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Politik

Abstimmung in Kirgistan nach Protesten ungültig

6. Oktober 2020

Nach der umstrittenen Parlamentswahl in Kirgistan sind Demonstranten in öffentliche Gebäude eingedrungen. Ein prominenter Gefangener soll befreit worden sein. Inzwischen wurde die Wahl annulliert.

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Dokumente und Papiere liegen in einem Büro verteilt auf Boden und Tischen
Chaos im "Weißen Haus", dem Sitz des Parlaments und der PräsidialverwaltungBild: Abylai Saralayev/TASS/dpa/picture-alliance

Der kirgisische Präsident Sooronbaj Dscheenbekow hatte am Morgen die Wahlleitung um eine Überprüfung der Wahlergebnisse gebeten. Inzwischen teilte die zentrale Wahlkommission in der Hauptstadt Bischkek mit, die Parlamentswahlen seien annulliert. Grund seien die massiven Manipulationen bei der Wahl am Sonntag und die darauffolgenden Spannungen in der Ex-Sowjetrepublik.

Das Parlament soll noch am Dienstag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Erneut versammelten sich zahlreiche Demonstranten im Stadtzentrum.

Kirgistan Ausschreitungen nach Parlamentswahl
Demonstranten beim Versuch, in das Regierungsgebäude einzudringenBild: Vladimir Pirogov/Reuters

Zuvor hatte Dscheenbekow die teils gewaltsamen Proteste als Versuch einiger Gegner bezeichnet, illegal die Macht zu übernehmen. Er rief seine politischen Opponenten auf, die öffentlichen Proteste zu beenden. Der Staatschef sagte in einer Erklärung, er habe die Lage unter Kontrolle. Die Sicherheitskräfte habe er angewiesen, nicht auf Demonstranten zu schießen.

Hunderte Verletzte, ein Toter

In der Hauptstadt Bischkek war es zu schweren Ausschreitungen gekommen, nachdem die ersten Wahlergebnisse bekannt wurden. Die Beamten setzten Schall- und Blendgranaten sowie Tränengas gegen die Demonstranten ein, die den Rücktritt des amtierenden Präsidenten forderten. Einige der Protestierenden zündeten Autos an. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 600 Menschen verletzt, etwa die Hälfte von ihnen Sicherheitskräfte. Ein Mensch starb.

Kirgistan Ausschreitungen nach Parlamentswahl
Bereitschaftspolizisten trieben die Demonstranten auseinanderBild: Vladimir Voronin/dpa/picture-alliance

Kirgisische Medien berichteten, dass Demonstranten mehrere öffentliche Gebäude besetzt hätten. Laut Augenzeugen überwanden rund 2000 Demonstranten die Barrieren vor dem "Weißen Haus", dem Gebäude, in dem das Parlament und die Präsidentschaftsverwaltung ihren Sitz haben. Die kirgisische Sektion des US-Senders Radio Free Europe veröffentlichte auf ihrer Website Fotos, auf denen Protestteilnehmer im Hauptregierungsgebäude zu sehen sein sollen. 

Ex-Präsident befreit

Nach der Aktion gelang es Demonstranten offenbar auch, das Gebäude des Komitees für nationale Sicherheit zu stürmen, in dem Ex-Präsident Almasbek Atambajew eine elfjährige Haftstrafe wegen Korruption und Verbindungen zur Mafia absaß. Ein Aktivist sagte der Nachrichtenagentur AFP, regierungskritische Protestteilnehmer hätten Atambajew ohne Gewalt oder Anwendung von Waffen aus seiner Zelle befreit. Auch der Oppositionelle Sadyr Schaparow wurde nach Angaben der kirgisischen Nachrichtenagentur Akipress befreit.

Atambajew war von 2011 bis 2017 Präsident. Nach seiner Festnahme im August vergangenen Jahres hatte es heftige Ausschreitungen in Kirgistan gegeben. Anhänger Atambajews kritisierten das Vorgehen gegen den Ex-Staatschef als politisch motiviert.

Kirgisistan Sooronbai Dscheenbekow und Almasbek Atambajew
Atambajew (r.) und der amtierende Präsident Dscheenbekow bei der Amtsübergabe im Jahr 2017Bild: Reuters/V. Oseledko

Die wichtigen Oppositionsparteien Bir Bol und Ata Meken waren bei der Parlamentswahl am Sonntag laut der zentralen Wahlkommission an der Siebenprozenthürde gescheitert. Sie warfen Dscheenbekow unehrliche Wahlen vor und riefen zum Protest auf. Geschafft hatten den Einzug ins Parlament vier Parteien, von denen drei dem Präsidenten nahestehen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sprach von glaubwürdigen Berichten über Stimmenkauf. Zugleich erklärten die Wahlbeobachter, die Abstimmung sei gut organisiert gewesen. Zudem hätten die Kandidaten einen fairen Wahlkampf führen können. Das überwiegend muslimische Kirgistan mit seinen sechs Millionen Einwohnern gilt als das demokratischste Land in Zentralasien, zugleich aber auch als politisch besonders instabil.

In den vergangenen 15 Jahren wurden in Kirgistan zwei Präsidenten durch Revolten gestürzt. Dscheenbekow kündigte inzwischen an, er werde sich an diesem Dienstag mit den Führern aller an der Wahl beteiligten Parteien treffen.

gri/ust/as (afp, dpa, rtr)

Dieser Artikel wurde aktualisiert