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Deutsche Games international bedeutungslos

25. August 2021

Die Gamescom startet, doch weltweit erfolgreiche Videospiele kommen meist aus den USA, aus Japan oder Polen, aber nur selten aus Deutschland. Woran liegt das?

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Eine Hand hält einen Controller. Dahinter ist ein Monitor zu sehen, auf dem gerade ein Computerspiel stattfindet.
Deutschland knausert bei der SpiegelentwicklungBild: Unsplash/Teddy Guerrier

Große Autos kommen aus Deutschland, große Videospiele  eher nicht. Dabei ist das Bundesverkehrsministerium für beide Branchen zuständig. Trotz des enormen Umsatzes des deutschen Games-Marktes von 8,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 ist der Anteil heimischer Spiele-Entwicklungen gering. Zuletzt lag er bei unter fünf Prozent. Nur rund 10.000 Beschäftigte arbeiteten 2020 bei deutschen Spieleentwicklern und Publishern. Auch international spielt die deutsche Gamesindustrie kaum eine Rolle. "Es gibt strukturelle und politische Gründe, die dazu geführt haben", erklärt Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. "Der Computerspielemarkt ist ein internationaler Markt, auch für Entwicklerinnen und Entwickler. Wir haben aber sehr große Hürden für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus nicht EU-Ländern." Internationale Teams würden daher eher in anderen Ländern zusammengestellt, denn letztlich sei es egal, wo ein Spiel entwickelt werde.

"Computerspiele sind Kulturgüter"

Noch entscheidender sei jedoch ein zweiter Aspekt: die Förderung. Zwar gibt es neben der Computerspieleförderung in den einzelnen Bundesländern seit 2019 auch eine Förderung auf Bundesebene, doch sie ist nicht etwa angegliedert an das Bundeswirtschaftsministerium oder die Kulturstaatsministerin, sondern an das Ministerium für Verkehr und Digitales. "Das ist ein ungewöhnliches Vorgehen, was bei der Einbindung dieser Förderungsstrukturen in größere Programmbereiche bisher sehr hinderlich gewesen ist", kritisiert Olaf Zimmermann. "Für mich sind Computerspiele eindeutig Kulturgüter und ich würde es erheblich spannender finden, wenn auch die Computerspieleförderung im Kulturbereich angesiedelt wäre."

Videospiele hatten lange Zeit ein schlechtes Image

Daneben hat sich die deutsche Politik lange schwergetan im Umgang mit digitalen Spielen. Noch vor gut zehn Jahren galten brutale Computerspiele als Auslöser für tatsächliche Gewalttaten, zudem wurden sie oft in einem Zug mit Computerspielsucht genannt. "Wir haben viele Debatten gehabt und sie teilweise emotionaler oder auch holzschnittartiger geführt als in manchen anderen Ländern", erinnert sich Olaf Zimmermann. "Aber wir sind glücklicherweise über diesen Punkt deutlich hinaus." Die Sicht auf Computerspiele habe sich "extrem positiv verändert".

Olaf Zimmermann steht vor einem pinkfarbenen Schild des Deutschen Kulturrats.
Als Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats macht sich Olaf Zimmermann für Videospiele starkBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Aber auch die Computerspielebranche selbst müsse sich bewegen, mahnt Zimmermann. "Der Computerspielebereich muss sich als normaler Kulturbereich empfinden und fühlen", sagt er. "Entwicklerinnen und Entwickler sind meiner Ansicht nach Künstlerinnen und Künstler. Aber die wenigsten sagen das von sich." Dabei würde ein Selbstverständnis als Künstlerin oder Künstler zu mehr Autonomie führen, zu mehr Selbstbewusstsein eigene Ideen zu entwickeln. Und nicht zuletzt zu weniger Abhängigkeit von Publishern, den Produzenten von Spielen, die sich um die Finanzierung, die Werbung und den Vertrieb kümmern, die aber auch inhaltlich Einfluss auf das Spiel selbst nehmen können.

Computerspieleförderung in Deutschland

Aktuell werden 58 Projekte (Stand 13.08.2021) vom Bund gefördert. Die Beträge reichen von rund 30.000 Euro bis zu 2,23 Millionen Euro. Auch das 2008 gegründete Münchner Studio Mimimi Games hat für sein neuestes Projekt mit dem Arbeitstitel "Süßkartoffel" die Bundesförderung erhalten. "Die Förderung macht schon einen sehr großen Unterschied. Sie ermöglicht uns zum ersten Mal, den Vertrieb selber zu machen. Wir haben niemanden, der uns kreative Vorgaben macht und der finanzielle Gewinn am Ende ist natürlich ein ganz anderer", sagt Studio-Gründer Dominik Abé. Das Geld fließe vor allem in neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Dominik Abé
Gründer des Münchner Studios Mimimi Games: Dominik AbéBild: Simon Troll

Inzwischen arbeiten rund 30 bis 40 Beschäftigte bei Mimimi Games. Die Förderung unterstütze das Studio dabei, ein noch größeres und hochwertigeres Spiel erschaffen zu können. "Wir hätten sonst sehr starke Einschränkungen gehabt und hätten kleiner denken müssen. Jetzt können wir das Risiko eingehen, manche Ideen auszuprobieren." Das sei auch notwendig, denn die Konkurrenz sei groß. "Wenn ein Spiel gut ist, kannst du es verkaufen, wenn du Glück hast. Aber wenn es wirklich zu 100 Prozent super ausschaut, die Mechanik oder die Story toll ist, dann hat ein Spiel wirklich die Chance, dass es raussticht." Das sei wichtig, damit es nicht in der Masse der täglich erscheinenden Spiele untergeht.

