Von Pferdestärken und Pferdefüßen
Das Pferd hatte in der Geschichte der Menschheit als Reit-, Arbeits- und Lasttier immer eine bedeutende Rolle. In der Alltagssprache dreht sich daher vieles, in einem Museum in Niedersachsen alles um Pferde.
Die Geschichte des Pferdes beginnt vor circa 60 Millionen Jahren. Das Urpferd Urpferd, -e (n.) ein Vorfahre des heutigen Pferdes war seinen heutigen Verwandten allerdings nicht sehr ähnlich und hatte mit einer Schulterhöhe von 20 bis 30 Zentimetern gerade mal die Größe eines Fuchses. Pferde sind Pflanzenfresser, leben am liebsten in Herden und sind Fluchttiere. Zur Gattung Gattung, -en (f.) die Gesamtheit von Dingen, Lebewesen, Formen, die in wesentlichen Eigenschaften übereinstimmen Pferd gehören übrigens auch Esel und Zebra. Die ersten Pferde wurden in der Jungsteinzeit, also vor rund 6000 Jahren, domestiziert domestizieren (bei Wildtieren, Pflanzen) zähmen; häuslich machen .
Das Pferdemuseum im niedersächsischen Verden an der Aller informiert schon seit seiner Gründung im Jahr 1920 über die Kulturgeschichte des Pferdes – von seiner Entwicklung vor 60 Millionen Jahren bis in die heutige Zeit. Die Leiterin des fachwissenschaftlichen Museumsbereichs, Gisela Fürle, beschreibt, welcher pädagogische Ansatz Ansatz, -sätze (m.) hier: die Idee, wie etwas gestaltet werden könnte; die Grundlage, auf der etwas weiterentwickelt wird hinter dem Konzept steckt:
„Unser Ziel ist ja, ein breites Publikum anzusprechen, zum einen das Fachpublikum, die interessierten Pferdeleute, aber auch eben keine Pferdeleute: sowohl in den Sonderausstellungen, als auch mit den Aktionen hier im Haus, wie Vorträge – auch da haben wir eine große Bandbreite, um alle Leute anzusprechen, aus der Medizin, aus der Kulturgeschichte, Juristen –, und dass man sich rundherum ums Pferd informieren kann. Und dass eben auch nicht das Museum als verstaubt und langweilig rüberkommt, so, wie es ja in vielen Köpfen noch ist. Das gehört eben auch zum Konzept, bei der Jugend Interesse für einen Museumsbesuch zu wecken und ihn als spannend und interessant zu präsentieren.“
Zwei Hauptabsichten verfolgt das Museum: zum einen möglichst viele Leute und nicht nur Pferdebegeisterte für das Thema zu interessieren, ein breites Publikum anzusprechen, zum anderen ein Museum zu präsentieren, das nicht verstaubt, altmodisch, erscheint. So werden etwa spezielle Programme für Vor- und Grundschulgruppen angeboten wie ein Bilderquiz zur Bedeutung des Pferdes im Mittelalter. Aber auch im Rahmen von Führungen wird Besucherinnen und Besuchern Wissenswertes vermittelt. Dazu gehören auch die Hintergründe der einen oder anderen Redewendung rund ums Pferd, so wie „hoch zu Ross“ oder „fest im Sattel sitzen“:
„Im Mittelalter, da fuhren ältere oder kranke Personen oder vielleicht kirchliche Würdenträger oder hochgestellte Damen im Wagen. Aber der Herrscher, der musste hoch zu Ross [unterwegs sein], und er musste auch zusehen, dass er nicht mal vom Pferd fiel. Das hat man nämlich dann als böses Omen gewertet und hat gesagt: ‚Na, na, mit der Herrschaft ist das auch bald zu Ende‘. Was musste er tun? Er musste fest im Sattel sitzen. Und den Ausspruch, den kennen wir heute auch noch, nicht? ‚Fest im Sattel sitzen‘, das heißt, mir kann niemand was anhaben, mein Herrschaftsbereich ist unangetastet.“
Kutschen, von Pferden gezogene Wagen, dienten im Mittelalter dazu, wichtige, hochgestellte, Personen der Kirche oder des Adels von A nach B von A nach B umgangssprachlich für: von einem Ort zu einem anderen Ort zu bringen. Herrscher wie Landesfürsten oder Könige dagegen waren meist zu Pferd unterwegs. Ließ ein Herrscher die Zügel auch in bedrohlichen Situationen nicht los, saß er fest im Sattel, gingen die Untertanen davon aus, dass niemand ihm schaden, etwas anhaben konnte. Sein Herrschaftsbereich blieb unangetastet, niemand bedrohte ihn. Warf das Pferd ihn ab, wurde das als böses Omen, ein schlimmes Vorzeichen, betrachtet. Im Mittelalter nahm man es übrigens mit der Bezeichnung des Pferdes ziemlich genau: So stand der Begriff „Pferd“ für das Reittier, das für Ausritte und Reisen bereitstand. Ein in der Landwirtschaft eingesetzte Pferd wurde zum „Ackergaul“ war, und das Pferd, mit dem ein Ritter in den Krieg zog, war ein „Ross“. In der Alltagsprache findet sich das Ross noch heute in Begriffen wie Rosskur Rosskur, -en (f.) umgangssprachlich für: eine schmerzhafte Behandlung oder Schlachtross Schlachtross, -rösser (n.) scherzhaft für: jemand, der kampferprobt ist oder in einer Redensart wie „auf dem hohen Ross sitzen“ wieder. Die kommt – wie man bei der Museumsführung erfährt – aus dem 16. Jahrhundert:
