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Viel Glück, Mr. Lynch!

Nikos Späth11. Dezember 2003

Eine Milliarde Dollar für „Peace on Earth“: Was Filmregisseur David Lynch in einem Meditationstempel bei Washington machte, um die Welt zu befrieden. Nikos Späth war Zeuge dieses Ereignisses.

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Ein graues Gewerbegebiet. Zerteilt durch eine achtspurige Straße, auf der Busse nur jede halbe Stunde fahren. Dass North Bethesda nicht mehr Downtown-Washington ist, merkt der Ortsunkundige sofort. North Bethesda ist Provinz: Maryland.

Inmitten dieser grauen Trostlosigkeit aber steht ein kleiner weißer Tempel mit goldenen Türmchen. Wie eine Miniaturausgabe des Taj Mahal sieht er aus. "Washington Peace Palace“ heißt das Gebäude - obwohl es, wie gesagt, nicht mehr in der Hauptstadt der USA steht. Aber das macht nichts. Die Eigner des Friedenspalastes haben einen eigenen Staat. Der Name ist Programm: Global Country of World Peace - globales Land des Weltfriedens.

Im Schneidersitz gegen Krieg und Terror

Einer der "Staatsangehörigen“ ist David Lynch, 57 Jahre alt, und mit mehreren Oscar-Nominierungen einer der berühmtesten Filmemacher unserer Zeit. Die englische Zeitung Guardian hält Lynch, der durch Filme wie "Blue Velvet“, "Wild at Heart“ oder "Lost Highway“ bekannt wurde, sogar für den "wichtigsten Regisseur“ dieser Tage - noch vor Martin Scorsese, Steven Soderbergh und Quentin Tarantino.

Genauso bizarr wie seine Filme indes ist Lynchs Auftritt an diesem Mittwochvormittag (10.12.). Er ist als Botschafter des United States Peace Government, der Regierung des besagten Friedensstaates, in den Tempel in North Bethesda gekommen. Dieser Staat, oder besser gesagt: diese Glaubensgemeinschaft, will mit Meditation Frieden auf Erden schaffen.

Indem der Meditierende - mit geschlossenen Augen und am besten im Schneidersitz - eine Einheit von Körper und Seele herbeiführt, verdrängt er all den "sozialen Stress“, mit dem Zivilisationsmenschen so geplagt sind. Dieser Stress ist nach dem Erfinder der Transzendentalen Meditation, "seine Heiligkeit“ Maharishi Mahesh Yogi, Ursache allen Übels in der Welt: Krieg, Terrorismus, Kriminalität. Wer also meditiert, ist immer "voller Glückseligkeit“, wie Lynch selbst aus 30 Jahren Meditation weiß. 600 unabhängige Studien, sagt er, bestätigen seine Erfahrung. Einziges Problem: Von den sechs Milliarden Erdenbürgern transzendieren erst sechs Millionen regelmäßig - zu wenig für den Weltfrieden.

Deshalb ist David Lynch heute hier. Er sitzt in einem Eischale-farbenen Raum vor einer Yuccapalme. Neben ihm hängt ein Plakat einer University of Peace, die mit ihren geometrisch angelegten Gärten und Brunnen auch Sonnenkönig Ludwig XIV. gefallen hätte. Solche Orte des Friedens will die Meditationsgemeinschaft in jedem Land der Welt errichten. Zunächst 8000, später 40.000 peace-creating experts sollen dort Meditationsstudenten das einzige Fach, den Weltfrieden, lehren. Die Schüler wiederum sollen ihr Wissen um den Globus tragen. Im Fokus sind zunächst die USA, jenes Land, das heute die "destruktivste Kraft in der Welt“ sei, wie der per Video aus Indien zugeschaltete Yogi sagt.

Billiger als ein B-2-Bomber

Eine Milliarde Dollar will der Meditationsstaat sammeln, um seine Vision zu verwirklichen: Geld für Gebäude, für Friedensexperten und Öffentlichkeitsarbeit. Filmregisseur Lynch ist der prominenteste Kopf der Bewegung. Er spricht von "kreativen Energien“, der "Kraft des Guten“ und dem "kosmischen Körper Menschheit“. Er sagt, dass eine Milliarde Dollar ein Klacks sei gegen das Militärbudget der USA, die allein 450 Milliarden Dollar im Jahr für Rüstung, Verteidigung und Geheimdienste ausgeben. Und dass Frieden auf der Erde gerade Mal so viel koste wie ein Flügel und die Heckflosse eines B-2-Bombers.

Man ist geneigt, Lynch zu glauben. Man glaubt vielleicht auch noch daran, dass er und der Yogi es irgendwie schaffen, eine Milliarde Dollar einzusammeln. An seine große Vision aber mag man nicht glauben. Weltfrieden durch Meditation? Das wäre zu einfach - und zu schön. Viel Glück wünscht man ihm trotzdem.