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Die Glockengießer von Brockscheid

Insa Wrede25. Dezember 2012

Gottes Segen für jeden Guss: In Brockscheid nehmen Glocken Form an, bevor ihr erster Klang ertönt . In Deutschland gibt es nur noch fünf Glockengiessereien.

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Halle der Eifeler Glockengießerei (Foto: DW/Insa Wrede)
Eifeler GlockengießereiBild: DW/I. Wrede

Durch die Oberlichter der Halle dringt gedämpftes Licht. Die Luft ist staubig. In der Mitte faucht unaufhörlich der Ofen, während in seinem Bauch Kupfer und Zinn zu Bronze verschmolzen werden. Nur drei bis viermal im Jahr werden hier in Brockscheid in der Eifel Glocken gegossen. Der Höhepunkt monatelanger Arbeit.

Am Anfang steht ein einfaches glatt gehobeltes Brett, wie Horst Letsch aus der Eifeler Glockengießerei den rund ein Dutzend Besuchern erklärt. "In das Brett berechnet der Glockengießer ganz genau die Schwingungszahl der Töne. Also die Töne, die die Glocke später haben soll." Außerdem lege er Durchmesser und Höhe der Glocke fest. "Den Ton berechnet der Glockengießer selbst."

Dieses so genannte Glockengießergeheimnis werde normalerweise vom Vater auf den Sohn übertragen, so Letsch. Da hier aber der Sohn fehlte, sei es vom Vater auf die Tochter übertragen worden - auf Cornelia Mark-Maas.

Cornelia Mark-Maas (Foto: DW/ Insa Wrede)
Cornelia Mark-Maas wacht über den GlockengussBild: DW/I. Wrede

"Fest gemauert in der Erden. Steht die Form aus Lehm gebrannt…"

Seit 1620 werden in ihrer Familie Glocken gegossen. An der Herstellung hat sich seitdem nicht viel geändert. Der Glockenkern wird aus Ziegelsteinen und Lehm, der mit Pferdemist und Rinderhaaren versetzt ist, geformt. Er sorgt dafür, dass der Innenraum der späteren Glocke das richtige Volumen hat. Immer wieder wird dafür eine neue Schicht mit Hilfe der Schablone aufgetragen und getrocknet. Dann wird die sogenannte falsche Glocke - ebenfalls aus Lehm - über den Glockenkern geformt und zuletzt der Glockenmantel. Das Ganze wird gebrannt und die falsche Glocke wieder entfernt. Dadurch entsteht der Hohlraum zwischen Glockenkern und Glockenmantel, in den später die flüssige Bronze eingegossen wird.

Eine aufwendige Prozedur, aber billige Konkurrenz aus dem Ausland fürchtet die Glockengießerin Cornelia Mark-Maas nicht. "Das ist eine Anschaffung, die mehrere hundert Jahre hält und da am falschen Ende zu sparen, zahlt sich nicht aus." Nach dem Krieg seien viele Stahlglocken gegossen worden, erzählt sie. Die würden nun nach und nach entfernt, "weil die einfach aufgrund der Materialermüdung nicht mehr schön klingen".

Glockenkerne (Foto: DW/Insa Wrede)
Glockenkerne aus Ziegelsteinen, Lehm, Pferdemist und Rinderhaaren geformtBild: DW/I. Wrede

Das bestätigt auch Mathias Koch, Pfarrer aus Pesterwitz bei Dresden. Er ist mit 16 Gemeindemitgliedern in die Eifel gereist, um bei dem Guss seiner neuen Glocken dabei zu sein. Die ursprünglichen Glocken seiner Kirche wurden im ersten Weltkrieg eingeschmolzen. "Und da sind 1920 Hartgussglocken rein gekommen. Die leben so lange wie ein Mensch - ungefähr 80 Jahre." Inzwischen haben seine Glocken große Löcher und müssten daher ersetzt werden.

