Warum das "Gedächtnis" der Fettzellen Abnehmen erschwert
24. November 2024Sein Gewicht zu halten kann schwierig sein. Da hat man monatelang erfolgreich Diät gehalten und Sport getrieben - und dann muss der Körper hart kämpfen, damit die verlorenen Kilos nicht wieder zurückkehren.
Eine neue Studie erklärt warum: Das "Gedächtnis" der Fettzellen ist schuld. Denn Fettzellen verfügen über ein biologisches Erinnerungsvermögen, das sich an vergangenes Übergewicht erinnert und versucht, diesen Zustand wiederherzustellen - diese Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht.
Die Forschenden stellten fest, dass sich bei einer Gewichtszunahme nicht die Anzahl der Fettzellen ändert, sondern die Art, wie die vorhandenen Fettzellen Nährstoffe speichern. Dieses "Gewichtsgedächtnis" kann sich noch Jahre nach einem Gewichtsverslust an das verlorene Gewicht erinnern.
"Unsere Studie gibt einen Hinweis darauf, warum es so schwierig ist, nach einer Gewichtsabnahme sein Gewicht zu halten. Das bedeutet, dass man gegen diese Erinnerungen 'ankämpfen' muss, um sein Gewicht zu halten", sagt Ferdinand von Meyenn, einer der Ko-Autoren der Studie und Assistenzprofessor am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich.
Fettzellen bewirken Jo-Jo-Effekt
Dem "Gedächtnis der Fettzellen" kamen die Forschenden auf die Spur, als sie das Fettgewebe von Personen vor und nach einer Operation zur Gewichtsreduktion untersuchten. Sie verglichen es mit dem Fettgewebe von Menschen, die nicht an Fettleibigkeit litten.
Dabei stellten sie fest, dass bei der Gruppe der Fettleibigen einige Gene im Fettgewebe aktiver waren als in der Kontrollgruppe. Diese genetischen Veränderungen waren noch lange nach der Gewichtsreduktionsbehandlung wirksam.
Daraus folgerten die Forschenden, dass sich das molekulare Gedächtnis in den Fettzellen auf epigenetische Veränderungen des Genoms zurückführen lässt.
Epigenetische Veränderungen finden statt, wenn Umweltfaktoren die Gene beeinflussen. Das bedeutet, dass eine schnelle Gewichtszunahme nicht unbedingt auf erbliche Faktoren zurückzuführen ist, sondern auch durch Ereignisse in unserem Leben ausgelöst werden kann.
Nährstoffe werden anders gespeichert
In weiteren Untersuchungen stellten die Forschenden fest, dass die Fettzellen von übergewichtigen Mäusen anders auf Nahrung reagierten als die Fettzellen von Mäusen ohne Übergewicht.
"Bei Mäusen konnten wir beobachten, dass ehemals übergewichtige Mäuse schneller an Gewicht zulegten, wenn sie eine kalorienreiche Ernährung erhielten. Indirekte Hinweise für ein solches Gedächtnis fanden wir auch beim Menschen", erklärt Laura Hinte, Ko-Autorin der Studie und Expertin für Ernährung und metabolische Epigenetik an der ETH Zürich.
Das legt nahe, dass die Erinnerung an die Fettleibigkeit die Fettzellen dazu veranlasst, sich schneller zu vergrößern und mehr Nährstoffe aufzunehmen. "Das erklärt, warum viele Menschen feststellen, dass sie nach einer Diät schneller wieder zunehmen, als sie zuvor abgenommen haben," erläuert Penny Ward, Gastprofessorin am King's College London.
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Zürich versuchten auch, Mäuse auf Diät zu setzen, damit diese an Gewicht verlieren. Das Gedächtnis der Mäuse, die zuvor übergewichtig waren, erinnerte sich an ihr früheres Übergewicht und sie nahmen schneller wieder zu als die Mäuse in der Kontrollgruppe.
"Dieses Gedächtnis scheint die Zellen darauf vorzubereiten, schneller auf eine zucker- oder fettreiche Ernährung zu reagieren", schreibt von Meyenn der DW. "Das könnte mit der Gewichtzunahme nach einer Diät in Zusammenhang stehen."
Evolutionäre Vorteile
Die Autoren der Studie halten es für wahrscheinlich, dass auch andere Faktoren im Körper zum Jo-Jo-Effekt beitragen.
"Die Erinnerung der Fettzellen [an das Übergewicht] erklärt die schnelle Gewichtzunahme nicht allein", erläutert von Meyenn. "Sollten ähnliche Mechanismen in den Gehirnzellen existieren, die zum Beispiel die Nahrungsaufnahme steuern, könnte das dazu beitragen, den Jo-Jo-Effekt bei der erneuten Gewichtszunahme zu erklären."
Aus evolutionärer Sicht ergebe das Sinn, ist von Meyenn überzeugt. Menschen und andere Tiere sind darauf eingestellt, ihr Körpergewicht zu halten, nicht, es zu verlieren, denn im Laufe der Geschichte war Nahrungsmittelknappheit eine häufige, immer wieder auftretende Herausforderung.
"Auf gesellschaftlicher Ebene könnte dies für Menschen, die mit Fettleibigkeit zu kämpfen haben, ein Trost sein. Für ihre Schwierigkeiten, eine Gewichtsabnahme zu halten, ist möglicherweise nicht nur mangelnde Willenskraft oder Motivation verantwortlich, sondern das tiefere Zellgedächtnis, das sich aktiv gegen Veränderungen wehrt", meint von Meyenn.
Wie lange erinnern sich die Fettzellen?
Möglicherweise verblasst das Gedächtnis der Fettzellen mit der Zeit, doch wie lange dies dauert, können die Autoren der Studie nicht sagen.
"In dem Zeitraum, den wir betrachtet haben – zwei Jahre bei Menschen und acht Wochen bei Mäusen – hielten die Veränderungen in den Zellen des Fettgewebes an. Möglicherweise werden die Erinnerungen ausgelöscht, wenn das Gewicht über einen längeren Zeitraum gehalten wird", erklärt Hinte der DW.
Menschliche Fettzellen haben eine Lebensdauer von etwa zehn Jahren, es ist also möglich, dass die Erinnerung an die Fettleibigkeit in den Zellen nach zehn Jahren erlischt. Zurzeit gibt es keine pharmakologischen Möglichkeiten, die Fettzellen dazu bringen könnten, ihre Erinnerung an die Speicherung von Nährstoffen zu "vergessen".
Ko-Autorin Ward glaubt, dass es in Zukunft möglich sein könnte, adipöses Gewebe zu reprogrammieren, so dass es nicht zu einer erneuten Gewichtszunahme kommt, sobald eine Diät beendet oder Medikamente zur Gewichtsabnahme abgesetzt werden.
"Es ist jedoch noch ein weiter Weg, bis diese Beobachtungen genutzt werden können, um Behandlungsmethoden zur Deprogrammierung dieser Veränderungen zu entwickeln und zu testen", schreibt sie in einer E-Mail an die DW.
Möglicherweise reiche es aus, ein reduziertes oder gesundes Körpergewicht lange genug zu halten, bis das "Gedächtnis" vergessen hat, doch dafür, fügt Ward hinzu, seien weitere Studien erforderlich.