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Tod durch Steine

Lina Elter20. Juli 2007

Seit über einem Jahrzehnt sitzt Mokarrameh Ebrahimi im Gefängnis. Jeden Tag muss sie fürchten, gesteinigt zu werden. Sie ist wegen Ehebruchs verurteilt. Ihr Partner Jafar Kiani wurde bereits gesteinigt.

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Eine eingegrabene und verletzte Frau, die von Steinen umgeben ist (AP Photo/Yves logghe)
Eine Frau protestiert vor dem Europarat in Brüssel gegen Steinigungen im IranBild: AP

Mokarrameh Ebrahimi sitzt seit elf Jahren im Choubin Gefängnis in der iranischen Provinz Ghazvin. Ihr elfjähriger Sohn Ali ist bei ihr. Anfang Juli hat Ali seinen Vater Jafar Kiani verloren und Ebrahimi ihren Partner. Kiani wurde gesteinigt. Auch Ebrahimi droht der gleiche Tod. Sie hat mit Kiani zusammengelebt, obwohl sie mit einem anderen Mann verheiratet war. Vor elf Jahren wurden sie und ihr Partner nach Artikel 83 des iranischen Strafgesetzbuchs wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt.

Angst und Schrecken verbreiten

Menschenrechtlerin Mina Ahadi
'Das Regime im Iran ist brutal' - Menschenrechtlerin Mina AhadiBild: PA/dpa

"Die Steinigung ist eine barbarische und unmenschliche Strafe", sagt Mina Ahadi, die Vorsitzende des internationalen Komitees gegen Steinigung. "Steinigungen sind ein Skandal. Man sollte noch mehr darüber reden und noch mehr Druck auf das iranische Regime ausüben." Im Dezember 2002 hatte weltweiter Druck dazu geführt, dass der Justizminister im Iran entschied, diese Hinrichtungsart nicht mehr anwenden zu lassen. Obwohl die Steinigung von Jafar Kiani die erste ist, die Teheran seitdem offiziell bestätigt hat, sind laut der iranischen Menschenrechtlerin Mina Ahadi bereits vorher schon wieder Menschen gesteinigt worden.

"Internationaler Druck kann auf jeden Fall dazu führen, dass die iranische Regierung diese Strafe gesetzlich abschafft", sagt Gasser Abdel-Razek, der Regionaldirektor von Human Rights Watch (HRW) für den Nahen Osten und Nordafrika. Man müsse gerade die Kräfte im Iran unterstützen, die sich gegen die Steinigungen engagieren. Im Iran gibt es, soweit die eingeschränkte Meinungsfreiheit es zulässt, durchaus Proteste und Kampagnen gegen Steinigung. "Die Menschen im Iran sind gegen diese Strafe", sagt Mina Ahadi. Schon die Gerichtsprozesse seien nicht gerecht. "Aber das pragmatische Regime im Iran hält an diesem politisch organisierten Mord fest, weil es Angst und Schrecken verbreiten will, um seine Macht zu sichern. Steinigungen sind ein Instrument des politischen Islam."

Ins Totenhemd gewickelt

Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, undatierte Presseaufnahme, 2007 Foto: Privat
'Das iranische Justizsystem ist politisch beeinflusst' - Gasser Abdel-Razek von HRWBild: Privat

Bei einer Steinigung werden die Verurteilten lebendig in ein baumwollenes Leichentuch gewickelt und dann in ein Erdloch eingegraben. Eine Gruppe von Männern, meist Justizbeamte und Revolutionswächter werfen die Steine, deren Größe im iranischen Gesetzbuch genau festgelegt ist: Sie dürfen nicht so groß sein, dass der Gesteinigte sofort stirbt, wenn er von einem oder zwei getroffen wird.

Wem das schier Unmögliche gelingt und wer sich aus dem Loch befreit, der kann hoffen, dass ihm seine Strafe erlassen wird. Männer haben dabei eine größere Chance, weil sie nur bis zur Hüfte eingegraben werden, Frauen aber bis zur Brust. Im Iran werden überproportional viele Frauen zur Steinigung verurteilt. "Das hängt damit zusammen, dass Frauen kulturell viel stärker als die Verantwortlichen für Ehebruch gesehen werden", sagt Gasser Abdel-Razek von HRW.

Hoffnung für Mokarrameh Ebrahimi

Steinigung in Pakistan
Vollstreckte Steinigung eines Mannes im Nordwesten PakistansBild: PA/dpa

Laut HRW ist die Steinigung auch im Sudan und in Saudi-Arabien eine legale Hinrichtungspraxis. Aber auch in anderen Staaten, wie in der Türkei, in Pakistan, Irak und Afghanistan, wo es keine Gesetzesgrundlage dafür gibt, seien Fälle von Steinigung bekannt geworden. HRW zufolge verstößt Iran mit der Steinigung gegen ein von Teheran unterzeichnetes internationales Menschenrechtsabkommen, in dem festgelegt ist, dass kein Mensch grausamer, unmenschlicher und demütigender Strafe ausgesetzt werden soll.

Die für den 21. Juni dieses Jahres geplante Steinigung von Jafar Kiani und Mokarrameh Ebrahimi war von den iranischen Behörden wegen weltweiten Protests ausgesetzt worden. Trotzdem wurde Kiani am 5. Juli in der Nähe der Stadt Takestan öffentlich gesteinigt. Auch im Fall von Ebrahimi kann das gleiche passieren. Trotzdem gibt es noch Hoffnung für die 43-jährige Mutter. "Mokarrameh kann der Steinigung entkommen, wenn wir genug weltweiten Druck ausüben", sagt Mina Ahadi. "Wir können sie noch retten."