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Von Flusskrebsen und Menschenrechten

Sven Pöhle10. Oktober 2014

Ein Ergebnis der dritten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen ist eine Fülle von Abkommen. Es gab nur ein Thema außerhalb der Komfortzone, ansonsten das übliche Vokabular und eine symbolische Essenseinladung.

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Angela Merkel spricht auf dem "7. Deutsch-Chinesischen Forum für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit" anlässlich der 3. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Das Vokabular folgt in der Regel einem strikten Muster, wenn deutsche und chinesische Regierungsmitglieder öffentlich die Ergebnisse ihrer Verhandlungen präsentieren: Von offenen, intensiven und konstruktiven Gesprächen ist die Rede. Vom Wunsch, das gegenseitige Vertrauen zu stärken und die guten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen weiter zu vertiefen. Und von der Stabilität, die die Partnerschaft beider Länder in Zeiten globaler Krisen auszeichnet.

Das war bei den dritten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin nicht anders. Ob Bundeskanzlerin Angela Merkel, der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang oder Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel - den Politikern geht dieses Vokabular leicht von den Lippen. Man kennt sich schließlich. Keine anderer europäischer Regierungschef trifft so häufig mit der chinesischen Führung zusammen wie Angela Merkel. Im März hatte sie Chinas Staats- und Parteichef Xi Jingping in Berlin empfangen. Im Sommer war die Kanzlerin für drei Tage Gast in China. Auch Wirtschaftsminister Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier waren dort zu Besuch. Nun empfing Merkel den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang und fast das gesamte chinesische Kabinett in Berlin.

Wirtschaft als tragende Säule

"Deutschland und China sind füreinander die jeweils wichtigsten Kooperationspartner in ihren jeweiligen Regionen", heißt es in einer Erklärung am Ende dieser dritten Regierungskonsultationen nach 2011 und 2012. Die wirtschaftlichen Fakten sprechen für sich: China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands außerhalb Europas. Umgekehrt ist Deutschland für China der wichtigste Handelspartner in Europa. Das bilaterale Handelsvolumen beider Länder beläuft sich auf rund 140 Milliarden Euro.

Im Mittelpunkt der Ministergespräche und des gleichzeitig stattfindenden Deutsch-Chinesischen Forums für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit standen daher vor allem wirtschaftliche Interessen. Innovationspartnerschaft lautete schließlich das Motto des Zusammentreffens.

Unterschriften-Marathon im Kanzleramt

Dass bei den Gipfeln diverse Abkommen geschlossen werden, ist inzwischen Tradition. 26 Minister und ranghohe Beamte berieten zusammen im Kanzleramt. Am Ende setzten allein dort Kabinettsmitglieder und Wirtschaftsvertreter beider Länder unter 19 Erklärungen und Abkommen ihre Unterschrift, während Angela Merkel und Li Keqiang freundlich Spalier standen.

Der chinesische Minister für Industrie und Informationstechnologie MiaoWei und Bundeswirtschaftsminister Gabriel unterzeichnen ein Abkommen. Im Hintergrund: Li Keqiang und Angela Merkel (Foto: REUTERS/Thomas Peter)
Minister Miao und Gabriel mit Regierungschefs Li und Merkel: 19 Abkommen und ErklärungenBild: Reuters/Thomas Peter

Dazu steht ein Aktionsprogramm für die schon länger geplante "Innovationspartnerschaft" zu Buche. Zu den Vereinbarungen gehören unter anderem gemeinsame Erklärungen zur Marktüberwachung, zur Landwirtschaftskooperation und im Bereich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Beide Länder beschlossen zudem einen engeren Dialog der Zentralbanken.

Auch deutsche Unternehmen hatten Grund zur Freude. Neue Aufträge aus China bescheren Airbus in Zukunft Milliardeneinnahmen. VW verlängerte seine Kooperation mit seinem chinesischen Partner FAW um weitere 25 Jahre. Der Telekom wurde ein Gemeinschaftsunternehmen mit China Mobile garantiert und Daimler will in Zukunft mehr Autos in China herstellen.

Höfliche Kritik

Ganz im Sinne eines besseren wirtschaftlichen Austausches forderten Merkel und Gabriel die chinesische Regierung auf, Benachteiligungen deutscher Unternehmen in China zu beenden. "Der wichtigste Grundsatz sollte eine konsequente Gleichbehandlung unserer Unternehmen sein", sagte Merkel diplomatisch höflich. Deutsche Unternehmen seien in China deutlichen Beschränkungen ausgesetzt, so die Kritik. Dazu gehörten der Joint-Venture-Zwang, Ungleichbehandlungen beim Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen oder Auflagen zum unfreiwilligen Technologietransfer. Unvorbereitet trafen den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang diese Vorwürfe offenbar nicht. Er versprach eine weitere Marktöffnung Chinas und einen besseren Schutz geistigen Eigentums.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang einen deutschen Supermarkt (Foto: REUTERS/Steffen Kugler/BPA)
Ungewöhnlicher Ausflug: Merkel zeigte Li einen deutschen SupermarktBild: Reuters/Steffen Kugler/BPA/Handout

Konsens in vielen Bereichen also, wäre da nicht das eine obligatorische Thema: Menschenrechte. Die spricht die Kanzlerin normalerweise lieber hinter verschlossenen Türen an. Zurückhaltend verpackte sie ihre Kritik auch in Berlin: Sie habe deutlich gemacht, dass für Deutschland auch der Rechtsstaats- und der Menschenrechtsdialog wichtig sei, sagte Merkel in ihrer öffentlichen Erklärung. Auch die Notwendigkeit einer freien Arbeit für Medien habe sie angesprochen. Auf Nachfrage zu den anhaltenden Protesten in Hongkong äußerte die Bundeskanzlerin die Hoffnung, dass man in freiem Meinungsaustausch dann auch Lösungen findet, die die Bevölkerung in Hongkong zufrieden stellen.

Bei Li Keqiuang löste dies die erwartete Reaktion aus. Lächelnd betonte er die weiterhin bestehende Leitlinie "Ein Land - zwei Systeme" und verbat sich jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas, bevor er dann in einer abschließenden Erklärung auf dem Forum für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit doch noch mit unerwartetem Vokabular überraschte: "Wir sollten die Flusskrebse, die aufgetischt sind, wirklich aufessen", sagte der chinesische Ministerpräsident und wollte damit ausdrücken, dass beide Länder nun auch schwierige Themen anpacken müssten. Die Kanzlerin habe ihm geantwortet, so Li, dass es dafür der richtigen Instrumente bedürfe.