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VW: Einigung mit Behörden bis Jahresende

23. November 2015

Volkswagen will sich weltweit mit Behörden über alle Maßnahmen zur Beseitung der "Schummel-Software" und anderer Unregelmäßigkeiten bis zum Jahresende einigen. Derweil geraten sich Tüv und Ministerium in die Haare.

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Bild: picture-alliance/dpa/J.Stratenschulte

Volkswagen strebt bis zum Jahresende weltweit Vereinbarungen mit den Behörden an, um die Abgasmanipulation zu beenden. "Die Einigung mit den Behörden wird noch in diesem Jahr erfolgen", sagte Vorstandschef Matthias Müller den "Salzburger Nachrichten". Zunächst komme es darauf an, die für die Kunden besten technischen Lösungen anzubieten, die von den Behörden in Europa, den USA und auch in allen anderen Ländern anerkannt würden. Diese sollten "in Kürze" präsentiert werden.

Volkswagen hatte zugegeben, Abgaswerte mit Hilfe einer Software in der Motorsteuerung geschönt zu haben. Allein in Europa muss der Wolfsburger Konzern acht Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten rufen. Weltweit sind bis zu elf Millionen Fahrzeuge betroffen. "Der Rückruf wird logistisch eine große Herausforderung", sagte Müller. Je nach erforderlichem technischen Aufwand werde dies sicher bis Ende 2016 dauern. Zugleich laufe die Suche nach den Verantwortlichen für die Manipulationen weiter.

Rückruf-Aufwand überschaubar

Große Umrüstungen wird Volkswagen bei den Rückrufen von Dieselfahrzeugen aber nicht vornehmen. Für mehr als 90 Prozent der betroffenen Konzernfahrzeuge in Europa seien inzwischen Lösungen bestätigt, sagte Vorstandschef Matthias Müller am Montag in Wolfsburg vor rund 1000 Führungskräften. Dabei sei der Aufwand für die Nachrüstung "technisch, handwerklich und finanziell überschaubar".

Bei Autos mit 1,6 Liter-Motoren seien neben einem Software-Update nur relativ einfache Hardware-Maßnahmen erforderlich. Bei den anderen Motorvarianten reiche ein Update der Abgas-Software. Für Fahrzeuge mit 1,2-Liter-Motoren soll VW bis Ende November Lösungen vorschlagen. Auch hier genüge aber voraussichtlich ein Softwareupdate, hieß es.

Inzwischen hat die VW-Tochter Audi zugegeben, in ihren Autos ebenfalls eine Software installiert zu haben, die in den USA als "Defeat Device" bezeichnet wird - ein Programm zur Manipulation von Abgas-Werten. Am Montagabend teilte das Unternehmen mit, den US-Behörden bei der Zulassung von 3,0-Liter-Diesel-Fahrzeugen drei Software-Progreamme nicht angezeigt zu haben, eines dieser Programme sei ein Defeat Device.

VW will europäische Kohlendioxid-Grenzwert einhalten

Die Niedersachsen hatten die Folgen des Abgasskandals bereits im Absatz zu spüren bekommen, noch hält sich der Rückgang allerdings in Grenzen. Es sei für VW äußerst wichtig, alle Hausaufgaben zu erledigen, um so weitere möglichen Einbrüchen zu vermeiden, betonte der Volkswagen-Chef.

Müller zeigte sich zudem sicher, dass Volkswagen trotz des Abgasskandals den in der EU ab 2020 für Neuwagen geltenden Kohlendioxid-Grenzwert von 95 Gramm je Kilometer einhalten werde. Um dieses EU-Ziel zu erreichen, setzen die Autobauer neben Elektro- und Hybridautos auf Diesel-Antriebe, da diese weniger Kraftstoff verbrauchen als Benziner. Sollten Dieselantriebe wegen des Abgasskandals künftig jedoch weniger gefragt sein, könnte das nach Meinung von Experten für einige Hersteller zum Problem werden.

