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Vom Asylbewerber zum Abgeordneten

Philipp Sandner7. Dezember 2012

Elombo Bolayela ist der erste und einzige afrikanischstämmige Abgeordnete in einem deutschen Landesparlament. Eigentlich wollte er irgendwann zurück in den Kongo. Doch jetzt setzt er sich in Bremen für Migranten ein.

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Der Bremer Abgeordnete Elombo Bolayela vor der Bremischen Bürgerschaft(Foto: DW/Philipp Sandner)
Bild: DW

"Mahlzeit!" Elombo Bolayela betritt einen Baumarkt in Bremen - "seinen" Baumarkt. Seit 13 Jahren arbeitet er hier. Man kennt ihn, schätzt ihn. Hier hat sich der gebürtige Kongolese ein neues Leben aufgebaut. Vom Tischlerlehrling hat er es bis in den Vorstand des Betriebsrats gebracht. Denn Bolayela mischt gerne mit. Inzwischen hat er noch eine Bühne für sich entdeckt: Seit Juni 2011 sitzt er im Bremer Landesparlament, der sogenannten Bremischen Bürgerschaft. Damit ist er der erste und einzige afrikanischstämmige Landesabgeordnete in Deutschland überhaupt.

Dass er einmal in die deutsche Politik gehen würde, hätte er sich nicht träumen lassen. Seine Parteigenossen in der SPD hatten ihm auf der Landesliste Platz 41 zugewiesen - völlig angemessen für einen politischen Neuling, fanden sie. Dann die Überraschung: Die Bremer Wähler zogen Bolayela den etablierten Politikern vor - der Immigrant erzielte das sechstbeste Ergebnis der Fraktion und bekam ein Direktmandat. Die SPD regiert in dem kleinen Stadtstaat Bremen gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen.

Geprägt durch das Regime Mobutu

Dabei war Elombo Bolayelas Start in Deutschland alles andere als leicht: Er kam als Asylbewerber. Seine alte Heimat Zaire, die heutige Demokratische Republik Kongo, musste er 1992 verlassen. Mit seinen damals 27 Jahren hatte er nur einen einzigen Präsidenten kennengelernt: Mobutu Sese Seko. Doch der Autokrat tat wenig für sein Land. Die Wirtschaft brach ein, der Lebensstandard sank. In den 90er Jahren machten die Menschen nicht mehr mit - eine Demokratiebewegung entstand. Mit dabei: der junge Bolayela, Student der Betriebswirtschaft. Einen Professor fragte er damals nach der Bedeutung des Wortes Demokratie. "Er sagte: 'Das ist ein gutes politisches System, das man einem Land geben kann, dadurch kommt Entwicklung. Jeder von uns hat die Chance, Minister oder Lehrer zu werden. Wir werden mehr Straßen bekommen, klar!' ", erinnert sich Bolayela an das Gespräch.

Zaires Ex-Präsident Mobutu Sese Seko (Foto:ddp images/AP)
Duldete keine Opposition: Mobutu Sese SekoBild: AP

Der Student war begeistert von der Aufbruchstimmung im Land. Am 16. Februar 1992, einem Sonntag, ging er in der Hauptstadt Kinshasa auf die Straße, um gegen Mobutu zu demonstrieren. Kirchenführer hatten dazu aufgerufen. Ein großer, friedlicher Marsch sollte es werden. Die Menschen sangen, die Stadt vibrierte, das weiß Bolayela noch. Doch der Marsch endete im Blutbad - Mobutu wollte seine Macht nicht teilen. Das Militär eröffnete das Feuer, rund 200 Menschen kamen ums Leben. Auch Bolayela wurde angeschossen. Tags drauf floh er – und erreichte auf abenteuerlichem Weg schließlich die Bundesrepublik.

Vom Asylbewerber zum Politiker

Dort musste er jahrelang für sein Bleiberecht kämpfen. Dass es den Behörden so schwer fiel, seine Verfolgung anzuerkennen, war für ihn ein Schlag ins Gesicht. Dennoch lernte er die niedersächsische Kleinstadt Syke bei Bremen kennen und lieben. Hier fand er Halt in der Kirchengemeinde bei Menschen, die sich auf seine Seite stellten. Bald baute er schon selbst einen Chor auf, begann seine Lehre als Tischler und gründete eine Familie. Seit zwölf Jahren ist er deutscher Staatsbürger. Bolayela weiß, dass er viel Glück gehabt hat. "Die Menschen meinen es gut mit mir", lacht der Wahlbremer. Vielleicht liege das auch an seiner Einstellung, stets das Gute in den Menschen zu sehen. Dass er nun auch eine politische Karriere begonnen hat, kann er sich selbst nicht so richtig erklären.

Eigentlich habe er immer den Plan gehabt, in den Kongo zurückzukehren, sagt der Mittvierziger. Präsident Mobutu ist längst Geschichte, aus Zaire wurde die Demokratische Republik Kongo. Doch als er vor fünf Jahren erstmals wieder in seine alte Heimat reiste, fühlte er sich fehl am Platz. Er beobachtete, wie schwer sich sein Volk nach Jahrzehnten der Unterdrückung mit politischer Mitbestimmung tut - und wie die neuen Machthaber ihre Macht missbrauchen. "Demokratie ist kein Spiel", empört sich der Abgeordnete. "Politik ist nicht 'Wünsch dir was', sondern Konfrontation mit der Realität. Man muss lernen, Kompromisse einzugehen." Dazu gehöre auch, das Ergebnis von Wahlen zu akzeptieren. "Wer zu einer Abstimmung antritt, muss wissen, dass er auch verlieren kann."

Der Bremer Abgeordnete Elombo Bolayela in der Bremischen Bürgerschaft (Landtag). (Foto DW/Philipp Sandner)
"Es geht um die Sache": Bolayela in der BürgerschaftBild: DW

Nebeneinkünfte verdient er im Baumarkt

Im Kongo etwas ändern zu wollen - dieses Ziel hat Bolayela also hinter sich gelassen. Doch da, wo er lebt, bringt er sich ein. Seine Kollegen in der SPD-Fraktion sprechen mit Anerkennung von ihrem afrikanischstämmigen Kollegen -  außer ihm sitzen dort auch viele weitere Abgeordnete mit Migrationshintergrund. "Es ist eine bunte Truppe, und darin hat auch Herr Bolayela seinen Platz gefunden", sagt Fraktionsvorsitzender Björn Tschöpe.

Bremer Baumarkt, zweite Arbeitsstelle von Herrn Bolayela. (Foto: DW/Philipp Sandner)
Bolayelas zweiter Arbeitsplatz: ein Baumarkt in BremenBild: DW

Eine Gesetzesinitiative hat Bolayela schon auf den Weg gebracht: Bessere Chancen für ausländische Studierende. Wer sich engagiere und die, wie er sagt, "deutschen Werte" - etwa diszipliniertes Arbeiten - für sich akzeptiere, solle auch eine Chance bekommen. Den Baumarkt möchte Bolayela aber dennoch nicht aufgeben. Mit einer halben Stelle ist er weiterhin dort beschäftigt, außerdem ist er dort auch noch Sicherheitsbeauftragter. Kunden freuen sich über den Politiker, der mit beiden Beinen im Leben steht - manche fragen sogar nach Autogrammen.