Wie macht man gute Spiele für ein internationales Publikum?

Bislang scheinen die Münchner ein gutes Händchen zu haben. Beim Deutschen Computerspielepreis wurde das Studio als bestes deutsches Studio ausgezeichnet, das zuletzt veröffentlichte Spiel "Desperados III" wurde zum Spiel des Jahres gewählt. Auch bei den Game Awards war es nominiert, einem der international wichtigsten Preise für Videospiele.

Wie also macht man gute Spiele für ein internationales Publikum? Es sei sehr schwer vorherzusagen, was am Ende funktioniere und was nicht, sagt Abé. Die Qualität müsse stimmen, dennoch sei es manchmal auch einfach Glück, den Zeitpunkt zu erwischen, an dem Spielerinnen und Spieler auf genau ein solches Spiel Lust haben. Denn Trends wandeln sich ständig. Im Fall des Echtzeit-Taktik-Spiels "Desperados III", das thematisch im Wilden Westen angesiedelt ist, scheint es die Mischung aus Zugänglichkeit, Spieltiefe, Witz und einer ansprechenden Optik zu sein, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA und China gut ankommt.

Screenshot aus dem Spiel "Desperados III" (2020) zeigt einen Kirchplatz mit hölzerner  Dorfkirche
Hat nicht nur in Deutschland Fans: das Schleichspiel "Desperados III"Bild: Mimimi Games

"Wir wollen erfolgreiche Spiele machen und haben den Anspruch, dass ein Spiel sich verkaufen muss. Aber wir sagen genauso: Wir wollen uns selber ausdrücken und in der Geschichte Themen auf unsere Art und Weise beleuchten, weil wir unsere Ansichten teilen wollen", sagt Dominik Abé, Creative Director von "Desperados III". "Wir sehen uns schon als Teil der Kulturszene." Mindestens 50 Prozent ihrer Arbeit sei künstlerisch, schätzt er und gibt ein paar Beispiele: "Wenn wir Musikstücke schreiben, die sich dynamisch verändern, wenn wir einen Charakter modellieren oder eine Geschichte schreiben, dann ist das Kunst."

Gaming-Standort Deutschland: Vorteile und Nachteile

Mimimi Games wächst mit jedem neuen Spiel. Doch von einer AAA-Schmiede ist das Studio weit entfernt. Und damit ist es nicht allein. "Was schon noch fehlt in Deutschland, sind sehr große AAA-Studios, die international große Spiele rausbringen. Ich glaube diesen Boost braucht es. Das würde Spieleentwickler anziehen", sagt Dominik Abé. Deutschland könne zudem mit guten Arbeitsbedingungen und einem guten Gesundheitssystem überzeugen, eben eine gute Lebensqualität bieten. Einen Einwand aber hat er doch: "Wenn man auf die Wirtschaftlichkeit schaut, ist Deutschland für Arbeitgeber eher teuer. In Osteuropa werden sehr viele große Studios gegründet, denn da ist die Produktion insgesamt günstiger."

Jugendliche blicken auf ihre Smartphones
Ziemlich erfolgreich: Handyspiele und Browser-GamesBild: imago/Future Image

Ein häufig ausgeklammerter Bereich, obwohl er in Deutschland der mit Abstand umsatzstärkste ist, ist der Markt für Mobile- und Browser-Games. Von den vier größten Entwicklerstudios in Deutschland entwickeln drei genau diese Handy- und Browserspiele. Aber geht's auch eine Nummer größer? Dass große Titel wie "GTA V", die mit Hollywood-Blockbustern vergleichbar seien, in naher Zukunft in Deutschland entwickelt würden, hält Zimmermann für unrealistisch. Er sieht das Potential anderer Stelle: "Künstlerisch anspruchsvolle Computerspiele könnte ich mir für Deutschland als spannende, aber deshalb zentrale Nische vorstellen", so Zimmermann. Doch auch hierbei bedürfe es einer vernünftigen Förderung, denn Computerspiele herzustellen, ist teuer. "Wenn man international mitspielen will, kostet das Geld. Und zwar nicht nur einmalig, sondern man muss bereit sein, zum Beispiel eine Computerspieleautorin über längere Zeit zu unterstützen, damit solche Produkte auch wirklich künstlerisch entwickelt werden können. Da sehe ich für uns die ganz große Chance."