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Gesellschaft

Warum man Deutsch lernt (oder es bleiben lässt)

31. März 2019

Deutsch als Fremdsprache ist einigermaßen beliebt. Die Zahl der Lernenden könnte schlechter sein, aber auch besser. Für die Position im Mittelfeld gibt es mehrere Gründe. Einer ist pragmatisch, ein anderer politisch.

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Symbolbild Deutsch als Fremdsprache
Bild: Fotolia/Peter Atkins

Für die Autofans unter den Deutschlehrern war die niederländische Stadt Utrecht eine Zeitlang eine interessante Adresse: Dort fanden sie nicht nur Arbeit, sondern konnten überdies einen PKW als Prämie in Empfang nehmen, sollten sie sich entscheiden, in Utrecht zu arbeiten. Denn in der niederländischen Stadt mangelte es wie im gesamten Königreich an Deutschlehrern, und zwar akut.

Ob die Stadt immer noch mit einem PKW lockt, weiß das niederländische "Duitsland Instituut" (Deutschlandinstitut) nicht zu sagen. Berichten kann es aber, dass die Kommune Deutschlehrer mit einer anderen Prämie winkt: der Unterkunft in einer der günstigen Sozialwohnungen.

Nicht nur Utrecht, auch andere westeuropäische Städte suchen händeringend Deutschlehrer - obwohl immer weniger Schüler Deutsch lernen. Erstaunlich sei das nicht, sagt der Germanist Albrecht Plewnia vom "Institut für Deutsche Sprache" in Mannheim. Auch in Europa habe sich Englisch als bedeutendste Fremdsprache durchgesetzt.  "Sehr viele Menschen haben den Eindruck, dass die Englisch-Kenntnisse die zentrale sprachliche Schlüsselkompetenz ist. Diese Bedingung erfüllen sie - und sind dann der Meinung, damit sei den Fremdsprachenkenntnissen Genüge getan." 

Eine pragmatische Entscheidung

Viele Menschen sehen Fremdsprachen-Kenntnisse vor allem als Investition in die berufliche Qualifikation und denken dabei pragmatisch. glaubt Plewnia.  "Die Entscheidung, welche Sprache ich lerne, folgt normalerweise nicht ästhetischen Kriterien - also etwa der Frage, welche Sprache der Lernende besonders schön findet. Sondern sie lernen diejenige Sprache, deren Erwerb ihnen den größten ökonomischen Erfolg verspricht."

Deutsch in Buchstaben
Viel Durcheinander und ein Wort: "Deutsch" zusammengesetzt aus PlastikbuchstabenBild: picture-alliance/J.Kalaene

Diese Erwartung ist auch in Europa ganz offensichtlich mit dem Englischen verbunden. Aktuell stammen zwar noch die meisten Deutschlerner aus Europa, aber die Zahlen gehen hier besonders stark zurück. "Sehr viele Menschen sind der Ansicht, dass man mit Deutschland Geschäfte machen kann, ohne die Sprache zu kennen. Sie gehen davon aus, dass die Kommunikation über das Englische verläuft."

Weltweit ist die rückläufige Zahl  von Deutsch-Lernern einer Studie vom Goethe-Institut und dem Deutsche Akademischen Auslandsdienst zufolge zwar aktuell gestoppt, aber dies geht vor allem auf das gestiegene Interesse im außereuropäischen Ausland zurück.

Rückläufige Zahlen in Europa

Für den Sprachwissenschaftler Plewnia führt der Rückgang der Deutsch-Lerner zu einem "linguistischen Teufelskreis": Weniger Deutschlernende führen irgendwann auch zu einem verringerten Angebot. Wer Deutsch lernen will, hat also größere Mühe, einen angemessenen Unterricht zu finden als noch vor einigen Jahren, was wiederum zu Entmutigung beitragen könnte. 

Plewnia macht aber auch strukturelle Gründe für das Problem verantwortlich: "Die Hochschul-Germanistik ist in vielen Ländern Europas massiv zurückgefahren oder sogar gänzlich geschlossen worden." In den Niederlanden gebe es etwa keinen einzigen dezidiert germanistischen Lehrstuhl mehr. "Darum ist der Befund, dass in den Niederlanden nun Deutschlehrer fehlen, eigentlich gar nicht überraschend. In Großbritannien etwa haben wir eine ganz ähnliche Entwicklung. Dort sind viele deutsche Lehrstühle entweder bereits geschlossen worden oder werden geschlossen, sobald der Lehrstuhlinhaber das Pensionsalter erreicht."

Infografik Karte Verteilung der Deutschlernenden DE

Zunehmend würden klassische Lehrstühle für National-Philologien in Fächer wie European Studies oder Cultural Studies umgewandelt. Dies gilt nicht nur für das Deutsche, das im Rahmen der klassischen Germanistik gelehrt wird. Auch andere mittelgroße Sprachen sind mit dieser Entwicklung konfrontiert. "Dem Französischen geht es ganz ähnlich - kleineren Sprachen wie dem Niederländischen ohnehin. Niederländisch wird in Deutschland zwar teilweise noch unterrichtet. Aber in vielen anderen Ländern schon nicht mehr."

Lernende im außereuropäischen Ausland

Umso erfreulicher ist die Entwicklung im außereuropäischen Ausland. Hier interessieren sich - vergleichsweise - viele Menschen für Deutsch. So lernen etwa 120.000 Chinesen die Sprache, dazu 150.000 Inder, 25.000 Südkoreaner und knapp 240.000 Japaner. Positiv ist die Entwicklung auch in einigen afrikanischen Staaten. So lernen rund über 250.000 Ägypter und 230.000 Kameruner Deutsch - das sind mehr als in einigen europäischen Staaten.

Im Zuge der Flucht- und Migrationsbewegungen nach Deutschland insbesondere vom Jahr 2015 an wird Deutsch als Fremdsprache auch in Deutschland selbst immer stärker angenommen. Hilfreich seien dabei insbesondere die in den vergangenen Jahren erzielten didaktischen Fortschritte. Die seien nicht zuletzt dank neuer Techniken erzielt worden, sagt Albrecht Plewnia. "Viele Flüchtlinge verwenden Apps auf Handys als kleine Lernprogramme. Das ist natürlich sehr hilfreich."

Deutsch lernen Unterricht Flüchtlinge
Erste Schritte: Deutschkurs für Flüchtlinge (Archiv)Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Allerdings dürfe man sich nicht täuschen lassen: Sprachen lernen sei mit erheblichem Aufwand verbunden. Technische Hilfsmittel kämen den Lernenden zwar entgegen. "Aber letztlich ist es wie im normalen Schulunterricht: Digitale Tafeln alleine machen nicht von selbst einen guten Unterricht. Der entscheidende Schub geht von guten Lehrern aus. Und da haben wir in der Tat in vielen Ländern weltweit ein Problem." Hinzu kommt, dass Deutsch mit seinen vielen Flexionen als schwer zu erlernende Sprache gilt. Es gilt aber auch: Komplexität ist nicht nur ein Hindernis. Sondern auch eine Herausforderung, die Freude machen kann.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika