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Von der verschmähten Ruine zum Dokumentationszentrum

Thomas Senne3. Juli 2006

Nürnberg nennt sich heute "Stadt des Friedens und der Menschenrechte". Doch während des Zweiten Weltkrieges sollte dort das Reichsparteitagsgelände entstehen, das nach dem Krieg lange Zeit nicht mehr beachtet wurde.

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Der Reichsparteitag der NSDAP 1938 auf dem Nürnberger MärzfeldBild: dpa

Einfach Wegschauen war aber seit den achtziger Jahren nicht mehr möglich, da jährlich weit über 100.000 Besucher das Reichsparteitagsgelände erkundeten und sich wunderten, dass es nirgendwo Hinweisschilder gab. Erst 1997 beschloss der Stadtrat die Errichtung des "Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände", das am 4. November 2001 eröffnet wurde.

1934 erteilte Adolf Hitler dem Architekten Albert Speer den Auftrag, einen Gesamtplan für das Nürnberger Reichsparteitagsgelände zu erstellen: Eine riesige, insgesamt rund elf Quadratkilometer große Anlage mit diversen, der Antike nachempfundenen Gebäuden. Kulissen der Gewalt, die dem "Führer" dazu dienen sollten, die Bevölkerung auf die Politik der Nationalsozialisten einzuschwören.

Stein gewordener Größenwahn

Die "Kongresshalle", ein Torso gebliebener Monumentalbau, war für die Parteikongresse der NSDAP vorgesehen, die "Luitpoldarena" als Aufmarschfeld für nationalsozialistische Totenfeiern. Eine sechzig Meter breite und zwei Kilometer lange Paradestraße war ebenso Bestandteil dieser Herrschaftsarchitektur wie das "Märzfeld" und das für 400.000 Zuschauer geplante "Deutsche Stadion". Doch lediglich das "Zeppelinfeld" mit einer pompösen Rednertribüne im Stil des antiken Pergamonaltars war auf dem Areal fertig gestellt, als das "1000 jährige Reich" der Nazis nach 12 Jahren 1945 zusammenbrach.

Dokumentationszentrum in Nürnberg
Die letzten Vorbereitungen vor der Eröffnung des Dokumentationszentrums 2001Bild: AP

Nach dem Krieg aber hatten die Nürnberger ein Problem: Was tun mit den Resten des "Stein gewordenen Größenwahns"? Hans-Christian Täubrich, Leiter des Dokumentationszentrums: "Die Bandbreite reichte sicherlich von dem Bestreben, sich gänzlich zu befreien von den Resten des Reichsparteitagsgeländes, was ja in Teilen auch gelang. Das Märzfeld wurde geräumt, die gebauten elf Türme wurden gesprengt. Auch beim Zeppelinfeld wurden die Kolonnaden 1967 gesprengt." Die Kongresshalle sollte ursprünglich in ein Fußballstadion umgebaut werden.

Unter Denkmalschutz gestellt

Das Dokumentationszentrum, das Hans-Christian Täubrich leitet, ist heute in der ehemaligen Kongresshalle untergebracht. Vor allem der Rohbau dieser kolosseumsartigen Halle, sagt Hans-Christian Täubrich, sei nach dem Krieg für unterschiedlichste Zwecke verwendet worden: "Richtig nutzbar für Konzepte war ja eigentlich nur die Kongresshalle, die man 1949 noch als Ort der deutschen Bau-Ausstellung hernahm. Und ein Jahr später hielt man hier die 900-Jahr-Feier Nürnbergs ab. Aber dann stellte sich sehr schnell heraus, dass eben ein Rohbau doch nur sehr unzulängliche Möglichkeiten bietet." Man sei eigentlich froh gewesen, dieses Gebäude für Lagerzwecke mehr schlecht als recht nutzen zu können, sagt er.

Reichsparteitagsgelände in Nürnberg
Die monumentalen Hallen auf dem Märzfeld beherbergen heute eine Ausstellung über den Terror des Nazi-RegimesBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

1973 wurden die Überreste des Reichsparteitagsgeländes unter Denkmalschutz gestellt, aber erst 12 Jahre später entschloss sich die Stadt, in der ehemaligen Zeppelintribüne eine kleine Ausstellung über das Dritte Reich zu installieren. Für eine große Lösung fehlten das Geld und der klare Wille. Als dann aber Investoren auftauchten, um die Kongresshalle in ein Einkaufszentrum mit angeschlossenem Seniorenheim zu verwandeln, intensivierte die Kommune ihre Anstrengungen, ein anderes überzeugendes Nutzungskonzept zu finden. 2001 konnte das rund elf Millionen Euro teure Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände im Kopfbau der Kongresshalle schließlich eröffnet werden - ein Meilenstein im Umgang mit architektonischen Hinterlassenschaften der Hitler-Diktatur.

Beschäftigung auch für künftige Generationen

Das Dokumentationszentrum selbst arbeitet multimedial. Im Mittelpunkt steht die Dauerausstellung zum Nationalsozialismus unter dem Titel "Faszination und Gewalt". Gezeigt werden alte Pläne, Fotografien, Filme und Zeitdokumente. Das Dokumentationszentrum hält aber auch Tagungen ab und zeigt immer wieder auch aktuelle Präsentationen zur NS-Thematik, etwa zur Rolle der Regisseurin Leni Riefenstahl im Dritten Reich.

Und erst kürzlich wurden auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände 23 Infotafeln über Ursachen, Zusammenhänge und Folgen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft neu installiert. Noch rechtzeitig vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft im nahe gelegenen Stadion. Die mannshohen Texttafeln dokumentieren anschaulich, dass die Auseinandersetzung mit dem historisch belasteten Areal wohl auch künftige Generationen noch beschäftigen wird.