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Wann kommt ein Klimawandel in der Formel 1?

Jonathan Harding
5. November 2021

Die Formel 1 ist dank des Duells zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton hochspannend. Das kaschiert die negativen Begleiterscheinungen der Königsklasse des Motorsports. Wie lange lassen sie sich noch rechtfertigen?

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British Grand Prix I Formel 1 I Silverstone
Kann die Formel 1 weiterbestehen, wenn schädliche Umwelteinflüsse dringend reduziert werden müssen?Bild: Peter Cziborra/REUTERS

Die Formel 1 erlebt gerade eine tolle Saison: Beflügelt vom abwechslungsreichen Titelkampf zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton, dem Erfolg der Netflix-Doku-Serie "Drive to Survive" und dem Marketing des Formel-1-Eigners Liberty Media wächst das Interesse an der prestigeträchtigsten Motorsportserie stark. Aber zu welchem Preis?

Der internationale Kurierdienst DHL, einer der Hauptsponsoren der Formel 1, gab bekannt, dass er für die Saison 2021 bis zu 120.000 Transport-Kilometer zurückgelegt hat, um Autos, Teams, Übertragungs- und Hospitality-Ausrüstung sowie Treibstoff und Reifen zu liefern. Dies entspricht drei Reisen rund um den Erdball mit etlichen Tonnen Material.

Nur wenige Tage nachdem der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, in seiner Rede auf der 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow bekräftigt hat, dass die Existenz der Welt, wie wir sie kennen, durch die "Sucht der Menschheit nach fossilen Brennstoffen" bedroht ist, erscheint die Idee unverantwortlich, Motorsportteams innerhalb eines Jahres in 21 Länder zu fliegen, nur damit 22 Autos mit 1.000 PS knapp zwei Stunden lang über eine Rennstrecke fahren können. 

Große Pläne im Kampf gegen Klimawandel

Im vergangenen Jahr stellte die Formel 1 eine Klimastrategie vor. Dazu gehören neue Motoren, die bis 2030 zu 100 Prozent nachhaltig betrieben und kohlenstoffneutral sein sollen, Anreize für eine umweltfreundlichere Anreise der Fans, nachhaltigere Materialien, eine hocheffiziente Logistik und zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betriebene Büros, Einrichtungen und Fabriken.

Formel 1 | Spanien | Circuit de Barcelona-Catalunya
Jedes zweite Wochenende woanders: Die mobilen Motorhomes der Teams reisen mit zu jedem RennenBild: Mark Sutton/Motorsport Images/imago images

Das klingt alles sehr vielversprechend und angesichts der Geschichte des Motorsports bei der Entwicklung von Technologien, die den Fortschritt von Alltagsautos unterstützt haben, mag man geneigt sein, der Formel 1 zu glauben, dass sich all das umsetzen lässt.

Doch trotz aller Ankündigungen von ultraeffizienter Logistik bleibt die riesige Menge an CO2-Emissionen für den Sport ein Problem. Die Formel 1 hat in einem Nachhaltigkeitsbericht offengelegt, dass 45 Prozent der 256.551 Tonnen CO2-Emissionen der Saison 2018 auf den Transport der Teams und ihrer gesamten Ausrüstung zurückzuführen waren. Zieht man die Daten der US-Umweltschutzbehörde heran, um diese 256.551 Tonnen CO2 in einen Kontext zu setzen, entspricht dies dem CO2-Ausstoß von 55.795 PKW, die ein Jahr lang gefahren werden.

Weniger Fracht, effizientere Transporte

Auf DW-Anfrage erklärte die Formel 1, dass sie seit der Einführung ihrer Klimastrategie im November 2019 "große Fortschritte bei der Reduzierung der Menge an Ausrüstung gemacht hat, die wir zu den Rennen schicken". So habe sie als Reaktion auf die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr einen Zweijahresplan für ferngesteuerte TV-Übertragungen innerhalb von nur acht Wochen umgesetzt. Durch die Verlagerung von mehr technischer Ausrüstung zurück nach Großbritannien habe die Zahl der zu den Rennen entsandten Mitarbeiter um 36 Prozent und die Zahl der zu den Rennen versandten Frachtgüter um 34 Prozent reduziert werden können.

Nach Angaben der Formel 1 wurden dadurch 70 Tonnen Fracht pro Rennen eingespart, was bei den 17 Rennen der letzten Saison insgesamt knapp 1200 Tonnen Fracht entspricht, die nicht transportiert wurden. Es bleibt zu hoffen, dass in dieser Saison, in der 22 Rennen auf dem Programm stehen, ähnliche, wenn nicht noch größere Einsparungen erzielt werden können.

Deutschland | Luftfrachtzentrum Köln-Bonn
Bald umweltfreundlicher unterwegs? Die Formel 1 will künftig weniger mit älteren Frachtmaschinen fliegen Bild: Jochen Tack/picture alliance

Laut eigenen Angaben hat die Formel 1 zudem in die Aufrüstung ihrer ULD-Versandcontainer (Unit Load Devices) investiert. Dies soll es ihr ermöglichen, von einer älteren Flotte von Boeing-747-Flugzeugen auf treibstoffeffizientere 777-Flugzeuge umzusteigen und mehr Flexibilität bei der Wahl umweltfreundlicherer Transportarten wie Schiene, Straße und Seefracht zu bieten. Dies und das Pflanzen von Bäumen zum Ausgleich ihrer Emissionen sind positive Schritte, aber reichen sie aus? Kann ein Sport, zu dessen globalen Partnern Aramco, der weltweit größte Ölproduzent und das profitabelste Unternehmen der Welt, sowie Emirates, die größte Fluggesellschaft im Nahen Osten, gehören, nicht noch mehr tun?

Und was ist mit den Emissionen aus Geschäftsreisen? In dem bereits erwähnten Nachhaltigkeitsbericht 2018 wurden 27,7 Prozent der Emissionen durch Geschäftsreisen verursacht, definiert als "alle individuellen Flug- und Bodentransporte sowie die Hotelkosten für alle Mitarbeiter der F1-Teams und der wichtigsten Veranstaltungspartner".

Ein neuer Bericht ist derzeit in Arbeit und wird am Ende dieser Saison oder zu Beginn der nächsten erwartet. Die Formel 1 erklärte gegenüber der DW, dass sie "sich verpflichtet hat, ihren Kohlenstoff-Fußabdruck in allen Emissionsbereichen zu reduzieren, und auf diesem Weg von unseren kommerziellen Partnern unterstützt wird".

Reduktion trotz Expansion?

In der Zwischenzeit werden die Rennen weitergehen. In der nächsten Saison steht eine Rekordzahl von 23 Grand Prixs auf dem Programm, die zehn Teams werden in 21 verschiedenen Ländern an den Start gehen. Kann die Formel 1 angesichts einer Rekordsaison trotzdem alle Versprechen eines nachhaltigen Wandels einlösen?

Die Fahrer und Teamchefs sind sich bewusst, dass sich der Sport ändern muss. Sebastian Vettel hat wiederholt gefordert, dass die Formel 1 mehr für die Nachhaltigkeit tun sollte. Auch Lewis Hamiltons langjähriges Engagement für die Umwelt ist zu begrüßen. Trotzdem entfernt sich die Formel 1 trotz der jüngsten Bemühungen immer weiter von den Erfordernissen, die der Klimawandel vorgibt. Die Formel 1 mag immer beliebter werden, aber der teuerste Wanderzirkus im Sport muss sein Versprechen einlösen, sein Auftreten drastisch zu ändern.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.