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Waldschutzgesetz gefährdet Amazonas-Region

26. Mai 2011

Nach hitzigen Diskussionen im brasilianischen Abgeordnetenhaus wurde die umstrittene Änderung des Waldschutzgesetzes gebilligt. Das letzte Wort hat jedoch die Präsidentin.

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Luftaufnahme vom Amazonasurwald in Brasilien (Foto: AP)
Von Abholzung bedroht: Die "grüne Lunge" der ErdeBild: Art Wolfe/SAVE

Nach wochenlangen Spannungen und Konflikten hat das brasilianische Abgeordnetenhaus am Mittwoch (25.05.) den neuen Entwurf des brasilianischen Waldschutzgesetzes "Código Florestal" verabschiedet. 410 Abgeordnete stimmten dafür, 63 dagegen. Jetzt muss der Senat den Text noch absegnen, bevor Brasiliens Präsidentin, Dilma Rousseff, ihn unterzeichnet.

Die hitzigste Debatte um das Gesetz, das den Umgang mit der größten Waldfläche der Welt regelt, wurde über die sogenannte "Erweiterung 164" geführt. Sie behandelt die Gebiete, die unter dauerhaftem Schutz stehen. Nach derzeit geltendem Recht sollen diese Gebiete – Gewässer, Bergspitzen, Dünen, Berghänge, Mangrovenwälder, auch in urbanen Gebieten – unberührt bleiben.

Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff hat das letzte Wort über das Waldschutzgesetz (Foto: AP)
Präsidentin Dilma Rousseff muss abschließend über das Waldschutzgesetz entscheidenBild: dapd

Marina Silva, Senatorin und ehemalige Umweltministerin, hält den gesamten Entwurf, der von dem Abgeordneten Aldo Rebelo verfasst wurde, für problematisch. "Was dabei herausgekommen ist, ist kein Waldschutzgesetz, sondern leider vielmehr ein Landwirtschaftsgesetz, das Viehzucht, Eukalyptuspflanzungen und Landwirtschaft an Flussufern, auf Berggipfeln und an Quellen erlaubt. Es ist in jeder Hinsicht ein Rückschritt", bedauert sie.

Der Mittelpunkt des Disputs: Paragraph 164

Die umstrittene Erweiterung, die mit 273 gegen 182 Stimmen und zwei Enthaltungen verabschiedet wurde, sieht eine Amnestie für diejenigen vor, die sich nie an diesen Paragraphen des Gesetzes gehalten haben. Damit werden Landwirtschaft und Viehzucht in Naturschutzgebieten durch die Hintertür legalisiert. Laut Entwurf gilt die Amnestie nur für diejenigen, die bis zum 22. Juli 2008 Naturschutzgebiete gerodet haben. An diesem Tag wurde das zweite Dekret veröffentlicht, das Verstöße gegen den Umweltschutz regelt. Die Erweiterung gibt den Bundesstaaten auch das Recht, weitere Gründe zu definieren, die die Nutzung gerodeter Gebiete rechtfertigen. Dies wurde von der Bundesregierung in Brasilia mit Unmut aufgenommen, da sie die alleinige Entscheidungsmacht in dieser Frage beansprucht.

Gefällte Bäume liegen am Rande eines Urwaldes in der Amazonasregion in Brasilien (Foto: dpa)
Schon jetzt ist ein Fünftel des Amazonas-Urwaldes durch Rodung zerstörtBild: picture-alliance/dpa

Vor der Abstimmung warnte der Vorsitzende der Regierungskoalition, der Abgeordnete Cândido Vaccarezza, Präsidentin Rousseff werde gegen die Legalisierung landwirtschaftlicher Aktivitäten in Naturschutzgebieten ihr Veto einlegen, wenn der Text im Senat nicht geändert werde. Schätzungen zufolge stehen zwanzig Prozent des brasilianischen Staatsgebietes unter dauerhaftem Naturschutz.

Die brasilianische Umweltministerin Izabella Teixeira sagte, die Position der Präsidentin sei eindeutig. "Sie akzeptiert keine Amnestie für diejenigen, die großflächige Abholzungen vorgenommen haben. Sie akzeptiert auch keine Rodungen in Gebieten, die unter dauerhaftem Schutz stehen. Die gesetzlichen Naturschutzgebiete müssten wiederhergestellt werden und es müsse dafür eine Handhabe geben.

