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Ex-Bischof gewählt

Stefan Dege21. April 2008

War oder ist Fernando Lugo Befreiungstheologe? Nein, sagt Lateinamerika-Experte Günther Maihold. Trotzdem hat die katholische Kirche ihre Probleme mit dem Ex- Bischof - doch sie wird sich arrangieren müssen.

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Der lachende Sieger: Lugo zeigt mit dem Daumen nach oben (Foto: dpa)
Der lachende SiegerBild: picture-alliance/ dpa

Fernando Lugo ist keiner, der am Heiligen Stuhl sägte. Die Befreiungstheologie, sagt er, sei gleichwohl eine seiner geistigen Grundlagen. Er verstand Kirche zwar als Volkskirche, in der die Gläubigen ihre Lage erkennen, und verstehen, was zu tun ist. Aber, so der Lateinamerika-Experte Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): "Ein weiter darauf ansetzender Kampf, der teilweise in der Befreiungstheologie in ihren extremeren Visionen erkennbar geworden ist, ist bei Lugo nicht nachzuweisen." Am Sonntag (20.4.2008) wurde der Kirchenmann zu Paraguays neuem Präsidenten gewählt. Damit übernimmt nach 61 Jahren erstmals ein Linker die Macht in dem kleinen südamerikanischen Land.

Über Jahre war Lugo katholischer Bischof in San Pedro, dem ärmsten Landstrich Paraguays. Dort setzte er sich für die Menschen ein, die aber trotz fruchtbarer Weiden in Scharen an den armen Rand der Städte flüchteten. Denn die Agrarwirtschaft mit ihren Rinderherden und Sojaplantagen liegt in Paraguay in der Hand weniger Familien. "Bischof der Armen" nannten sie Lugo. Zu Recht, wie Maihold meint: "Lugo hat die Ausrichtung der katholischen Kirche in Paraguay auf eine neue Grundlage gestellt, indem er sich sehr klar auf die Seite der weniger Privilegierten stellte, und sie dann vor allem auch in eine politische Bewegung integriert hat."

"Glauben an die Wende" statt Machtelite

Eine Bewegung, die helfen sollte, der politischen Monokultur des Landes zu entrinnen. Denn in Paraguay herrschen seit Ewigkeiten die Colorados ("die Roten"), eine rechtskonservative Gruppierung aus Großgrundbesitzern und Militärs, die selbst den Sturz des Diktators Alfredo Stroessner im Jahre 1989 überdauerte. Eine Machtelite, die zuließ, dass Paraguay in der Rangliste der korruptesten Staaten bis heute einen Spitzenplatz belegt. Lugo versammelte rund 20 Parteien und Bewegungen zur "Patriotischen Allianz für den Wandel". Das Motto des Bündnisses hieß auch nicht zufällig "Glauben an die Wende".

"Das ganze Land - meine Kathedrale", verkündete der künftige Präsident und Ex-Bischof 2007. Er beschloss, das Priesteramt abzulegen und Politiker zu werden. Ein geistliches Amt jedoch sei von lebenslanger Dauer, widersprach der Vatikan, und versetze Lugo nicht wie gewünscht in den Laienstand, sondern suspendierte ihn.

Feiern nach dem Wahlsieg Lugos in Paraguay, Foto: AP
Zehntausende jubelten dem charismatischen 56-jährigen nach Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse in der Hauptstadt Asunción zuBild: AP
Feiern nach dem Wahlsieg Lugos in Paraguay, Foto: AP
Anhänger Lugos feiern seinen Wahlsieg auf der StraßeBild: AP


Klare Trennung von Politik und Kirchenamt

Eine schmerzliche Trennung, die Lugo am Ende vielleicht sogar nutzte. Lateinamerika-Kenner Maihold meint, Lugo habe durch die klare Trennung seiner kirchlichen Funktion von seiner politischen Karriere eine Möglichkeit gefunden, sein positives Image auch in politische Münze umzuwandeln: "Da er von allen geistlichen Ämtern befreit ist, ist er in keinem Konflikt mit der katholischen Kirche."

In Paraguay habe die katholische Kirche das korrupte System der Colorados immer stark gestützt, sagt Maihold. Das werde sich jetzt ändern. Nicht nur im Land. Auch im fernen Vatikan müsse ein Umdenken einsetzen: "Natürlich muss sich der Rest der Amtskirche darüber im klaren sein, wie sie sich nun zu ihrem ehemaligen Bruder stellen will." Sie müsse zumindest ein Auskommen mit ihm finden, weil Paraguay für die katholische Kirche im inneren Südamerika eine zentrale Größe sei.

40 Prozent der paraguayischen Bevölkerung gelten heute als arm. So ist Fernando Lugo jetzt vom Bischof der Armen zum Präsidenten der Armen geworden.