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Warum Isabelle Hanssen nicht in Peking ist

Dana Sumlaji
1. Februar 2022

Isabelle Hanssen hat die internationalen Olympia-Qualifikationskriterien für Peking erfüllt, nicht aber die niederländischen. Die Freestyle-Skifahrerin kritisiert, dass sich ihr Land nur auf Medaillen konzentriere.

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Isabelle Hanssen
Wäre gerne in Peking dabei: die Niederländerin Isabelle HanssenBild: Privat

"Das Wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht zu gewinnen, sondern daran teilzunehmen." Diese Aussage von Pierre de Coubertin, dem Begründer der modernen Olympischen Spiele, wird von der niederländischen Freestyle-Skifahrerin Isabelle Hanssen geteilt. Vom Nationalen Olympischen Komitee (NOC) ihres Landes aber nicht unbedingt.

Zum dritten Mal in Folge hat die elfmalige niederländische Meisterin Hanssen die internationalen Qualifikationskriterien für Olympische Winterspiele erfüllt, aber wie schon 2014 und 2018 wird sie wieder zu Hause bleiben. Sie hat die nationalen Anforderungen der Niederlande für einen Start in Peking nicht erfüllt. "Es ist wie eine emotionale Achterbahn, wenn man Hoffnung schöpft und diese Hoffnung dann zerstört wird", sagte Hanssen der DW, nachdem ein Richter ihren Einspruch gegen die Entscheidung des Niederländischen Skiverbands (NSV) abgewiesen hatte.

Seit ihrem Debüt im Freestyle-Weltcup im Jahr 2012 hat die Halfpipe-Fahrerin bei 22 Veranstaltungen 14 Platzierungen unter den Top 20 erreicht - darunter zwei in drei Wettbewerben dieser Saison. In der Weltrangliste rangiert sie derzeit auf Platz 14. Doch auch das reichte für den niederländische Olympia-Kader für Peking nicht aus.

Ausnahmen - aber nicht für sie

Hanssen ist besonders frustriert darüber, dass der NSV für zwei andere niederländische Athleten in ähnlicher Situation Ausnahmen gemacht hat: Der alpine Skifahrer Maarten Meiners und die Snowboarderin Michelle Dekker dürfen in Peking starten.

"Die Ausnahmen wurden in diesem Jahr wegen COVID-19 gemacht, weil viele Athleten nicht an so vielen Wettkämpfen wie sonst teilnehmen konnten", sagt die 27-Jährige. "Aber ich fand es seltsam, dass es für mich keine Ausnahme gab. Erst recht, weil ich von COVID stärker betroffen war als jene, bei denen die sie gemacht wurden."

NSV: "Nichts gegen Isabelle, aber ..."

Fritz Avis sieht das anders. Die Entscheidungen seien ausschließlich auf der Grundlage von Leistung und Medaillenchance getroffen worden, sagte der NSV-Geschäftsführer Fritz Avis der DW: "Ich stimme zu, dass Isabelle von COVID betroffen war wie die anderen. Aber wir haben die anderen beiden Athleten nach Ranglisten und ihren Finalchancen ausgewählt. Wir haben sie alle drei gleich behandelt. Nichts gegen Isabelle, aber sie hat die nationalen Anforderungen nicht erfüllt. Sie ist nicht einmal in Reichweite des Finales."

Letzteres räumt Hanssen in einem Beitrag auf LinkedIn zwar ein: "Ich bin nicht die beste Halfpipe-Fahrerin und habe kein Medaillenpotenzial. Aber ich habe meinen Olympia-Platz trotzdem verdient." Sie sähe es gerne, wenn der NSV mehr Vertrauen in den Halfpipe-Ski-Wettbewerb und andere kleinere Sportarten stecken würde - und mehr Geld. 

Andernfalls könne man auch keine Medaillen erwarten, sagt die Freestyle-Skifahrerin gegenüber der DW: "Nichts wird sich ändern, solange die Verantwortlichen nicht in den Sport investieren. Es wird sich nichts ändern, bis die Verantwortlichen des niederländischen Skiverbandes in den Ruhestand gehen und neue, jüngere Leute mit mehr Bezug zur Szene ihren Platz einnehmen. Die Leute, die jetzt an der Macht sind, sind engstirnig und konzentrieren sich nur auf Medaillen und Sportarten, die sie mögen."

Isabelle Hanssen
Isabelle Hanssen im WettbewerbBild: Halux Visions

Das Budget sei eben endlich, sagt NSV-Geschäftsführer Avis. Die Niederlande investierten zwar jeweils rund zwei Millionen Euro pro Jahr in ihre 20 Elitesport-Programme, das Etat sei jedoch knapp bemessen: "Wir haben viele andere Athleten, die wir nicht unterstützen, nicht weil wir es nicht wollen, sondern weil wir nicht das Geld für alle Disziplinen haben", so Avis: "Ich möchte den Athleten helfen, ihre olympischen Träume zu verwirklichen, aber wir müssen realistisch sein. Halfpipe-Skiing ist ein sehr kleiner Sport."

Gegen den olympischen Geist

Die Niederlande - eine Nation ohne Berge - haben strenge nationale Qualifikationskriterien, wenn es um die Olympischen Winterspiele geht. 2018 traten 33 niederländische Athleten in Pyeongchang an, 30 davon im Eisschnelllauf - sie gewannen acht Goldmedaillen und belegten Platz fünf im Medaillenspiegel. In diesem Jahr wurde das Team auf 41 aufgestockt, mit drei neuen Sportarten: Eiskunstlauf, Bob und Ski alpin. Halfpipe ist nicht dabei.

"Unser Ziel beim NSV ist es, in der Nationenwertung unter den Top Ten zu landen", erklärt Avis. Ein Ziel, das vom Nationalen Olympischen Komitee und der niederländischen Regierung geteilt wird. Isabelle Hanssen hat nun eine Crowdfunding-Aktion gestartet, um einen Teil der Prozesskosten für ihre gescheiterte Berufung wieder hereinzuholen. Sie ist davon überzeugt, dass es bei den Olympischen Spielen um mehr als nur ums Gewinnen geht. Pierre de Coubertin hätte ihr sicher zugestimmt.

Mitarbeit: Matt Ford

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.