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Vorerst Funkstille

Rafael Heiling13. Dezember 2002

Handys schicken Strahlung aus, und die könnte krank machen. Deshalb möchte die Jury "Umweltzeichen" besonders strahlungsarme Mobiltelefone auszeichnen – mit dem bekannten "Blauen Engel". Doch die Hersteller wollen nicht.

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Strahlt es oder strahlt es nicht?Bild: Bilderbox

In der Internet-Liste des "Blauen Engels" steht unter "Handys" kein einziges Gerät. Und das, obwohl das Umweltzeichen für Mobiltelefone schon ein halbes Jahr lang vergeben wird – theoretisch. Denn die Handy-Hersteller boykottieren das Umweltsiegel, weil sie mit den Richtlinien dafür nicht einverstanden sind.

Streit um die Grenzen

Ob ein Handy den "Blauen Engel" tragen darf, hängt im Wesentlichen von der so genannten spezifischen Absorptionsrate (SAR) ab. Die gibt an, wie viel Strahlungsenergie der Kopf beim Telefonieren im Durchschnitt aufnimmt. Fürs Umweltzeichen darf der Wert 0,6 Watt pro Kilogramm Körpergewebe nicht überschreiten. Der gesetzliche Grenzwert liegt bei 2 Watt pro Kilogramm. "Grenzwerte, die umstritten sind", meint Steffen Grosch, Sony-Produktmanager. "Man hat momentan keine Anhaltspunkte, ob und ab wann Mobilfunkstrahlung schädlich ist."

Vorwurf: Messwert sagt nichts aus

Außerdem kritisiert er die Messmethode für den SAR-Wert. "Der basiert auf einem Modell und wird an einem künstlichen Kopf gemessen. Aber 99 Prozent der Menschen telefonieren nicht im Labor, sondern anderswo." Dieses "Anderswo" könne den SAR-Wert aber deutlich beeinflussen - "je nachdem, wie Sie das Handy halten" und ob man im Auto telefoniere oder draußen, erklärt Myriam Hoffmann, PR-Managerin Consumer Products bei Sony.

Sprich: In der Realität werde die angegebene SAR häufig um den Faktor 1000 unterschritten, sagte Dr. Uwe Kullnick vom Verband Bitkom, der die Handy-Hersteller vertritt. "Würden wir dieses Label verwenden, machten wir uns der Fehlinformation schuldig", erklärte er schon bei der Einführung im Juni.

Verwunderung beim Umweltamt

Das Umweltbundesamt, das die Engel-Vergabe fachlich vorbereitet, ist verwundert über das Kontra der Handy-Branche. Mit dem "Blauen Engel" könne man doch ausgezeichnet werben, sagt Christiane Böttcher-Tiedemann, Fachgebietsleiterin Produktbewertung Umweltzeichen. Die Kritik am SAR-Wert sei unangebracht. "Der Wert ist der einzige, der überhaupt international genormt ist", erklärt die Fachgebietsleiterin. "Die Hersteller unternehmen aber auch keine Anstrengungen, ein besseres Messverfahren zu etablieren." Die Umweltzeichen-Jury sei zu Gesprächen mit den Firmen bereit, aber momentan herrsche Funkstille – "wir wünschen uns, es wäre anders. Aber wir können niemanden zwingen".

Hoffnung für den Engel

Damit ist die Einführung des Blauen Engels für Handys jedoch noch nicht vom Tisch. "Wir halten auf jeden Fall daran fest", bekräftigt Böttcher-Tiedemann. Und auch die Handy-Produzenten sind "durchaus nicht abgeneigt, wenn es eine vernünftige Grundlage gibt", wie Sony-Experte Steffen Grosch betont: "Wir wollen nichts verschweigen."