Elke Mannigel, Koordinatorin internationaler Projekte der Stiftung OroVerde, hat bereits in Amazonien gearbeitet und fürchtet um die Zukunft des Regenwaldes. "Für den Schutz des Waldes ist das ein Rückschritt. Brasilien war mit seinen vorherigen, viel strikteren Gesetzen, ganz weit vorn." Nicht nur die Amnestie für Umweltsünder ist ein kritischer Punkt; die "Lizenz zum Abholzen" kann das Versprechen der Regierung gefährden, die Abholzung des Amazonas-Gebietes zu verringern, so die Expertin.

Nationale Kampagne für ein Veto

Ex-Umweltministerin Marina Silva kritisiert das neue Waldschutzgesetz (Foto: AP)
Ex-Umweltministerin Marina Silva sieht in dem neuen Gesetz einen RückschrittBild: AP

Die frühere Umweltministerin Marina Silva teilt die Einschätzung von Mannigel: "Die Abholzung ist im Bundesstaat Mato Grosso allein durch die Möglichkeit, dass das Gesetz genehmigt wird, um 450 Prozent gestiegen, und wird jetzt außer Kontrolle geraten." Im Senat wird noch diskutiert, doch hier sind die Gespräche komplizierter als sie es bereits im Abgeordnetenhaus waren.

Die Senatorin wird sich nach eigener Aussage intensiv dafür einsetzen, dass die Kollegen alle "Fehler" im bereits von den Abgeordneten verabschiedeten Entwurf korrigieren. Wenn das nicht möglich sei, bleibe nichts anderes übrig, als eine nationale Kampagne für ein Veto ins Leben zu rufen, sagt Marina Silva. "Denn im zweiten Durchgang, als Präsidentin Rousseff um meine Unterstützung bat, habe ich einige Punkte genannt, für die sie einstehen sollte. Einer dieser Punkte, zu denen sie sich verpflichtet hat, war ein Veto gegen jegliches Gesetz, das einen Anstieg der Abholzung bedeutet."

Verteidiger des Projekts

Der Verfasser des Gesetzentwurfes, der Abgeordnete Aldo Rebelo weist die Kritik von sich und betont, er habe zum Vorteil der kleinen Produzenten und der Landwirtschaft Brasiliens gearbeitet: Brasilien müsse seine Landwirte gegen die Konkurrenz der subventionierten Landwirtschaft durch die reichen Länder schützen, erklärt Aldo Rebelo." Ich kann mir keine Verfechter der französischen Landwirtschaft vorstellen, die von ihren Landsleute ausgebuht werden, und auch keine Verfechter der US-amerikanischen Landwirtschaft, die von ihresgleichen kritisiert werden."

Das brasilianische Waldschutzgesetz von 1965 wurde durch provisorische Maßnahmen, Dekrete, ministerielle Erlasse, Resolutionen des Nationalen Umweltrates, und anderes im Laufe der Jahre immer wieder abgeändert. Laut Rebelo habe das Land heute 16.000 föderale, staatliche und kommunale Richtlinien, die ein und den gleichen Sachverhalt regeln.

Soja-Plantage im Bundestaat Mato Grosso, Brasilien (Foto: AP)
Der Urwald muss riesigen Soja-Plantagen weichenBild: Gleice Mere

Das Waldschutzgesetz unterscheidet zwischen zwei Arten von Umweltschutzgebieten: Die Gebiete, die unter dauerhaftem Schutz stehen und die gesetzlichen Naturschutzgebiete, Urwald in ländlichen Zonen, der nicht gerodet werden darf. In dem neuen Text sind die Vorgaben für den Schutz von gesetzlichen Naturschutzgebieten innerhalb von Landgütern gleich geblieben: In Amazonien müssen achtzig Prozent des Gebietes in Urwäldern unberührt bleiben; in den Steppen sind es 35 Prozent und in allen anderen ländlichen Regionen muss ein Fünftel der Fläche intakt erhalten werden. Umgerechnet auf ganz Brasilien steht so ein Fünftel der Landesfläche unter Naturschutz.

Die illegale Rodung in den dauerhaften Schutzgebieten und den gesetzlichen Naturschutzgebieten in Amazonien ist der häufigste Verstoß gegen den Código Florestal. Das geht aus Daten des brasilianischen Instituts für Umwelt und erneuerbare Energien Ibama hervor. Bis zum 22. Juli 2008 wurden 13.000 Strafen verhängt, Geldstrafen in Höhe von 2,4 Milliarden Reais (etwa eine Milliarde Euro).

Autorin: Nádia Pontes/ Julia Maas
Redaktion: Mirjam Gehrke