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Verwundete Libyer nach Deutschland geflogen

18. Oktober 2011

Die Bundesregierung hat ihr Versprechen eingelöst und 39 verletzte libysche Kämpfer nach Deutschland gebracht. Sie sollen hier medizinsch versorgt werden, da es in libyschen Krankenhäusern an allem fehlt.

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Ärzte der Bundeswehr transportieren einen verletzten Libyer zu einem Helikopter (Foto: DW)
Bild: DW

39 schwer verwundete Männer waren an Bord der Transportmaschine der Bundeswehr, die am Dienstag (18.10.2011) auf dem militärischen Flughafen in Köln landete. Sie hatten bei den Kämpfen gegen das Gaddafi-Regime Schuss- und Amputationsverletzungen erlitten und waren bisher in tunesischen Krankenhäusern untergebracht. Nun sollen sie in Bundeswehrkrankenhäusern behandelt werden. Ihr Gesundheitszustand sei mäßig bis schlecht, erklärte der libysche Arzt Abdelaminam Benhalim, der die Männer auf dem Flug begleitet hatte: "Sie müssen im Ausland versorgt werden, weil die Möglichkeiten dazu vor Ort nicht gegeben sind. Es gab eine Zeit, in der wir keinen Gips und noch nicht mal Brandsalbe hatten."

In der vergangenen Woche hatte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler angekündigt, insgesamt 150 Verletzte in Deutschland behandeln zu lassen. "Wir begrüßen diese jungen Menschen in Deutschland und wünschen ihnen gute Genesung, damit sie bald zurückkehren können in ihre Heimat und hoffen, dass sie beim Aufbau des neuen Libyens helfen können", sagte Volkmar Wenzel, der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Region. Er war ebenfalls mit an Bord der Bundeswehrmaschine. Nach Einschätzung des libyschen Übergangsrates liegen allein in tunesischen Krankenhäusern etwa zweitausend verletzte Kämpfer. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir die tunesischen Krankenhäuser entlasten und die Kranken hierher nach Deutschland oder in andere europäische Länder transportieren", forderte der Arzt Benhalim.

Präsenz zeigen

Der libysche Arzt Abdelminam Benhalim auf dem Flughafen Köln-Wahn
Sorgt sich um die Verletzten: Der libysche Arzt Abdelminam BenhalimBild: DW

Die Bundesregierung unterstützt auch vor Ort den Wiederaufbau des Gesundheitssystems und hat bereits mehr als eine Million Euro in die Ausstattung von Krankenhäusern investiert. Noch immer werden aus Libyen Kämpfe gemeldet, doch die internationale Staatengemeinschaft verhandelt schon seit Wochen mit Vertretern des Übergangsrats über mögliche Kooperationen und übertrifft sich gegenseitig mit Hilfsangeboten. "Es geht darum, Präsenz zu zeigen", erläutert Marco Overhaus, Experte für Außenbeziehungen der Europäischen Union bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die die Bundesregierung berät: "Es ist sicher auch der Versuch der Bundesregierung, im Libyen der Nach-Gaddafi-Zeit wieder mehr Einfluss zu gewinnen."

Kämpfe in der libyschen Stadt Sirte (Foto: dapd)
Noch immer umkämpft: Die libysche Stadt SirteBild: dapd

Vertreter des Übergangsrats hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder enttäuscht darüber geäußert, dass Deutschland sich nicht am NATO-Einsatz gegen das Regime des Diktators beteiligt hatte. "Wir begrüßen die Deutschen, aber ihre Unterstützung für die Revolution ist spät gekommen. Dennoch hatten wir immer ein gutes Verhältnis und hoffen, daran anknüpfen zu können", meinte beispielsweise Finanzminister Ali Al-Tarhuni in der vergangenen Woche. Nach Einschätzung der Stiftung Wissenschaft und Politik hat das Angebot aus Berlin, bei der Versorgung der schwer Verletzten zu helfen, daher vor allem symbolischen Charakter. "Mich wundert es allerdings, dass dieses Angebot vom Wirtschafts- und nicht vom Außenminister kommt", bemängelt Overhaus: "Die deutsche Außenpolitik hat sich in Libyen zu sehr in den Hintergrund gedrängt. Außenpolitik ist mehr als nur Außen-Wirtschaftspolitik."

Zehn-Punkte-Plan für den Wiederaufbau

Deutschland hatte im Juni 2011 frühzeitig ein Verbindungsbüro in Tripolis eröffnet, der Außenminister, der Entwicklungsminister und der Wirtschaftsminister waren bereits zu Besuch. Letzterer hatte bei dieser Gelegenheit neben der Hilfe für die Verletzten einen Zehn-Punkte-Plan für den Wiederaufbau angekündigt. Verträge wurden allerdings noch nicht unterzeichnet – dafür ist es noch zu früh. Der Übergangsrat will erst im kommenden Jahr reguläre Wahlen abhalten, bevor Entscheidungen über wirtschaftliche Kooperationen gefällt werden. "Die Neuordnung des Erdölsektors zum Beispiel ist vertagt worden. Sie kann nur von einer gewählten Regierung bestimmt werden", meint Overhaus. Und so bleibt den Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitglieder derzeit nichts weiter übrig, als sich auf internationalen Konferenzen und bei Besuchen in Tripolis um die Gunst der neuen Herren zu bemühen – oder verletzte Kämpfer in Spezialkliniken operieren zu lassen.

Autorin: Friederike Schulz
Redaktion: Andrea Lueg