1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vor dem Ceta-Urteil in Karlsruhe

12. Oktober 2016

Vizekanzler Sigmar Gabriel und die Ceta-Gegner ringen vor dem Bundesverfassungsgericht um das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada. Ein Urteil soll schon an diesem Donnerstag fallen.

https://p.dw.com/p/2RAJF
Karlsruhe Bundesverfassungsgericht CETA Entscheidung
Bild: picture-alliances/dpa/U. Deck

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle signalisierte bei der Anhörung in Karlsruhe am Mittwoch, dass er hohe Hürden dafür sehe, dem Antrag auf sofortigen Stopp von Ceta stattzugeben. "Das gilt ganz besonders, wenn eine Maßnahme mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen in Rede steht." SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Gabriel, der am 18. Oktober im EU-Handelsministerrat das Abkommen unterschreiben will, warnte vor einer Blamage im Fall eines Stopps. "Der Schaden für das Ansehen der EU und der Bundesregierung wäre gigantisch", sagte er. "Für Europa wäre das eine Katastrophe."

Eine Urteil soll bereits am Donnerstag fallen. Die Verfassungsrichter mussten abwägen, was schädlicher ist: Ein Schaden durch mögliche Verstöße gegen das Grundgesetz bei einem vorläufigen Gelten von Ceta, oder ein Schock, den ein Stopp jetzt für die EU bedeuten könnte. Ob das Handelsabkommen gegen das Grundgesetz verstößt, soll in dem noch länger dauernden Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Per Eilantrag wollen die von mehr als 190.000 Bürgern unterstützten Verfassungskläger verhindern, dass die Bundesregierung bis Ende des Monats ihre Unterschrift unter das Abkommen setzt, dem alle 28 EU-Mitgliedstaaten zustimmen müssen.

Nach Zustimmung noch kündbar?

Anfang 2017 soll es vorläufig und teilweise in Kraft treten. Von zentraler Bedeutung sei, ob das Abkommen dann noch von Deutschland kündbar wäre, erklärte Voßkuhle. Die Richter suchten erkennbar nach einem Ja auf diese Frage und ließen sich von Gabriel eine Zusage für eine verbindliche Erklärung zur Kündigungsmöglichkeit geben.

In diesem Fall wäre es für die Richter möglich, etwaige Verstöße gegen das Grundgesetz zu prüfen, ohne der Bundesregierung jetzt die Unterschrift zu verbieten und damit womöglich das gesamte Beschlussverfahren in der EU auszusetzen.

Eine Erklärung zur Kündbarkeit wäre aber nur Schall und Rauch, befürchtete Roman Huber, Geschäftsführer des klagenden Vereins "Mehr Demokratie". "Wir kommen da nicht wieder raus, der Vertrag gilt fünf oder zehn Jahre und wir sind gebunden daran."

"Wenig Nutzen, große Gefahren"

Die EU-Staaten erhoffen sich mehr Wirtschaftswachstum durch einen verstärkten Handel zwischen Kanada und der EU. Doch aus Sicht der Kläger sind die Vorteile für die Bürger gering, während das von ihnen vermutete Demokratiedefizit von Ceta gravierende Folgen haben könnte. "Der Vertrag bringt uns relativ wenig", sagte Kläger Huber, dessen Verein zusammen mit Foodwatch und Campaign die Beschwerden von mehr als 125.000 Bürgern einreichte. "Wenn man die Prognosen der EU ernst nimmt, sind das in ein paar Jahren einmalig 20 Euro, die wir als Bürger einmalig mehr in der Tasche haben", sagte Huber.

"Dafür gehe ich doch nicht die Gefahr ein, dass die Demokratie erodiert oder dass ich Schiedsgerichte habe, die uns Milliardenzahlungen auferlegen können." Marianne Grimmenstein-Balas, eine Rentnerin aus Lüdenscheid, die 68.000 Bürger als Mitkläger gewann, ergänzte: "Die Bürger müssen am Ende alle Schäden, die kommen werden, wie beim Umweltschutz, mit ihrem Portemonnaie und ihrem Leib aushalten."

Die Kläger, zu denen auch Abgeordnete der Linken und ein EU-Parlamentarier der Ökologisch-Demokratischen Partei gehören, sehen das Demokratieprinzip und das in Artikel 38 Grundgesetz verankerte Wahlrecht der Bürger verletzt. Dies gelte insbesondere für die Ceta-Ausschüsse, die den Vertrag ohne Beteiligung der nationalen Parlamente ändern könnten, und die Klagemöglichkeiten für Unternehmen gegen Staaten auf Schadensersatz vor einem Investitionsgericht.

Beides bestreitet die Bundesregierung. Gabriel erklärte zudem, das Investitions- oder Schiedsgericht werde erst nach der endgültigen Ratifizierung eingesetzt.

wen/uh (rtrd, dpa, afpd)