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Voices of Africa

5. Juni 2009

Wo ausländische Journalisten aufgeben, legen sie erst richtig los: Die lokalen Reporter von "Voices of Africa". Ob Krisengebiet oder Metropole - sie sind nah dran am Menschen. Denn ihre Stärke ist ganz klein: Ein Handy.

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Mann filmt mit Handy (Archiv) (Foto: ap)
Filme per Handy: So arbeiten die Reporter von Voices of Africa (Archiv)Bild: picture-alliance/ ZB

Die meisten Medienberichte über Afrika, die Europa erreichen, kommen von europäischen Journalisten. Aber grade in Konfliktsituationen stoßen ausländische Journalisten oft an ihre Grenzen, sobald sie die Metropolen der Länder verlassen - sie sprechen die lokalen Sprachen nicht und kennen sich mit den Gegebenheiten auf dem Land nicht aus. Und die Menschen in den Dörfern fühlen sich häufig eingeschüchtert von den fremden Journalisten und wollen ihnen keine Interviews geben.

Interviews ohne Angst

Unruhen in Kenia (Archiv Dez. 2007) (Foto: ap)
Bei den schweren Unruhen in Kenia berichtete Voices of AfricaBild: AP

Die Reporter von "Voices of Africa" haben es da leichter: Sie berichten aus ihren Heimatregionen und das Ganze mit einfachstem Equipment: Einem Handy. Zum Beispiel Peris Weirimu aus Kenia. Als in ihrer Heimat nach den Wahlen Ausschreitungen zwischen den verschiedenen Ethnien ausbrachen, hat Peris für "Voices of Africa" aus ihrem Dorf berichtet.

Sie filmte die Opfer der Unruhen, als plötzlich professionelle Kameramänner auftauchten. "Die Opfer wollten nicht mit ihnen sprechen, weil sie Angst hatten", erzählt Peris. "Diese Kameras sind einfach zu groß!" Als Peris ihr Handy rausholte, sah das anders aus: "Eines der Opfer hat mit mir geredet und wir haben ein sehr gutes Interview gemacht. Daraufhin kam einer von den Kameramännern und hat sich mein Handy ausgeliehen, nur um auch ein Interview zu machen", berichtet sie.

Ausbildung aus der Ferne

Die 23-jährige Peris hat gerade ihre Ausbildung bei "Voices of Africa" abgeschlossen. Die niederländische Organisation bildet seit drei Jahren junge Afrikaner zu Handy-Reportern aus. Einheimische NGOs schlagen die Kandidaten für das Training vor. Ein paar Tage werden die Reporter dann in Nairobi oder Accra von Trainern in die Handy-Technik und die Grundlagen des Handy-Journalismus eingewiesen.

Danach müssen sie ein halbes Jahr regelmäßig Video-Reportagen über das Internet nach Holland schicken. Dafür gibt’s dann ein gründliches Feedback und Verbesserungsvorschläge von erfahrenen Journalisten und die Reportagen erscheinen auf der Website von "Voices of Africa".

Während der Trainingszeit bekommen die Reporter monatlich Geld von der Organisation. So soll gesichert werden, dass sie sich die Zeit fürs Berichten nehmen können. Anschließend sollen die Reporter eigenständig für NGOs oder Medienunternehmen arbeiten können.

Große Ziele

Internetseite von voices of africa (Foto: dw)
Auf der Internetseite werden die Videos präsentiert

Pim de Wit hat die Organisation gegründet. Er hat vorher für große holländische Medienunternehmen gearbeitet. Sein großes Ziel ist, dass es in jedem Dorf Afrikas einen Handy-Reporter gibt, der über alle Ereignisse und Konflikte berichten kann. "Wir wollen, dass die Reporter in ihrer Umgebung aufmerksam sind", sagt de Wit.

"Sie haben den Zugang zu ihrer Community und sie sprechen die Sprache. Sie sind also die ersten, die einen möglichen Konflikt wahrnehmen können. Wenn wir Reporter in allen afrikanischen Dörfern haben, die der Welt ihre Sorge mitteilen können - in dem Moment können wir auch zur Konfliktvermeidung beitragen."

Beitrag zum Frieden?

Bisher kommen die Handy-Reportagen von "Voices of Africa" nur aus Kenia, Kamerun und Ghana. Bis 2011 sollen aber 24 Länder beteiligt sein. Der Journalist Olivier Nyirubugara betreut die Reporter von Holland aus. Er ist einer der Trainer, die die Berichte auswerten und den Reportern Verbesserungsvorschläge und Anmerkungen zu ihrer Arbeit schicken. Der Ruander engagiert sich ehrenamtlich für das Projekt. Sein Heimatland hat mit dem Genozid vor 15 Jahren einen der schlimmsten Völkermorde seit dem Holocaust erlebt.

Olivier sieht in der Arbeit von "Voices of Africa" ein großes Potenzial zur Konfliktvermeidung, weil Konflikte in der Regel lange schwelen, bis sie schließlich ausbrechen. "Hinter jedem Konflikt steckt immer eine ganze Geschichte", sagt er. "Und diese Geschichte kommt nicht einfach von alleine zu Tage. Da müssen Leute sein, die darüber berichten. Wenn wir die Leute in den Communities reden lassen und dann die ersten Anzeichen für Probleme ernst nehmen, dann könnten sich Konflikte in Afrika fast wie durch ein Wunder von selbst lösen."

Unseriöser Bürgerjournalismus?

Mann telefoniert mit Handy (Foto: ap)
Mit einem Handy kann man viel mehr machen, als nur zu telefonierenBild: dpa

Leute, die selbst über ihre Probleme berichten - grade westliche Journalisten kritisieren das häufig als unseriösen Bürgerjournalismus. Auch Pim de Wit ist sich der Gefahr bewusst: "Ein Mobiltelefon in den Händen einer fremden Person, die kein Training bekommen hat, kann sehr gefährlich sein", räumt er ein. "Aber wir versuchen, unsere Reporter solide zu schulen, ihnen beizubringen, wie sie ihre Quellen prüfen und dass sie sich nicht auf nur eine Quelle verlassen dürfen. Wir können Missbrauch nicht ausschließen, aber wir schulen die Leute hoffentlich so, dass sie darauf bedacht sind, objektive Informationen weiterzugeben."

Verwackelt, aber spannend!

Ein Blick auf die Website von "Voices of Africa" lohnt sich auf jeden Fall. Auch wenn die Handy-Berichte noch nicht den gängigen technischen Standards genügen: Die Tonspur reißt mit jedem Schnitt kurz ab, manchmal wackelt das Bild gefährlich oder die Sonne scheint direkt in die Linse. Doch die Themen zeigen ein anderes Afrikabild als die westlichen Medien - vom Teenager, der den Verkehr auf einer belebten Kreuzung in Accra regelt, bis zu Porträts von Kenianern, die froh sind über die Wirtschaftskrise.

Und so gut wie viele Videos auf YouTube sind die Berichte der "Voices of Africa"-Reporter allemal.

Autorin: Christine Harjes

Redaktion: Anna Kuhn-Osius