„Zu früheren Zeiten war es nun mal Adeligen weitestgehend vorbehalten, sich ein Pferd überhaupt leisten zu können, auf dem man reiten kann, und demzufolge saßen die natürlich dann auch ‚auf dem hohen Ross‘ und haben sich auch teilweise dementsprechend benommen und hochnäsig auf die Bauern heruntergeschaut.“
Die Redensart hat in der heutigen Umgangssprache eine eher negative Bedeutung: Menschen, die „auf einem hohen Ross sitzen“, gelten als hochnäsig, eingebildet, herablassend, überheblich. Sie fühlen sich als etwas Besseres. Auch der umgangssprachliche Begriff des „Pferdefußes“ stammt – wie Besucherinnen und Besucher – bei der Museumsführung erfahren, aus dem Mittelalter:
„Nach altem Glauben hatte der Teufel einen Pferdefuß. Und immer, wenn hinter einer Sache etwas Boshaftes, etwas Listiges steckte, dann sagt man: ‚Da zeigt sich der Pferdefuß, da ist der Teufel mit im Spiel‘. So ist das entstanden.“
Als „Pferdefuß“ beschreibt man eine unangenehme und unerwünschte Sache, die man bei einem Vertrag oder einer Vereinbarung in Kauf nehmen muss – und die man oft erst auf den zweiten Blick entdeckt. Eine medizinische Besonderheit beim Pferd sorgte für eine weitere Redewendung:
„Bei einem Pferd ist es so: Da gibt es keine Muskeln, die das, was ein Pferd gefressen hat, dann sozusagen mal rückwärts befördern können. Wenn das mal unbekömmlich ist, wenn ein Pferd etwas frisst, was nicht gut ist für das Pferd, dann ist das Problem, dass es eine Kolik bekommen kann. Aber mit dieser Tatsache hängt auch schon wieder ein Sprichwort zusammen. Das heißt nämlich: ‚Ich hab schon Pferde kotzen sehen‘. Und damit will man ausdrücken, das ist im Grunde genommen ganz was Unmögliches, weil ein Pferd das halt nicht kann.“
Ein Pferd hat mit 30 Metern Länge einen extrem langen Darm. Zum Vergleich: Der Darm eines erwachsenen Menschen ist zwischen fünfeinhalb und siebeneinhalb Meter lang. Anders als der Mensch verarbeitet ein Pferd sein Futter im Darm. Da der Pferdedarm sehr empfindlich ist, bekommt das Pferd krampfartige Schmerzen im Bereich von Magen, Darm oder Nieren, wenn das Futter unbekömmlich ist. Es leidet unter einer Kolik. Mancher Mensch würde sich bei solchen Symptomen übergeben, kotzen. Ein Pferd kann das aber nicht. So entstand das Sprachbild.
Der Körperbau des Pferdes stand Pate für für etwas/jemanden Pate stehen für etwas/jemanden Vorbild sein ein unverzichtbares Gerät im Turnsport: das „Pauschenpferd“, kurz „Pferd“ genannt. Die ersten Pauschenpferde sahen dem Original sehr ähnlich, wie man bei der Museumsführung erfährt:
„Damals wurde dieses Pferd entwickelt als festes, stehendes Pferd, um Schwünge fürs Voltigieren zu üben. Anfangs hatte dieses Pferd auch noch einen Schweif und einen Kopf und nur zwei Griffe. Und diese Griffe, die sind geblieben und der Kopf, der wurde irgendwann abmontiert, weil er wohl wahrscheinlich störte, und auch der Schweif war nicht mehr erforderlich, weil man sich eh nicht daran festhalten konnte.“
Beim Voltigieren werden turnerische und akrobatische Übungen auf dem Rücken eines Pferdes, das an einer Longe Longe, -n (f.) eine sehr lange Leine, an der ein Pferd langsam im Kreis geführt und ggfs. korrigiert wird im Kreis geführt wird, gezeigt. Die Pauschenpferde waren einem realen Pferd nachempfunden, denn die Voltigier-Übungen sollten unter möglichst realen Bedingungen stattfinden. Die ersten Sportgeräte hatten noch einen Kopf und einen Schweif, einen langhaarigen, buschigen Schwanz, und zusätzlich gebogene Haltegriffe, Pauschen. Mit der Zeit wurden Kopf und Schweif aus praktischen Gründen aber abmontiert, entfernt, lediglich die Haltegriffe blieben.
„Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, sagt ein altes Sprichwort. Im Zeitalter von Bahn und Auto ist man nicht mehr auf das Pferd als Reittier angewiesen, trotzdem begleitet es uns fast täglich: Denn die Leistung motorisierter Gefährte Gefährt, -e (n.) das Fahrzeug wird umgangssprachlich immer noch in PS – in Pferdestärken – angegeben.
Von Pferdestärken und Pferdefüßen
Urpferd, -e (n.) — ein Vorfahre des heutigen Pferdes
Gattung, -en (f.) — die Gesamtheit von Dingen, Lebewesen, Formen, die in wesentlichen Eigenschaften übereinstimmen
domestizieren — (bei Wildtieren, Pflanzen) zähmen; häuslich machen
Ansatz, -sätze (m.) — hier: die Idee, wie etwas gestaltet werden könnte; die Grundlage, auf der etwas weiterentwickelt wird
Rosskur, -en (f.) — umgangssprachlich für: eine schmerzhafte Behandlung
Schlachtross, -rösser (n.) — scherzhaft für: jemand, der kampferprobt ist
für etwas/jemanden Pate stehen — für etwas/jemanden Vorbild sein
Longe, -n (f.) — eine sehr lange Leine, an der ein Pferd langsam im Kreis geführt und ggfs. korrigiert wird
Gefährt, -e (n.) — das Fahrzeug
von A nach B — umgangssprachlich für: von einem Ort zu einem anderen Ort