Zwischen dem Tüv und dem Ministerium knirscht es

Während Volkswagen in den eigenen Reihen nach Schuldigen sucht, verhärten sich die Fronten zwischen der Bundesregierung und der zuständigen Prüfgesellschaft. "Es gibt eine große Verärgerung gegenüber dem Tüv Nord", hieß es am Montag aus Kreisen des Verkehrsministeriums in Berlin.

Tüv-Nord-Chef Guido Rettig hatte in einem Interview der "Welt" gesagt, die Politik habe den Prüfern untersagt, die Motorsoftware zu untersuchen und zwar auf Drängen der Automobilindustrie. "Wir haben jahrelang darauf hingewiesen, dass die Motorsoftware Teil unseres Prüfauftrags werden muss. Ohne Erfolg." Die Autoindustrie habe auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen verwiesen. Die zuständigen Bundesministerien hätten im Sinne der Autokonzerne entschieden.

"Wir haben leider gesetzlich keinerlei Möglichkeit, Einblicke in die Motorsteuerung und die dort verbaute Software der Fahrzeuge zu nehmen", sagte Rettig. "Aus diesem Grund hatten unsere Sachverständigen keine Chance, die Manipulationen bei Stickoxiden von Dieselfahrzeugen zu erkennen." Ein Fehlverhalten des TÜV liege nicht vor.

Prüfer wollen mehr Einblick

Für die Zukunft empfahl Rettig, dass die Typenzulassungen nicht mehr von den Herstellern beauftragt werden, sondern vom Kraftfahrtbundesamt. Zusätzlich sollte das Regelwerk so erweitert werden, dass die Prüforganisationen die Motorsoftware anschauen dürfen. "Auch der Fahrwiderstand des Fahrzeugs auf der Rolle darf in Zukunft kein Wert mehr sein, der von den Herstellern selbst ermittelt und dem TÜV lediglich mitgeteilt wird", fordert Rettig. "Den wollen wir schon selber feststellen dürfen."

Die technischen Überwachungsvereine (Tüv) in Deutschland sind regional organisiert. Es sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die im Auftrag des Staates hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, etwa bei der Kontrolle von Fahrzeugen und technischen Geräten.

Gegenwind aus der Politik

Die Reaktion auf das Interview aus Regierungskreisen in Berlin ließ am Montag nicht auf sich warten: "Wenn über eine Weiterentwicklung der Prüfsysteme nachgedacht wird, dann sicherlich nicht in der Richtung, den Tüv Nord zu stärken - der Tüv Nord muss erst einmal eigene Versäumnisse erklären." Laut einem Sprecher des Bundesverkehrsministeriums wurden Vertreter des Tüv Nord für Dienstag in die wegen des VW-Abgas-Skandals von Minister Alexander Dobrindt einberufene Untersuchungskommission bestellt.

Deutschland Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt
Alexander Dobrindt: keine Kumpanei zwischen Autobauern und RegierungBild: Getty Images/J. Schlueter

"Wir wollen vom Tüv wissen, wieso die falschen CO2-Werte bei Volkswagen nicht erkannt worden sind", sagte der Sprecher. "Dieser Punkt hat mit der Motorsteuerung nichts zu tun. In dem Interview steht dazu nichts - wir erwarten darauf aber Antworten." Deutschland unterstütze die Weiterentwicklung der Prüfverfahren seit Jahren. Die EU-Staaten hätten sich Ende Oktober auf deutsche Initiative auf ein tragfähiges Ergebnis zu solchen neuen Prüfverfahren geeinigt.

Politik und Autobauer zu eng verbandelt?

Als "schallende Ohrfeige für die Bundesregierung" bezeichnete der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, Rettigs Kritik: "Die Prüfbehörde bestätigt die jahrelange Kumpanei zwischen Bundesregierung und Automobilbranche." Dobrindt werde immer stärker zum Problem inmitten der Aufklärung. "Es darf nicht sein, dass das Verkehrsministerium Prüfern verbietet, die Motorsoftware zu untersuchen - nur weil die Automobilindustrie darum bittet."

iw/dk (rtr, dpa)