahres 2021 in jedem Bundesland 99 Prozent der Haushalte mit Mobilfunk versorgt werden müssen", erklärte Scheuer nach dem Treffen. "Wir starten damit eine einzigartige Ausbauoffensive für Deutschland."

Zwingen kann Scheuer niemanden

Die Unternehmen knüpften die Zusage allerdings daran, dass die Vergabe der 5G-Lizenzen im kommenden Jahr nach ihren Wünschen verläuft. "Wir sind zu Investitionen bereit, wenn auch die Rahmenbedingungen gegeben sind, die wir brauchen", sagte Telekom-Chef Timotheus Höttges. Zwingen kann Scheuer die Netzbetreiber nicht.

Bis 2021 soll es hundert neue 4G-Standorte an bislang unversorgten Verkehrs-Hotspots und tausend neue 4G-Standorte in den "weißen Flecken" geben, kündigte Scheuer an. Geplant seien zudem 10.000 neue aufgerüstete 4G-Standorte. "Damit gehen wir in ein neues Zeitalter der Netzabdeckung beim Mobilfunk", fügte der Minister hinzu.

Harsche Kritik aus der Opposition

Die FDP hingegen kritisierte das Ergebnis des Treffens in Berlin, an dem auch Vertreter der Länder und Kommunen teilgenommen hatten. "Der Mobilfunkgipfel ist ein Paradebeispiel der visionslosen Digital-Politik der großen Koalition", erklärte der Vizevorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Frank Sitta. "Große Ankündigungen, vage Ergebnisse, keine Lösungen." Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU) habe die Schließung der Funklöcher bereits für dieses Jahr angekündigt, bemängelte Sitta. "Herr Scheuer hat sie jetzt auf das Ende der Legislatur verschoben."

Der Netzausbau halte nicht Schritt mit dem steigenden Datenvolumen, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der "Saarbrücker Zeitung": "Wir haben die höchsten Mobilfunkpreise im internationalen Vergleich, aber gleichzeitig mit das schlechteste Netz", kritisierte er. Die Verbraucher zahlten über die hohen Mobilfunk-Preise die Milliardenkosten für die Lizenzversteigerungen. "Das ist nicht zielführend, deshalb muss man von dieser Politik weg", forderte er.

Der Grünen-Politiker schlug vor, bei der anstehenden Vergabe der 5G-Lizenzen wie in Skandinavien vorzugehen. Dort würden ohne große Einnahmen die Lizenzen vergeben, "aber dann den Netzbetreibern auch klare und nachprüfbare Vorgaben gemacht inklusive möglicher Sanktionen". Unter anderem dadurch ließen sich die vielen bestehenden Funklöcher schließen.

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