Von Brockscheid in die Welt

Nur drei der acht Glocken, die heute gegossen werden, sind für Pesterwitz bestimmt. Die anderen gehen nach Norddeutschland, Österreich und Brasilien. "Im letzten Guss hatten wir eine für Ecuador, davor gingen welche nach Sri Lanka, Indien, Korea. Wir produzieren für sehr viele Länder", sagt Cornelia Mark-Maas. Die Eifeler Glockengießerei macht etwa 40 Prozent ihres Umsatzes mit dem Ausland.

Während Mark-Maas erzählt, überprüft ihr Sohn, der ebenfalls das Handwerk gelernt hat, ständig die Temperatur der Bronze. Er füllt Zinn nach, rührt mit einem Baumstamm die heiße Masse um und schöpft unerwünschte Schlacke von der Oberfläche. Schließlich kontrolliert die Glockengießer-Meisterin noch die Zusammensetzung der Bronze und dann ist es nach stundenlangem Warten endlich soweit. Der Ofen wird nicht länger befeuert - es wird still in der Halle. Zeit für den Pfarrer und seine Gemeinde. Mathias Koch stimmt an: "Herr unser Gott, Du weißt wie viel Arbeit in diesem Glockenguss steckt, in der Vorbereitung. Wir bitten Dich um Deinen Segen für diesen Guss…"

Cornelia Mark-Maas mit ihrem Sohn (Foto: DW/Insa Wrede)
Cornelia Mark-Maas und ihr Sohn (links) berechnen die Zusammensetzung der BronzeBild: DW/I. Wrede

Nach dem Gebet wird der Ofen gekippt. Die Glockengießerin sagt den traditionellen Spruch auf. "In Gottes Gnaden, lasst es rinnen. Stoßt den Zapfen aus. Gott bewahr das Haus." Und dann wird der Stopfen entfernt. Wie Lava sprudelt die 1100 Grad heiße Bronze durch die gemauerten Kanäle zu den in Erde eingegrabenen Glockenformen. Eine um die andere wird gefüllt. Nach etwa 15 Minuten ist alles vorbei.

Glockenguss in der Eifeler Glockengießerei Glockenguss (Foto: DW/Insa Wrede)
Wenn die Bronze rinnt, wird es ganz still in der HalleBild: DW/I. Wrede

Jetzt müssen die Glocken nur noch erkalten - was bei den größeren drei bis vier Wochen dauern kann. Und dann überprüft die Glockengießerin, ob die Glocken den richtigen Klang haben. Aber auch wenn diese eigentliche Probe noch aussteht, ist ihr schon jetzt die nachlassende Anspannung im Gesicht abzulesen. Nach dem die Pesterwitzer noch einmal gesungen haben, wird erst einmal mal die Kehle durchgespült - mit Schnaps.

Gemacht für die Ewigkeit

Nur noch fünf Glockengießereien gibt es in Deutschland. Und der Bedarf an Glocken sinkt. Wurden früher noch bis zu 90 Glocken pro Jahr in Brockscheid gegossen, sind es inzwischen nur noch halb so viel. "Der Nachteil ist eben, dass die Glocken sehr lange halten", sagt Mark-Maas. Der Bedarf sei relativ gedeckt und es sei nicht viel Geld da, teilweise würden Kirchen veräußert "und die Glocken, die da in den Türmen hängen, die bauen wir aus und bauen sie in anderen Türmen ein. Das wären sonst Glocken gewesen, die wir gegossen hätten."

Pfarrer Mathias Koch im Gebet vor dem Glockenguss (Foto: DW/Insa Wrede)
Am Schluss wird auf den Glockenguss angestoßen und der Staub aus der Kehle gespültBild: DW/I. Wrede

Und so hat Mark-Maas ihr Geschäft rund um die Glocke erweitert. Inzwischen werden bei ihr Glockenstühle, Klöppel, Läutemaschinen, Turmuhrenanlagen, Treppen und Turmaufstiege gebaut und sie übernimmt auch die Wartung. Beispielsweise bei den Glocken des Kölner Domes, eine von ihnen wurde übrigens ebenfalls in Brockscheid gegossen.